Verbandsveranstaltungen
Das Beste aus beiden Welten
Die Mitglieder im Deutschen Bundesverband für Logopädie helfen ihren Patienten, die Stimme, das Sprechen, die Sprache und das Hören zu verbessern. Für ihren Jahreskongress wollen die Logopädinnen die Wahl haben: nach Erlangen reisen oder remote teilnehmen? Foto: dbl, J. Tepass
Die Mitglieder im Deutschen Bundesverband für Logopädie helfen ihren Patienten, die Stimme, das Sprechen, die Sprache und das Hören zu verbessern. Für ihren Jahreskongress wollen die Logopädinnen die Wahl haben: nach Erlangen reisen oder remote teilnehmen? Foto: dbl, J. Tepass
Digitalisierung weiter vorantreiben und Chancen für den Verband nutzen. Das ist der Top-Trend, den die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement (DGVM) in ihrer Jahresumfrage 2023 erhoben hat. Welche Trends beschäftigen die Verbände noch, und was bedeutet das für ihre Veranstaltungen?
„Wie gestalten Verbände und Organisationen ihre Veranstaltungen künftig? Ist eine Rückkehr zu den Wurzeln zu erwarten, oder zeichnen sich grundlegende Veränderungen ab?“ Mit dieser Frage stößt Stefan Kirchner im Frühjahr einen Austausch auf LinkedIn an. Nach neun Jahren als Leiter der Veranstaltungen bei Kölner Verbändeseminare kennt Kirchner die Verbandslandschaft und deren Veranstaltungswelt. Seit November führt Kirchner die Geschäfte im Deutschen Bundesverband für Logopädie e.V. (dbl). Mit dem Ende der Pandemie beobachtet der Geschäftsführer, dass Veranstaltungen in Präsenz zurückkehren, virtuelle Formate aber bleiben.
Für seinen diesjährigen Jahreskongress, den 51. dbl-Kongress, ermöglicht der Deutsche Bundesverband für Logopädie am 16. und 17. Juni 2023 die Teilnahme vor Ort in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen und vom Homeoffice oder Büro aus. Für die Logopäden ist das eine Premiere. 2020 wurde ihr Kongress wegen der Pandemie abgesagt, 2021 digital abgehalten und 2022 in Präsenz. „Unsere Mitglieder haben jedoch ausdrücklich den Wunsch geäußert, das Beste aus beiden Welten zu vereinen“, berichtet Kirchner. Ihm zufolge freuen sich viele auf den persönlichen Austausch, aber es gibt auch einen beachtlichen Teil an Mitgliedern, die eine digitale Variante bevorzugen, sei es aus Gründen der Flexibilität, Zeit oder des Budgets, weil die Reisekosten entfallen.
„Für uns ist dies in gewisser Weise ein Experiment“, sagt Kirchner und fragt sich: Was geschieht, wenn wir beide Veranstaltungswelten – analog und digital – miteinander kombinieren? Führt dies zu einer höheren Gesamtzahl an Teilnehmern – oder bleibt diese gleich, und es kommt lediglich zu einer Verschiebung zwischen beiden Formaten? 2022 waren es beim dbl-Kongress knapp 900 Teilnehmer vor Ort und 2021 gut 600 Online-Teilnehmer. „Betrachtet man den aktuellen Anmeldeverlauf für 2023 und vergleicht ihn mit den letzten beiden dbl-Kongressen, verzeichnen wir etwa ein Drittel mehr Anmeldungen für die Präsenzveranstaltung im Vergleichszeitraum“, informiert Kirchner und fügt hinzu: „Beim digitalen Ableger besteht noch Steigerungspotenzial.“ Aus Erfahrung weiß er, dass Anmeldungen für digitale Events später eingehen.
Foto: Christian Daitche, Photography
„Was geschieht, wenn wir beide Veranstaltungswelten – analog und digital – miteinander kombinieren? Führt dies zu einer höheren Teilnehmerzahl – oder bleibt die Gesamtzahl gleich und es kommt lediglich zu einer Verschiebung zwischen den beiden Formaten?“
Stefan Kirchner, Geschäftsführer Deutscher Bundesverband für Logopädie (dbl)
Letztes Jahr bot der Bundesverband für Logopädie 28 Online-Veranstaltungen an und gewann 731 Teilnehmer. Dieses Jahr hat der Verband bis Ende März bereits 881 Teilnehmer auf 16 Mitgliederkonferenzen begrüßt, das sind digitale Informations- und Weiterbildungsformate, die vor zwei Jahren eingeführt wurden. „Inzwischen führen wir etwa fünf bis sieben solcher Veranstaltungen im Monat durch. Das Teilnehmervolumen steigt im Bereich der kurzweiligen Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen also stark an“, schlussfolgert Kirchner.
Durch die digitalen Events erreicht sein Verband mehr Mitglieder, erzielt eine höhere Durchdringung und trägt dazu bei, die Mitglieder über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Logopädie zu informieren und weiterzubilden. „Ich denke, künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren weitere Potenziale erschließen können, indem KI bei der zielgruppengerechten Vermarktung unterstützt, Planungen durchführt und bei der Programmerstellung mitwirkt.“ Die aktuellen Themen und Trends für den Bundesverband sieht Kirchner im Personalmangel, der Digitalisierung und deren gezielter Nutzung für die Interessen der Mitglieder sowie Nachhaltigkeit.
Umfrage Verbandstrends 2023
Nach den Top-10-Trends für Verbände hat die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement (DGVM) in ihrer Jahresumfrage 2023 gefragt und fasst das Ergebnis mit „Challenge accepted: Verbände als Macher und Gestalter“ zusammen. Schließlich hätten die deutschen Verbände und Organisationen die letzten Monate und Jahre genutzt, um sich neu auszurichten und zu positionieren. Dabei überrascht selbst die DGVM ein wenig, wie positiv der Blick ihrer Mitgliedsverbände auf die zurückliegenden Monate ausfällt. Die meisten Verbände blicken selbstbewusst darauf, was sie in Zeiten von Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Fachkräftemangel geleistet haben. Das materialisiert sich in einem Zuwachs an Mitgliedern.
„Von der Sache her hat mich das eigentlich nicht überrascht“, sagt Jutta Gnauck, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement. Schließlich kursiert in der Verbandswelt die Weisheit, dass Krisenzeiten für Verbände gute Zeiten sind. Das habe sich hier bewahrheitet. „Aber als wir die Befragung Anfang des Jahres durchführten, war die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung eher negativ, alle waren von den vielen Krisen frustriert und keiner wusste so richtig, worauf er sich 2023 eigentlich freuen soll“, erinnert sie sich. In einer solchen Zeit eine Umfrage zu machen, ist in ihren Augen immer ein Wagnis und kann auch ganz andere Ergebnisse bringen. Insofern ist Gnauck sehr begeistert, wie sie im Interview sagt, wie positiv die Verbände nach vorne schauen.
Foto: DGVM
„Die Uhren laufen schneller“
Jutta Gnauck, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM), über Krisenzeiten als gute Zeiten für Verbände, den Jubel über Präsenzveranstaltungen und den festen Platz des Digitalen, den revitalisierten Infotag Verband & Tagung und den sozialen Aspekt in der Nachhaltigkeitsdiskussion.
Top-10-Trends der Verbandsarbeit
Befragt nach den Top-10-Trends der Verbandsarbeit 2023, sehen zwei Drittel der Befragten die Digitalisierung auf Platz 1. Genauer: „Die Digitalisierung weiter vorantreiben/Chancen für den Verband nutzen.“ Schließlich war Digitalisierung bereits Top-Trend 2021 und die digitalen Grundlagen sind vielerorts geschaffen worden. Wie bei Unternehmen und anderen Organisationen hat Corona als Beschleuniger bei der Digitalisierung gewirkt. Nun gilt es, die neuen technologischen Möglichkeiten zu nutzen. Doch was heißt das für Veranstaltungen?
Bei der Deutschen Aktuarvereinigung beispielsweise haben sich die Bereiche hybride Veranstaltungen, virtuelle Gremiensitzungen und New Normal der Arbeitswelt der Geschäftsstelle weiterentwickelt. Hauptgeschäftsführer Michael Steinmetz spricht darüber im Verbändereport und sieht darin „eine unglaublich motivierende Bestätigung für unseren Mut, schon weit vor dem Auftauchen einer Pandemie einen wesentlichen Teil des Haushalts in hochmoderne technologische Grundlagen der Vereinsarbeit und Leistungsangebote zu investieren“. Insbesondere die letzten drei Geschäftsjahre seien wirtschaftlich sehr erfolgreich gewesen.
Top-10-Trends der Verbandsarbeit 2023
1. Digitalisierung weiter vorantreiben/Chancen für den Verband nutzen: 67,4%
2. Mitgliederkommunikation intensivieren, Mitglieder gewinnen, Mitglieder binden: 58,7%
3. Ausbau von Mehrwertleistungen, Services und Dienstleistungen für die Mitglieder: 52,2%
4. Geeignete Vertreter für das Ehrenamt begeistern: 50,0%
5. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und gesellschaftliche Verantwortung fördern: 47,8%
6. (Neue) Mitarbeiter für das Hauptamt finden und halten (Aufsteiger des Jahres!): 37,0%
7. Profil des Verbandes schärfen (Marke/Image positionieren und ausbauen): 32,6%
8. Organisationsentwicklung im Verband angehen (Strukturen, Prozesse, Verantwortlichkeiten): 30,4%
9. Finanzquellen und -mittel für die Verbandsarbeit sichern und ausbauen: 30,4%
10. Verbandskommunikation im Ganzen stärken, ausbauen und sichtbarer machen: 28,3%
Trends und Herausforderungen für die Verbandsarbeit im Jahr 2023, Befragung von DGVM-Mitgliedsverbänden, Mehrfachnennung möglich
Quelle: DGVM-Jahresumfrage zu den aktuellen Verbandstrends 2023
Digitale Weiter- und Fortbildungsangebote haben sich über die Pandemie hinaus in vielen Verbänden und deren Akademie etabliert und sind aus deren Portfolio nicht mehr wegzudenken wie beim Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Dabei geht es bei den Veranstaltungen der Verbände nicht um ein Entweder-oder der Formate, sondern das Beste aus beiden Welten, also den passenden Mix aus analog, digital und hybrid. „Wir sind zurück in Präsenz und profitieren dabei vom Rückenwind der Online-Events, welche ihren festen Platz in unseren Kalendern gefunden haben. ‚Best of both worlds‘ für maximale Reichweite und Mitgliedernutzen“, bekräftigt ebenfalls im Verbändereport Ralf Dürrwächter, Geschäftsführer Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) und Forschungsgemeinschaft Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (FDWF). Genau darum geht es in Top-Trend zwei: die Mitgliederkommunikation intensivieren, Mitglieder gewinnen, Mitglieder binden.
Choice, Omni-Channel und Customization
Es gehe nicht länger um die Frage „virtuell vs. persönlich“, bestätigt der aktuelle Association Engagement Index (AEI) der Agenturgruppe MCI. Ein Ergebnis der globalen Studie zur Zukunft der Verbände ist, dass Mitglieder und Kunden sich die Wahl wünschen und virtuell wie live in der Verbandscommunity interagieren wollen. Sie erwarten die für sie relevanten Inhalte und Aktivitäten zur richtigen Zeit im richtigen Kanal. Omni-Channel-Kommunikation werde immer wichtiger. Das stellt Verbände nicht nur mit Blick auf die Technologie vor Herausforderungen, sondern auch hinsichtlich ihrer Inhalte, Kommunikation und Formate. Das wiederum liest sich ab aus den Antworten der zu Leistung, Attraktivität und Wirkung von Verbandsaktivitäten befragten 12.700 Mitglieder und Kunden aus 51 Verbänden weltweit.
„Die Studie zeigt, dass content, channel und customize eine zentrale Rolle im Verband spielen: Je besser es um diese 3Cs steht, desto höher das Engagement der Mitglieder. Ein Verband muss folglich den hohen Erwartungen an mehrere Kommunikationskanäle gerecht werden“, resümiert Silke Weerts, Director Association Solutions bei MCI Deutschland. Sie fügt hinzu: „Zudem sind Interaktion und Engagement wesentlich für eine starke Beziehung, damit ein Verband für seine Mitglieder relevant ist und vor allem bleibt."
Association meeting needs
Das Beste aus beiden Welten zu verbinden und kreative Wege zu finden, wie Verbände das Jahr über analog und digital mit ihren Gemeinschaften in Kontakt treten und ihre Bedürfnisse befriedigen können, ist das eine, aus hybriden Veranstaltungen und digitalem Wissen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, das andere. Das verdeutlicht die internationale Umfrage Association meeting needs 2023 der International Congress and Convention Association (ICCA) in Kooperation mit der European Society of Association Executives (ESAE), der African Society of Association Executives (AfSAE) und der Asia-Pacific Federation of Association Organizations (APFAO). Demnach sind Veranstaltungen nach wie für viele der 177 befragten Verbände die größte Einnahmequelle.
„Jetzt, wo viele Verbände wieder zu persönlichen Treffen zurückkehren, haben sich die dringende Notwendigkeit und der Nutzen für die Gemeinschaften, dies zu tun, noch verstärkt“, kommentiert Senthil Gopinath die Ergebnisse. Der CEO der International Congress and Convention Association (ICCA) weiß: „Die Pandemie hat die Verbände dazu veranlasst, ihre strategischen Prioritäten zu überprüfen und mehr Gewicht auf die Durchführung nachhaltiger Tagungen und die Gewährleistung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration durch die Integration des digitalen Zugangs zu legen.“ Für Gopinath und seinen Verband sind das strategische Schlüsselbereiche. Für ihn ist vielversprechend, dass 83 Prozent der Befragten sich um nachhaltigere Veranstaltungen bemühen, Maßnahmen zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks ergreifen und Diversity, Equity und Inclusion berücksichtigen. Er ist sich bewusst, dass die Verbände in diesem Nachhaltigkeitsprozess unterschiedlich weit sind. Gopinath: „Durch eine effektive Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Tagungsanbietern und Initiativen wie den Net Zero Carbon Events können solche Herausforderungen überwunden werden.“
Klimaschutz auf Platz 5
Zurück in Deutschland, sehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz nur knapp die Hälfte (47,8 Prozent) der befragten Verbände unter den Top-10-Trends – und die Aussage „Nachhaltigkeit, Klimaschutz und gesellschaftliche Verantwortung fördern“ nur auf Platz 5. Je nach Natur des Verbandes ist Nachhaltigkeit längst ein Thema, wie Dr. Sabine Eichner vom Deutschen Tiefkühlinstitut (dti) berichtet: „Bereits seit Jahren beschäftigen wir uns aktiv mit Ressourceneffizienz, Klimaschutz, Lebensmittelverlusten, Klimabilanzen. Hier haben wir viel Know-how aufgebaut und stellen unseren Mitgliedern eine Plattform für den Austausch zur Verfügung.“ Dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf der politischen Agenda in Deutschland und der EU oben stehen, wissen die Verbände – und somit, dass die Klimaziele und der Green Deal mit Initiativen wie der Circular Economy sie auf Jahre beschäftigen werden.
Umso wichtiger ist es für Veranstaltungsplaner in Verbänden und anderen Organisationen, dass sich ihre Gastgeber mit dem Themenfeld befassen wie Oliver Kasties. Der Hauptgeschäftsführer im DEHOGA Hessen beobachtet, dass dem Austausch, der Beratung und Aufbereitung energie- und nachhaltigkeitsrelevanter Themen eine immer größer werdende Bedeutung zukommt. Kasties: „Zusätzlich zu den aktuellen Entwicklungen sind die vielfältigen Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes bei Unternehmen wie Gästen immer wichtiger geworden.“ Um dieser gestiegenen Relevanz gerecht zu werden, ist der DEHOGA-Arbeitskreis Umwelt umgewandelt worden in den DEHOGA-Bundesausschuss für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit.