Kolumne von Kim Kugelmann, Verbandsreferentin Contentmanagement und Young Professionals beim Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik)
Eventmanagement für Stubenhocker
Man lernt bei jedem Event etwas dazu, über sich und über die Veranstaltungsbranche. Zumindest ist das bei mir als Berufseinsteigerin noch so. Zuletzt ging es mir während der Hannover Messe so, der größten Industriemesse der Welt. Neben dem Besuch der imposanten Messe selbst durfte ich mit meiner Kollegin Michaela Pollok ein Vortragsevent organisieren. Mein bester Freund war in diesem Moment das Moderationspult mit Laptop, hinter dem ich mich gekonnt versteckt habe.
Der Titel mag etwas reißerisch sein, denn Stubenhockerin bin ich keine, aber in jedem Fall introvertiert. Bei einem Event übernehme ich gerne die Technik, den Empfang oder andere Tätigkeiten, wo ich eine klare Aufgabe habe. Brenzlig wird es, wenn alles läuft und ich Zeit habe, mich „unters Volk zu mischen“. Networking und Smalltalk sind meine Erzfeinde. Ich frage mich dann: Ist es jetzt an der Zeit, so zu tun, als würden wir uns alle brennend dafür interessieren, mit welchen Verkehrsmitteln andere angereist sind? Oder packen wir lieber direkt unseren Elevator Pitch aus?
Ich klammere mich in solchen Situationen am liebsten an meine Kolleg:innen, dann sehe ich beschäftigt aus und ein bisschen weniger verloren. Ist es peinlich, das zuzugeben? Mir schon ein wenig, denn ich arbeite im Marketing und Eventbereich, da sollte man mit Eventteilnehmenden wohl etwas besser umgehen können. Sicher bin ich nicht die Einzige, der es so geht, immerhin wird ein gutes Drittel der Bevölkerung als introvertiert eingeschätzt. Davon haben sich sicherlich auch einige in die Veranstaltungswelt verirrt – nur spricht kaum jemand öffentlich über diesen „Seelenspagat“.
Tag der Industriekommunikation 2023
Der Tag der Industriekommunikation 2023 (TIK) ist die jährliche Leuchtturm-Veranstaltung des Bundesverbands Industrie Kommunikation e.V. (bvik) für Marketing- und Kommunikationsexperten aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Unter dem Motto „Building Bridges into the B2B-Future“ werden am 22. Juni 2023 die Trends der B2B-Branche betrachtet. Der TIK 2023 findet in Präsenz im Veranstaltungsforum Fürstenfeld statt.
Nachdem Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung ist, habe ich mir nach meiner Hannover-Erfahrung neue Ziele gesetzt und mich mit Kolleg:innen ausgetauscht. Ich gerate meist in eine dieser beiden Situationen:
- Passive Partizipation: Man wird in ein „Gespräch“ verwickelt, wobei man eher eine passive Rolle einnimmt und von einem sehr motivierten Gegenüber totgeredet wird. Damit kann ich arbeiten, das nimmt mir den Stress, selbst ein Gespräch anzufangen oder gar wirklich zu interagieren.
- Verloren im Trubel: Hat man nicht das Glück, beansprucht zu werden, muss man selbst aktiv werden – oder eben auch nicht. Ich stehe dann gerne mal allein und etwas verloren im Raum und versuche, beschäftigt auszusehen. Im Idealfall sind ein paar Kolleg:innen mit dabei und ich muss nicht meine Komfortzone verlassen.
So viel zur aktuellen Bestandsaufnahme. Woher aber kommt das? Durch die Pandemie verlernt? Über die Generationen verloren gegangen oder doch einfach die Macht der Natur, dem einen liegt’s in den Genen, dem anderen nicht?
Tipps von erfahrenen Kolleginnen
Ich nehme mir vor, mich langsam voranzutasten und vorsichtig in die Networking-Gewässer einzutauchen. Deshalb habe ich mir Rat von meinen erfahreneren Kolleginnen geholt. Und siehe da, Michaela-Susan Pollok, ihres Zeichens Event-Managerin und Networking-Könnerin, sagt mir: „Ich war (und bin) eigentlich eine relativ schüchterne Person. Ich mag keine Behördengänge und meide sehr gerne Unbekanntes.“ Da ihre berufliche Laufbahn bei einer Konzertagentur begann und sie immer in Kontakt mit Gästen, Künstlern, Managern war, musste sie das sehr schnell abbauen. „Ich habe mir dann bewusst gemacht, dass Netzwerken keine Hexerei ist, sondern aus ganz alltäglichen Verhaltensweisen besteht, die prinzipiell jeder kann“, erklärt mir Michaela und ergänzt: „Daher habe ich angefangen, mich schrittweise mit meinem Mantra ‚Ich kann das‘ in neue Situationen zu begeben, und wenn ich diese gemeistert habe, den nächsten Schritt vorzunehmen.“
Foto: bvik
„Ich habe mir bewusst gemacht, dass Netzwerken keine Hexerei ist, sondern aus ganz alltäglichen Verhaltensweisen besteht, die prinzipiell jeder kann.“
Michaela Pollok, Leitung Eventmanagement & Social Media beim bvik
Nach einer Weile werde es leichter, da man Menschen kennt, die einem jemand vorstellen. Heute setzt Michaela bewusst auf das Warm-up zu Events und investiert Zeit über die Apps in die Teilnehmerliste, um zu sehen, wer da ist und um diese Personen vorab zu kontaktieren oder zumindest einen Plan zu haben, mit wem sie ins Gespräch kommen will. Für die Gesprächsführung rät sie, ein paar „Geschichten“ als Eisbrecher auf Lager zu haben. Diese müssen nicht nur beruflicher Natur sein, sondern dürfen auch sehr gerne einen persönlichen (aber nicht zu privaten) Touch haben. „Menschen unterhalten sich mit Menschen und nicht mit Unternehmen“, weiß meine Kollegin Michaela und verrät mir, dass ihr das beruflich leichter fällt als privat, da der Beruf für sie eine Art Schutzschild ist.
Und dann das: Selbst Tanja Auernhamer, unsere Pressesprecherin, ist nach eigener Aussage introvertiert. „Für eher introvertierte Menschen wie mich ist es eine Lebensaufgabe, die lockere Interaktion mit fremden Menschen zu lernen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Bewusstmachen der eigenen Rolle, in der man jeweils unterwegs ist, helfen kann, sich weniger unsicher und verloren zu fühlen. Die Rolle als Selbstschutz sozusagen.“ Sie sagt, man müsse aufhören, sich fortwährend mit den schlagfertigsten Menschen am Tisch zu vergleichen. Außerdem sei es für introvertierte Menschen deutlich kräftezehrender, sich in den Trubel einer Menschenmenge zu stürzen. „Das ist überhaupt nicht schlimm, man sollte nur ausreichend Zeit für die eigene Regeneration nach großen Events einplanen“, meint Tanja und hat einen kleinen Tipp zum Schluss: „Nutze die Chance, dich am Ende von Vorträgen mit einer intelligenten, unaufdringlichen Frage auf Basis deiner Expertise an die Referierenden zu melden. Das kann ein Door Opener sein für den Smalltalk in der nächsten Kaffeepause.“
Foto: bvik
„Melde dich am Ende von Vorträgen mit einer intelligenten, unaufdringlichen Frage auf Basis deiner Expertise an die Referierenden. Das kann ein Door Opener sein für den Smalltalk in der nächsten Kaffeepause.
Tanja Auernhamer, Leitung Verbandskommunikation & Pressesprecherin beim bvik
Das heißt, es ist an der Zeit, Teilnehmerlisten zu studieren und konkrete Zielpersonen zu erfassen! Auch über Icebreaker-Geschichten lohnt es sich Gedanken zu machen, die eine oder andere Anekdote habe ich sicherlich auch vorzuweisen. Bestimmt lassen sich auch – je nach Veranstaltung – passende Gesprächsthemen vorbereiten, dann wird es gleich interaktiver, wenn man dabei den richtigen Einstieg erwischt. Da unser eigener Veranstaltungskalender extrem voll ist, gibt es genug Chancen zum Üben.
Sollten alle Stricke reißen, gibt es vielleicht eine Box Conversation-Cards, eine unpassende Icebreaker-Frage für jeden, dann bin immerhin nicht nur noch ich etwas peinlich … Ich finde es aber wichtig, sich immer vor Augen zu führen, dass es in Ordnung ist, damit Probleme zu haben: Introversion ist eine natürliche Gegebenheit. Man kann lernen, besser damit umzugehen, aber es wird wohl nie wirklich leicht. Ich werde weiterhin froh sein, wenn ich auf Events beschäftigt bin, oder andere auf mich zukommen, ohne dass ich ein Gespräch anfangen muss. Zu wissen, dass es wohl nicht am Alter liegt, sondern Kolleg:innen jedes Alters und Erfahrungsgrads ähnliche Erfahrungen teilen, ist durchaus beruhigend für mich.
Kim Kugelmann
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Foto: bvik
Foto: bvik
Kolumne von Kim Kugelmann, Verbandsreferentin Contentmanagement und Young Professionals beim Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik)
Eventmanagement für Stubenhocker
Man lernt bei jedem Event etwas dazu, über sich und über die Veranstaltungsbranche. Zumindest ist das bei mir als Berufseinsteigerin noch so. Zuletzt ging es mir während der Hannover Messe so, der größten Industriemesse der Welt. Neben dem Besuch der imposanten Messe selbst durfte ich mit meiner Kollegin Michaela Pollok ein Vortragsevent organisieren. Mein bester Freund war in diesem Moment das Moderationspult mit Laptop, hinter dem ich mich gekonnt versteckt habe.
Der Titel mag etwas reißerisch sein, denn Stubenhockerin bin ich keine, aber in jedem Fall introvertiert. Bei einem Event übernehme ich gerne die Technik, den Empfang oder andere Tätigkeiten, wo ich eine klare Aufgabe habe. Brenzlig wird es, wenn alles läuft und ich Zeit habe, mich „unters Volk zu mischen“. Networking und Smalltalk sind meine Erzfeinde. Ich frage mich dann: Ist es jetzt an der Zeit, so zu tun, als würden wir uns alle brennend dafür interessieren, mit welchen Verkehrsmitteln andere angereist sind? Oder packen wir lieber direkt unseren Elevator Pitch aus?
Ich klammere mich in solchen Situationen am liebsten an meine Kolleg:innen, dann sehe ich beschäftigt aus und ein bisschen weniger verloren. Ist es peinlich, das zuzugeben? Mir schon ein wenig, denn ich arbeite im Marketing und Eventbereich, da sollte man mit Eventteilnehmenden wohl etwas besser umgehen können. Sicher bin ich nicht die Einzige, der es so geht, immerhin wird ein gutes Drittel der Bevölkerung als introvertiert eingeschätzt. Davon haben sich sicherlich auch einige in die Veranstaltungswelt verirrt – nur spricht kaum jemand öffentlich über diesen „Seelenspagat“.
Tag der Industriekommunikation 2023 (TIK)
Der Tag der Industriekommunikation 2023 (TIK) ist die jährliche Leuchtturm-Veranstaltung des Bundesverbands Industrie Kommunikation e.V. (bvik) für Marketing- und Kommunikationsexperten aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Unter dem Motto „Building Bridges into the B2B-Future“ betrachten am 22. Juni 2023 Speaker aus Industrie und Wissenschaft die Trends der B2B-Branche. Der TIK 2023 findet in Präsenz im Veranstaltungsforum Fürstenfeld statt.
Nachdem Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung ist, habe ich mir nach meiner Hannover-Erfahrung neue Ziele gesetzt und mich mit Kolleg:innen ausgetauscht.
Ich gerate meist in eine dieser beiden Situationen:
- Passive Partizipation: Man wird in ein „Gespräch“ verwickelt, wobei man eher eine passive Rolle einnimmt und von einem sehr motivierten Gegenüber totgeredet wird. Damit kann ich arbeiten, das nimmt mir den Stress, selbst ein Gespräch anzufangen oder gar wirklich zu interagieren.
- Verloren im Trubel: Hat man nicht das Glück, beansprucht zu werden, muss man selbst aktiv werden – oder eben auch nicht. Ich stehe dann gerne mal allein und etwas verloren im Raum und versuche, beschäftigt auszusehen. Im Idealfall sind ein paar Kolleg:innen mit dabei und ich muss nicht meine Komfortzone verlassen.
So viel zur aktuellen Bestandsaufnahme. Woher aber kommt das? Durch die Pandemie verlernt? Über die Generationen verloren gegangen oder doch einfach die Macht der Natur, dem einen liegt’s in den Genen, dem anderen nicht?
Verloren im Trubel: Hat man nicht das Glück, beansprucht zu werden, muss man selbst aktiv werden – oder eben auch nicht. Ich stehe dann gerne mal allein und etwas verloren im Raum und versuche, beschäftigt auszusehen. Im Idealfall sind ein paar Kolleg:innen mit dabei und ich muss nicht meine Komfortzone verlassen.
Tipps von erfahrenen Kolleginnen
Ich nehme mir vor, mich langsam voranzutasten und vorsichtig in die Networking-Gewässer einzutauchen. Deshalb habe ich mir Rat von meinen erfahreneren Kolleginnen geholt. Und siehe da, Michaela-Susan Pollok, ihres Zeichens Event-Managerin und Networking-Könnerin, sagt mir: „Ich war (und bin) eigentlich eine relativ schüchterne Person. Ich mag keine Behördengänge und meide sehr gerne Unbekanntes.“ Da ihre berufliche Laufbahn bei einer Konzertagentur begann und sie immer in Kontakt mit Gästen, Künstlern, Managern war, musste sie das sehr schnell abbauen. „Ich habe mir dann bewusst gemacht, dass Netzwerken keine Hexerei ist, sondern aus ganz alltäglichen Verhaltensweisen besteht, die prinzipiell jeder kann“, erklärt mir Michaela und ergänzt: „Daher habe ich angefangen, mich schrittweise mit meinem Mantra ‚Ich kann das‘ in neue Situationen zu begeben, und wenn ich diese gemeistert habe, den nächsten Schritt vorzunehmen.“
Foto: bvik
„Ich habe mir bewusst gemacht, dass Netzwerken keine Hexerei ist, sondern aus ganz alltäglichen Verhaltensweisen besteht, die prinzipiell jeder kann.“
Michaela Pollok
Nach einer Weile werde es leichter, da man Menschen kennt, die einem jemand vorstellen. Heute setzt Michaela bewusst auf das Warm-up zu Events und investiert Zeit über die Apps in die Teilnehmerliste, um zu sehen, wer da ist und um diese Personen vorab zu kontaktieren oder zumindest einen Plan zu haben, mit wem sie ins Gespräch kommen will. Für die Gesprächsführung rät sie, ein paar „Geschichten“ als Eisbrecher auf Lager zu haben. Diese müssen nicht nur beruflicher Natur sein, sondern dürfen auch sehr gerne einen persönlichen (aber nicht zu privaten) Touch haben. „Menschen unterhalten sich mit Menschen und nicht mit Unternehmen“, weiß meine Kollegin Michaela und verrät mir, dass ihr das beruflich leichter fällt als privat, da der Beruf für sie eine Art Schutzschild ist.
Und dann das: Selbst Tanja Auernhamer, unsere Pressesprecherin, ist nach eigener Aussage introvertiert. „Für eher introvertierte Menschen wie mich ist es eine Lebensaufgabe, die lockere Interaktion mit fremden Menschen zu lernen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Bewusstmachen der eigenen Rolle, in der man jeweils unterwegs ist, helfen kann, sich weniger unsicher und verloren zu fühlen. Die Rolle als Selbstschutz sozusagen.“ Sie sagt, man müsse aufhören, sich fortwährend mit den schlagfertigsten Menschen am Tisch zu vergleichen. Außerdem sei es für introvertierte Menschen deutlich kräftezehrender, sich in den Trubel einer Menschenmenge zu stürzen. „Das ist überhaupt nicht schlimm, man sollte nur ausreichend Zeit für die eigene Regeneration nach großen Events einplanen“, meint Tanja und hat einen kleinen Tipp zum Schluss: „Nutze die Chance, dich am Ende von Vorträgen mit einer intelligenten, unaufdringlichen Frage auf Basis deiner Expertise an die Referierenden zu melden. Das kann ein Door Opener sein für den Smalltalk in der nächsten Kaffeepause.“
Foto: bvik
„Melde dich am Ende von Vorträgen mit einer intelligenten, unaufdringlichen Frage auf Basis deiner Expertise an die Referierenden. Das kann ein Door Opener sein für den Smalltalk in der nächsten Kaffeepause.
Tanja Auernhamer
Das heißt, es ist an der Zeit, Teilnehmerlisten zu studieren und konkrete Zielpersonen zu erfassen! Auch über Icebreaker-Geschichten lohnt es sich Gedanken zu machen, die eine oder andere Anekdote habe ich sicherlich auch vorzuweisen. Bestimmt lassen sich auch – je nach Veranstaltung – passende Gesprächsthemen vorbereiten, dann wird es gleich interaktiver, wenn man dabei den richtigen Einstieg erwischt. Da unser eigener Veranstaltungskalender extrem voll ist, gibt es genug Chancen zum Üben.
Sollten alle Stricke reißen, gibt es vielleicht eine Box Conversation-Cards, eine unpassende Icebreaker-Frage für jeden, dann bin immerhin nicht nur noch ich etwas peinlich … Ich finde es aber wichtig, sich immer vor Augen zu führen, dass es in Ordnung ist, damit Probleme zu haben: Introversion ist eine natürliche Gegebenheit. Man kann lernen, besser damit umzugehen, aber es wird wohl nie wirklich leicht. Ich werde weiterhin froh sein, wenn ich auf Events beschäftigt bin, oder andere auf mich zukommen, ohne dass ich ein Gespräch anfangen muss. Zu wissen, dass es wohl nicht am Alter liegt, sondern Kolleg:innen jedes Alters und Erfahrungsgrads ähnliche Erfahrungen teilen, ist durchaus beruhigend für mich.
Kim Kugelmann