Eventrecht
Sind Ihre Verträge krisensicher?
Rechtanwalt Thomas Waetke schreibt in seinem Gastbeitrag, worauf bei Verträgen zu achten ist – von der öffentlichen Meinung über Pietät, Unmöglichkeit und Preissteigerungen bis zur Risikoverteilung. Foto: EventFAQ
Rechtanwalt Thomas Waetke schreibt in seinem Gastbeitrag, worauf bei Verträgen zu achten ist – von der öffentlichen Meinung über Pietät, Unmöglichkeit und Preissteigerungen bis zur Risikoverteilung. Foto: EventFAQ
Herbst und Winter stehen vor der Tür. Zu den Unsicherheiten, ob Veranstaltungen „Winterreifen“ aufziehen oder „Schneeketten“ anlegen müssen, ob sie abgesagt, verschoben oder ins Digitale verlegt werden, kommen weitere Herausforderungen: hohe Preise, fehlendes Personal und Material sowie der Engpass in der Gasversorgung. Veranstaltungsplaner sollten ihre Verträge entsprechend auf Aktualität überprüfen und auf rechtskonforme Klauseln. Rechtanwalt Thomas Waetke schreibt in seinem Gastbeitrag, worauf zu achten ist.
Corona, Kostenexplosion, Extremwetterereignisse, Staus, Zugausfälle, Demonstrationen … es kann viele von außen kommende Ereignisse geben, die einen Vertrag stören können. Aber auch Personalausfall, Geldmangel oder andere betriebliche Ereignisse können zu Störungen führen. Taucht nach Vertragsschluss ein störendes Ereignis auf, können drei Dinge helfen: der Wille beider Vertragspartner, gemeinsam einvernehmlich auf das Ereignis zu reagieren, gesetzliche Bestimmungen und vertragliche Regelungen.
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Das Einvernehmen
Einvernehmlich ist eigentlich alles möglich. Allgemein empfehle ich, aber auch beim Einvernehmen Vorsicht walten zu lassen. Denn ein anfängliches Einvernehmen kann auch irgendwann in einen harten Kampf ums Recht und ums Geld übergehen. Ein Beispiel, das ich in meiner anwaltlichen Praxis oft erlebt habe: Man einigt sich darauf, den Veranstaltungstermin zu verschieben. Es wird aber übersehen, darüber zu sprechen, ob bspw. Fristen neu zu laufen beginnen.
Bestenfalls sollte man Absprachen außerdem schriftlich festhalten, damit es nicht später doch noch Reibereien gibt, weil man sich vielleicht nicht mehr genau erinnern kann. Oder, was man auch nicht ganz außen vor lassen darf: Der bisherige Ansprechpartner ist nicht mehr im Unternehmen und der neue Ansprechpartner weiß von nichts.
Foto: Sebastian Heck
„Soll eine Klausel gegenüber mehreren Vertragspartnern verwendet werden, gelten hohe Anforderungen an die Wirksamkeit – so kann eine gut gemeinte, aber falsch formulierte Stornoklausel plötzlich einen unschönen Schaden beim Dienstleister verursachen. Also Achtung bei der Formulierung“
Rechtsanwalt Thomas Waetke
Es gibt eine vertragsrechtliche Besonderheit, wenn man sich mit mehreren Vertragspartnern einvernehmlich einigt und wenn dabei dieselbe Klausel vereinbart wird. Denn wenn eine Klausel mehrmals verwendet wird (also gegenüber mehreren Vertragspartnern), dann spricht man von einer „Allgemeinen Geschäftsbedingung“ (AGB). Während man bei einer Individualklausel (einmal oder vielleicht noch zweimal verwendet) kaum gesetzliche Beschränkungen hat, gibt es ein sehr strenges AGB-Regiment. Eine AGB-Klausel kann schnell unwirksam werden, wenn sie unsauber formuliert ist. Ich habe es schon erlebt, dass bspw. bei einer Verlegung zugleich neue Stornobedingungen vereinbart wurden, die dann aber AGB-rechtlich unwirksam waren – und manche Vertragspartner das bemerkt und ausgenutzt hatten.
Also: Einvernehmen ist schön und gut (und übrigens meistens einer kosten- und zeitintensiven Streiterei vorzuziehen), aber es gilt trotzdem, vorsichtig zu sein.
Gesetzliche und vertragliche Bestimmungen
Wenn sich Vertragspartner bei einer Störung nicht einigen können, können gesetzliche und/oder vertragliche Bestimmungen weiterhelfen: Was steht zu dem Problem im Gesetz, was hatte man womöglich vertraglich vereinbart? Normalerweise hat eine vertragliche Vereinbarung Vorrang. Ist das störende Ereignis bspw. höhere Gewalt und gibt es eine Höhere-Gewalt-Klausel, dann gilt folgende Reihenfolge:
- Zunächst schaut man in die vertragliche Klausel.
- Ist die Klausel unwirksam oder deckt sich das störende Ereignis doch gar nicht ab, dann kommen die gesetzlichen Bestimmungen ins Spiel.
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Achtung: Nur weil es eine Klausel im Vertrag gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch wirksam ist! Im AGB-Check von EventFAQ können Sie kostenfrei Ihren Vertrag bzw. Ihre AGB analysieren lassen.
Schauen wir uns nun ein paar beispielhafte Ereignisse an:
Die öffentliche Meinung
Moral und ethische Wertevorstellungen sind nicht messbar bzw. nicht quantifizierbar. D.h. ein Kunde, ein Leistungsträger oder ein Besucher haben unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen, wenn es um Pietät, Ethik und Moral geht. Der Druck auf Veranstalter wächst: Krieg in der Ukraine, Corona, Gasmangel, Inflation usw. – und immer öfter hört man das Argument: „Wie kann man jetzt nur Veranstaltungen machen?“ Im Gesetz finden sich die „guten Sitten“ (siehe bspw. in § 138 BGB oder in § 242 BGB). Darunter sind die sich aus der „Sittenordnung“ ergebenden Verhaltensgebote im Rahmen der in der Gesellschaft herrschenden Rechts- und Sozialmoral zu verstehen; es ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen, bei dem einerseits besonders strenge, andererseits besonders freizügige Moralvorstellungen einzelner Personen außer Betracht bleiben. Die „guten Sitten“ beruhen auf der gemeinsamen Überzeugung der zumindest überwiegenden Mehrheit der Angehörigen der Gesellschaft. Die Durchführung von Veranstaltungen angesichts der aktuellen weltweiten Krisen würde ich nicht als einen Verstoß gegen die guten Sitten bewerten. D.h. das Gesetz kann an dieser Stelle bei Absagen wegen der Besorgnis vor der öffentlichen Meinung nicht weiterhelfen. Denkbar ist auch hier, eine Klausel zu formulieren; hierbei wird man vermutlich auf die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit abstellen müssen, wenn der (nicht selbst schuldhaft herbeigeführte) öffentliche Druck derart groß wird, dass die Durchführung der Veranstaltung unzumutbar ist.
Rechtsanwalt Thomas Waetke ist Initiator der Karlsruher Eventrecht-Tage, ein Kongressformat für die Eventbranche. Von Juristen für Nichtjuristen konzipiert vermittelt es aktuelles Fachwissen praxisnah.
Foto: KET
Die Pietät
Möchte man seine Veranstaltung durchführen, wenn es bspw. einen Todesfall im Zusammenhang mit der Veranstaltung oder der Location gegeben hat? Es kann Situationen geben, da „fühlt“ sich die Durchführung pietätslos an – wie zuvor dargestellt, ist aber Pietät kaum subjektiv verallgemeinerungsfähig. Denkbar ist, im Vertrag Vorsorge zu treffen, bspw. durch eine Pietätsklausel oder durch eine Klausel zur Risikoverteilung: Wessen Risiko soll es sein, wenn die Veranstaltung durch Demonstranten gestört wird? Und was sollen die finanziellen Folgen sein? Entscheidet man sich für eine Pietätsklausel, muss „Pietät“ bestmöglich definiert werden. Denn schließlich funktioniert eine Klausel nur, wenn sie notfalls durch ein Gericht überprüfbar ist. Das Gericht muss anhand einer solchen Klausel entscheiden können, ob das störende Ereignis unter die Pietätsklausel fällt oder nicht. Solche Ereignisse sollten so formuliert sein, dass die Grenzen klar sind, wann ein Ereignis nicht dramatisch genug ist. Zwei Beispiele:
- Ein Krieg zwischen zwei Staaten bricht aus.
- Das Staatsoberhaupt verstirbt.
In beiden Fällen ist nicht genau klar, ob bspw. ein Krieg in Südamerika die gleiche Relevanz haben soll wie ein Krieg in Europa. Beim Tod des Staatsoberhaupts ist nicht klar, ob dies auch ein paar Tage später ein Argument sein soll. Wer sich also auch Pietätsgründe vorbehalten möchte, muss diese maximal transparent und eindeutig definieren.
Verträge und AGB für Veranstaltungen
Welche Verträge und AGB für Veranstaltungen gibt es? Was steht drin? Auf eventfaq.de/vertragstypen/ haben wir einige Verträge zusammengestellt: Sie finden dort weitere Informationen zu möglichen Inhalten und Stolperstellen.
Die Unmöglichkeit
Messbar sind hingegen Ereignisse, die die Durchführung des Vertrages unmöglich machen. Man kann die Veranstaltungsstätte nicht mehr erreichen, wichtige Beteiligte erscheinen nicht, die Veranstaltung wurde hoheitlich verboten usw. Wichtig ist dabei, zunächst die rechtliche Struktur zu verstehen: Es kommt auf die konkrete, vertraglich geschuldete Leistung an. D.h. ein Mietvertrag über Veranstaltungsräume zwischen Veranstalter A und Vermieter A kann zu einem anderen Ergebnis führen als zwischen Veranstalter B und Vermieter B. Denn maßgeblich ist der Vertragsgegenstand: Was schuldet der Veranstalter, was schuldet der Vermieter? Und: Beispielsweise ein Veranstalter schließt für eine Veranstaltung viele Verträge mit vielen Dienstleistern. Ein Ereignis, das die Veranstaltung direkt stört, kann für die einzelnen Verträge zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Üblicherweise schuldet ein Auftraggeber seinem Auftragnehmer Geld. Ein Vermieter schuldet üblicherweise die Überlassung von Raum und/oder Sachen, ein Caterer die Bereitstellung von Speisen und Getränken, die Eventagentur die Planung und Umsetzung einer Veranstaltung, der Fotograf die Herstellung von Fotos usw. Jetzt müssen wir das Ereignis und die vertraglich geschuldete Leistung zusammenbringen: Ist die jeweilige Leistung trotz Ereignis noch möglich? Für den Fall einer Unmöglichkeit, die zum Rücktritt vom Vertrag führt, macht es Sinn, sich im Vertrag über die finanziellen Folgen Gedanken zu machen: Aus Sicht des Dienstleisters, der seine Leistungen bezahlt haben möchte, kann eine ausdrückliche Regelung sinnvoll sein, dass eben erbrachte Leistungen zu vergüten sind. Auch die Kosten, die der Dienstleister bei Dritten ausgelöst hat (z.B. seinen Subunternehmern), sollten berücksichtigt werden: denn womöglich sind diese nicht mehr stornierbar und müssen ggf. ganz oder teilweise bezahlt werden. Der Bundesgerichtshof hat bereits Fälle entschieden, in denen es um die Vermietung von Veranstaltungsräumen ging – aber pandemiebedingt die Veranstaltung verboten wurde. Das Ergebnis: Der Vermieter schuldete die Überlassung von Raum, und diese ist durch das Veranstaltungsverbot nicht unmöglich geworden. Somit konnte sich der zahlungspflichtige Mieter (also der Veranstalter) auch nicht auf höhere Gewalt berufen. Der Veranstalter hat also einen leeren Veranstaltungsraum, in dem er keine Veranstaltung machen darf. Die Nichtnutzbarkeit des Raumes jedenfalls für die geplante Veranstaltung bewertet der Bundesgerichtshof als Risiko des Veranstalters. Immerhin: Sind die vertraglich geschuldeten Leistungen nicht unmöglich geworden, aber nutzlos, so kommt ein Anpassungsanspruch in Betracht: Stellt sich heraus, dass die Aufrechterhaltung der vereinbarten Leistungen für mindestens einen Vertragspartner unzumutbar ist, können je nach den Umständen die vertraglich geschuldeten Leistungen reduziert werden: bspw. die Höhe der Miete.
Foto: Sebastian Heck
„Die Kunst der Vertragsgestaltung ist, denkbare Probleme vorauszuahnen und mit den rechtlichen Anforderungen in Einklang zu bringen: Die schönste Klausel hilft wenig, wenn sie nicht wirksam ist.“
Rechtsanwalt Thomas Waetke
Das Problem: Das Gesetz (in diesem Fall § 313 BGB) ist natürlich nicht für den Einzelfall gemacht. Daher empfehle ich, auch für solche Fällen im Vertrag vorzusorgen und Parameter zu vereinbaren. Solche Parameter können z.B. Prozentzahlen sein, aber auch die Zeitfenster, in denen eine Terminverlegung versucht werden soll.
Die Preissteigerungen
Materialmangel, Personalmangel, Lebensmittel, Inflation, Gas … die Preise gehen hoch. Es gibt viele Gründe, dass sich Preise erhöhen können. Passiert das vor Vertragsschluss, kann man noch reagieren. Schwierig kann es werden, wenn sich die Preise nach Vertragsschluss erhöhen. Ist im Vertrag dazu nichts geregelt, greifen die gesetzlichen Bestimmungen. Das tun sie aber erst in Extremfällen – wenn die Kosten also so extrem in die Höhe geschossen sind, dass die Fortführung des Vertrages unzumutbar ist (siehe bspw. § 275 Absatz 2 BGB bzw. § 313 BGB). Sinnvoll ist, sich bereits im Vertrag Gedanken über mögliche Preissteigerungen zu machen. Wird eine Preissteigerungs-Klausel mehrfach verwendet, liegt, wie bereits oben beschrieben, eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor. Dann muss u.a. beachtet werden, dass zwischen Vertragsschluss und Preiserhöhung ein Mindestzeitraum von 4 Monaten liegen muss (siehe § 309 Nr. 1 BGB). Darüber hinaus sollte versucht werden, auch zeitnähere Steigerungen zu erfassen; hierbei kann man sich bspw. an die gesetzlichen Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anlehnen: Wenn die Fortführung des Vertrages ohne Preisanpassung unzumutbar ist, soll der Preis angepasst oder die Leistung reduziert werden. Eine Preissteigerungs-Klausel erscheint aus Sicht des Dienstleisters, der auch die erhöhten Kosten erstattet haben möchte, sinnvoll. Er muss aber bedenken: Wenn der Preis stark steigt und der Auftraggeber zur Zahlung verpflichtet wird, kann irgendwann ein Moment erreicht werden, in dem sich der Auftraggeber plötzlich auf Unzumutbarkeit bzw. auf (wirtschaftliche) Unmöglichkeit berufen könnte. Der Dienstleister muss bei seiner Vertragsgestaltung also darauf achten, dass sein Kunde dann nicht plötzlich vom Vertrag abspringen kann – dann würde der Dienstleister schlimmstenfalls vielleicht sogar leer ausgehen. Daher sollte an eine Alternative zur Preissteigerung gedacht werden, bspw. dergestalt, dass ausdrücklich vereinbart wird, dass ein Vertragsende nur die letzte Möglichkeit sein soll, wenn eine vorherige Vertragsanpassung (also nicht durch Preissteigerung, sondern durch Leistungsreduzierung) nicht möglich sein sollte. Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei Aspekte aufmerksam machen:
Die Risikoverteilung
Kommt es zum Streit, kann aus Formulierungen im Vertrag womöglich herausgelesen werden, wie die Risiken von Störungen verteilt wurden. Eine solche Verteilung kann ausdrücklich vereinbart werden, oder unauffällig. Hier gehört einiges an Erfahrung dazu, derlei Stolperstelle zu identifizieren bzw. zu erkennen.
Die Vorhersehbarkeit
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Vertragspartner prüfen sollten, ob aktuelle Krisen (Corona-Pandemie, Krieg, Inflation) bei Vertragsschluss bereits bekannt sind und später womöglich die Berufung auf die beiden Rechtsinstitute „Höhere Gewalt“ und „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ dadurch ausgeschlossen sein könnte. Denn in beiden Fällen ist die Unvorhersehbarkeit eine Voraussetzung. Daher kann es sinnvoll sein, im Vertrag explizit zu vereinbaren, ob bzw. dass sich die Vertragspartner trotz Kenntnis der (ggf. nur bevorstehenden) Störung sich trotzdem auf diese beiden Rechtsinstitute berufen können sollen.
Fortbildungen im Eventrecht
EventFAQ vermittelt Fachwissen zu Themen aus dem Eventrecht wie Datenschutz oder Veranstaltungssicherheit kompakt und praxisnah in Webinaren, Präsenzseminaren oder Intensiv-Coachings. In Impulsen vermitteln externe Referenten ihr Fachwissen rund um die Veranstaltungsplanung und geben Einblicke in Zukunftsthemen.
Mein Fazit
Wir haben in den vergangenen Jahren der Pandemie die Erfahrung gemacht, dass viele Probleme aufgrund langjähriger guter Geschäftsbeziehungen und gegenseitigem Vertrauen vernünftig gelöst wurden. Aber darauf zu hoffen, ist natürlich keine stabile Grundlage. Und letztlich profitieren beide Vertragspartner davon, wenn im Vertrag möglichst viele potenzielle Streitpunkte bereits vorab geklärt sind.
Thomas Waetke