Nachhaltigkeitssiegel
Blauer Engel
Im Rahmen der Sustainable Event Conference (SECON) in Osnabrück haben das Umweltbundesamt, der EVVC – Europäische Veranstaltungs-Centren und der Klima- und Umwelt-Thinktank adelphi zum Branchengespräch über den Blauen Engel für Green Events geladen. Im Bild: Abendveranstaltung im DBU Zentrum für Umweltkommunikation. Foto: EVVC, GCB, Philip Gunkel
Im Rahmen der Sustainable Event Conference (SECON) in Osnabrück haben das Umweltbundesamt, der EVVC – Europäische Veranstaltungs-Centren und der Klima- und Umwelt-Thinktank adelphi zum Branchengespräch über den Blauen Engel für Green Events geladen. Im Bild: Abendveranstaltung im DBU Zentrum für Umweltkommunikation. Foto: EVVC, GCB, Philip Gunkel
Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden, die Europäische Union bis 2050. Erste Gesetze sind in Kraft getreten. Damit steigt der Druck auf Unternehmen und Verbände, ihre Events nachhaltig zu veranstalten. Gütesiegel wie EMAS, ISO 20121, Green Globe oder Green Sign sollen dabei unterstützen. Für 2024 ist der Blaue Engel für Green Events geplant. Das Interesse ist groß.
Die Wirtschaft steht vor einer umwälzenden Neuausrichtung. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden, die Europäische Union bis 2050. Die ersten Gesetze sind dieses Jahr in Kraft getreten wie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und das Lieferkettengesetz. „Der Veranstaltungssektor verfügt über ein enormes Potenzial, um die ehrgeizigen Klimaziele auf Bundes- und EU-Ebene umzusetzen“, erklärt Alexander Bonde. Der Generalsekretär der Deutschen Bundesumweltstiftung (DBU) ergänzt: „Vom Catering mit regionalen und saisonalen Produkten über energiesparende Livestreams bis hin zu papierlosen Kongressen und klimaschonenden Anreisen der Teilnehmenden bieten sich vielfältige Bereiche für mehr Umwelt- und Ressourcenschutz.“
Bonde weiß, dass in Deutschland im Jahr vor der Pandemie 423 Millionen Menschen zu 2,9 Millionen Veranstaltungen in 7.600 Venues kamen. Diese Zahlen von 2019 sollen laut Expertenmeinung 2024 wieder erreicht werden. Angesichts dieses Volumens hätte mehr Nachhaltigkeit von Veranstaltungen und Veranstaltungszentren für Markus Große-Ophoff eine enorme Strahlkraft. Der Leiter des DBU-Zentrums für Umweltkommunikation sitzt im Vorstand des EVVC – Europäischer Veranstaltungs-Centren, dessen 650 Mitgliedshäuser zumeist in kommunaler Hand liegen. Also jenen Akteuren, welche die auf Klimakonferenzen oder politischen Sitzungen beschlossenen Nachhaltigkeitsziele umsetzen müssen. In seinem 11-Punkte-Papier hat sich der EVVC zwei Ziele gesetzt: Bis 2040 sollen alle Mitgliedshäuser klimaneutral sein und bis 2030 klimaneutrale Veranstaltungen anbieten können.
Klimaneutralität versteht der EVVC als Zusammenspiel zwischen der Umsetzung konkreter Maßnahmen für die Emissionsverminderung und der Kompensation von unvermeidbaren Emissionen. „Dazu gehören nicht nur der Betrieb der Veranstaltungsstätten, sondern auch das Catering, welches teilweise von Drittanbietern angeboten wird, externe Zulieferer sowie die Anreise der Gäste“, informieren Markus Große Ophoff und Hannah Janke. Janke ist Referentin für Nachhaltigkeit im EVVC und fügt hinzu: „Für die konkrete Umsetzung in den Mitgliedshäusern sind insbesondere Investitionen in die energetische Sanierung notwendig.“
„Ein Blauer Engel für nachhaltige Veranstaltungen und die vom Dachverband EVVC angestrebte Klimaneutralität bis 2040 sind hervorragende Signale, um ein Umdenken zu bewirken.“
Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesumweltstiftung (DBU)
Blauer Engel für Green Events
Für das Angebot klimaneutraler Veranstaltungen setzt der Fachverband auf das Umweltzeichen der Bundesregierung: den „Blauen Engel“. Mit diesem hat der Träger, das Bundesumweltministerium, in über vier Jahrzehnten 20.000 Produkte und Dienstleistungen ausgezeichnet. Nun soll mit dem „Blauen Engel für Green Events“ ein Gütesiegel für nachhaltige Veranstaltungen geschaffen werden. Für den Blauen Engel spricht, so Dagmar Huth vom Umweltbundesamt, dass ihn in Deutschland 90 Prozent der Menschen kennen. Mehr noch: Der Blaue Engel beeinflusst von fast jedem vierten befragten Endverbraucher die Kaufentscheidung. Übersetzt für Business Events wären das die Teilnehmer, die ihrerseits mehr und mehr auf die Umweltverträglichkeit von Veranstaltungen achten.
Der Blaue Engel
Der Blaue Engel ist ein Umweltzeichen, das von der deutschen Bundesregierung seit 1978 für umweltschonende Produkte und Dienstleistungen vergeben wird. Die Kennzeichnung erfolgt nach den Grundsätzen der Normenreihe DIN EN ISO 14020 für produktbezogene Umweltkennzeichnung. Durch den Blauen Engel ergibt sich eine Vielzahl von Dimensionen für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch soziale Kriterien; also neben Management und Kommunikation auch Energie, Wasser, Abfallmanagement und Arbeitsschutz.
Zur Entwicklung der Kriterien für den Blauen Engel für Green Events hat das Umweltbundesamt den Austausch mit der Veranstaltungswirtschaft gesucht und gemeinsam mit dem EVVC und dem europäischen Klima- und Umwelt-Think Tank adelphi zum Branchengespräch im Rahmen der Sustainable Event Conference (SECON) in Osnabrück geladen. Im Auftrag des Umweltamtes soll adelphi das Label plus Kriterienkatalog entwickeln. Noch steht Projektleiter Jan Christian Polania Giese am Anfang und stellt den 40 Teilnehmern beim ersten Gespräch im Februar existierende Umweltzeichen vor – und insbesondere das österreichische Umweltzeichen UZ 62 Green Meetings und Green Events. Im Laufe des Jahres sollen weitere Diskussionen zum ersten und zweiten öffentlichen Entwurf der Kriterien folgen, bevor die finale Fassung an die Jury Umweltzeichen geht. Die Veröffentlichung ist für 2024 geplant. Ab dann kann der Blaue Engel im Vorfeld einer Veranstaltung beantragt und zur Planung genutzt werden.
Die Entwicklung des Blauen Engels für Green Events und Teilnahmemöglichkeiten für die Veranstaltungsbranche
Überblick
•Sichtung zentraler Studien
•Betrachtung existierender Umweltzeichen, insbesondere UZ62 in Österreich
1. Entwurf
•Diskussion des 1. öffentlichen Kriterienentwurfs
•Input durch die Veranstaltungsbranche
2. Entwurf
•Entwicklung des 2. öffentlichen Kriterienentwurfs
•Input durch die Veranstaltungsbranche
Einreichung
•Einreichung des finalen Kriterienentwurfs bei der Jury Umweltzeichen
•Angestrebter Zeitpunkt: Ende 2023
Quelle: adelphi
Fragen der Fachleute
Die anwesenden Eventprofessionals haben viele Fragen, etwa zur Beantragung: Wenn der Blaue Engel vor der Veranstaltung beantragt und während der Veranstaltung kontrolliert wird, weiß man im Vorverkauf nicht, ob man mit Blauen Engel zertifiziert wird oder nicht. Welche Konsequenzen hat es, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden? Zu den Kosten: Wie hoch sind die Kosten für den Lizenznehmer? Zur Kontrolle: Gibt es genug Kapazitäten, um alle Veranstaltungen zu prüfen? Wie steht es um das Reporting, wie wird Greenwashing verhindert? Zur Internationalität: Die Veranstaltungswirtschaft ist international – wie verständlich ist das Label im Ausland?
„Es besteht ein großes Interesse“
Jan Christian Polanía Giese ist Senior Manager beim Klima- und Umwelt-Thinktank adelphi und Projektleiter für den Blauen Engel für Green Events über das neue Umweltzeichen.
Foto: adelphi
Und überhaupt: Braucht die Veranstaltungswirtschaft ein weiteres Siegel? Der EVVC meint ja und verfolgt seit acht Jahren die Idee. „Der Blaue Engel für Green Events schließt die bestehende Lücke zwischen einer nachhaltigen Veranstaltungsstätte und einem tatsächlich nachhaltigen Ablauf von Events“, erklärt Nachhaltigkeitsreferentin Janke. Sie ergänzt: „Durch den Blauen Engel soll somit der gesamte Lebensweg von Produkten und Dienstleistungen, die in der Veranstaltungswirtschaft vereint sind, abgedeckt werden.“ Aufgrund der umfänglichen Betrachtung der Dienstleistungskette soll der Blaue Engel erheblich zur Verbesserung der Umweltbilanz in Bereichen wie Mobilität, Catering, Energieverbrauch, Produktnutzung und auch soziale Nachhaltigkeit beitragen. Janke: „Mit dem Blauen Engel soll ein anspruchsvolles Label entwickelt werden, welches die besten Nachhaltigkeitsleistungen der Branche angemessen hervorhebt. Der Blaue Engel ist dabei ein Angebot an die Branche. Er eignet sich aufgrund seiner Bekanntheit insbesondere zur Kommunikation an Bürgerinnen und Bürger.“
Andere Umweltzeichen
Der Blaue Engel für Green Events soll analog zum österreichischen Umweltzeichen UZ 62 für Green Meetings und Events Veranstaltungen auszeichnen, die verantwortungsvoll mit der Umwelt umgehen. Basis dafür soll der österreichische Kriterienkatalog sein. Die Richtlinie enthält Kriterien für die Lizenznehmer und Veranstalter, jede Veranstaltung wird in einer Online-Datenbank zertifiziert. Dass der Blaue Engel ein deutsches Label ist und der EVVC ein europäischer Verband, ist für Janke kein Widerspruch. Wichtig sei, dass das Label von den Verbrauchern gleich verstanden werde. Der Blaue Engel sei hier besonders gut geeignet. Da er sich am österreichischen Umweltzeichen anlehnen wird, werden in beiden Ländern ähnliche Standards gelten. Janke: „Unser Ziel ist es, die Unterschiede möglichst gering zu halten. Es ist aber sinnvoll, unterschiedliche Gesetze und regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Es ist bewusst angedacht, den Blauen Engel mittelfristig auch zum EU-Umweltzeichen weiterzuentwickeln. Dieser Schritt dürfte vergleichsweise einfach umzusetzen sein, da all diese Zeichen besonders vertrauenswürdige staatliche Umweltzeichen sind, die nicht im Verdacht des Green Washings stehen.“
Foto: EVVC
"Ziel ist es, ein Label zu haben, das von den Verbrauchern auch gleich verstanden wird. Der Blaue Engel ist hier besonders gut geeignet."
Hannah Janke, Referentin für Nachhaltigkeit im EVVC
Zwecks Aufklärung hat das Umweltbundesamt einen Labelratgeber für nachhaltigen Konsum veröffentlicht und unterscheidet fünf Siegel: EU-Energielabel, Bio-Siegel, EU-Ecolabel, Blauer Engel und Grüner Knopf. Was hinter diesen Siegeln steht, zeigen Siegeldatenbanken wie Siegelklarheit.de oder Label-online.de, allerdings fehlen hier die Label für Veranstaltungen.
Grob gesagt gibt es drei Kategorien: Umweltzeichen, Umweltmanagementsysteme und lose Label. Der seit 1978 existierende Blaue Engel ist ein Typ-1-Umweltzeichen. Seit 2010 gibt es das Eco Management and Audit Scheme (EMAS) und seit 2012 die ISO 20121 für Nachhaltiges Eventmanagement. EMAS ist ein Umwelt-Managementsystem, ISO 20121 ein internationaler Standard. Beide Systeme sind umfassend, ihre Träger sind die Europäische Union und die ISO International Organization for Standardization. Ebenfalls in 2012 hat sich die deutschsprachige Veranstaltungswirtschaft den Nachhaltigkeitskodex fairplichtet gegeben. Da es auf einer Selbsterklärung basiert, ist es ein loses Label. Die Träger sind EVVC und GCB.
Green Globe ist ein internationales Zeichen zur Zertifizierung für nachhaltigen Betrieb und nachhaltiges Management im Reise- und Tourismusbereich. Zertifiziert werden seit 30 Jahren Hotels, Resorts, Konferenzzentren und Attraktionen. Beispiele in Deutschland sind das Hannover Congress Centrum, das Mövenpick Hamburg, die Musik- und Kongresshalle Lübeck oder die Volkswagen Halle Braunschweig, in Österreich das Congress Centrum Alpbach, Hotel Kaiserhof Wien und das Retter Hotel Pöllauberg in der Steiermark.
Die Zertifizierung Green Sign umfasst fünf Levels und die Betriebe können ihre Nachhaltigkeitsleistung laufend verbessern. Kernbereiche sind beispielsweise Management und Kommunikation, Umwelt (Energie, Wasser, Abfall), Einkauf, Regionalität und Mobilität, Qualitätsmanagement und nachhaltige Entwicklung, soziale Verantwortung. Green Sign Hotels mit dem höchsten Level 5 sind in Deutschland u.a. das EcoInn Hotel am Campus in Esslingen am Neckar und das Waldhotel Stuttgart und das Naturresort Schindelbruch im Südharz.
Der Tourismus Label Guide
Der Tourismus Label Guide betrachtet die Siegel nach ihrer sozialen und ökologischen Kompetenz und Glaubwürdigkeit, darunter sind:
Kritische Stimmen
Den Überblick über die Nachhaltigkeitszertifikate hat Jürgen May. Deren Vielfalt und Vermehrung sieht er wie andere Nachhaltigkeitsexperten zunehmend kritisch. „Für Veranstaltungsplaner:innen wird es immer schwieriger, diesen ‚Dschungel‘ an Siegeln zu durchblicken.“ Seine CSR-Beratungsagentur 2bdifferent gründete May 2012 – lange bevor Deutschland und die Europäische Union ihre Klimaziele festgelegt haben. Seither beraten er und seine mittlerweile sechs Partner zu nachhaltigem Eventmanagement. Die Kunden kommen überwiegend aus der Welt der Unternehmen wie die Porsche AG, aber auch des Films wie beim Deutschen Filmpreis.
Bei neuen Umweltzeichen wie dem Blauen Engel für Green Events will May wissen: „Ist mit der Kundschaft gesprochen worden – also den Auftraggeber:innen? Wie viele Vertreter:innen aus Unternehmen, welche für Kongresse, Tagungen etc. die Veranstaltungshäuser buchen, waren vor Ort in Osnabrück?“ Der Agenturinhaber weiß, dass Unternehmen verstärkt mit Managementsystemen wie ISO und EMAS arbeiten und mit Key Performance Indicators (KPIs). Diese Kennzahlen sind die Treiber, das Arbeiten mit ihnen und entsprechenden Managementsystemen ist gelebter Alltag.
„Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen muss sich auf ihren Events wiederfinden, um glaubwürdig zu sein“, weiß May und macht sich so seine Gedanken. Unternehmen gingen bei der Planung von Veranstaltungen verstärkt den Weg der Nachhaltigkeit und weg von Begrifflichkeiten wie „Green“ und „klimaneutral“. Alle drei Säulen der Nachhaltigkeit müssten abgedeckt sein. Die Nachhaltigkeit und die Sorgfaltspflicht in den Lieferketten stünden dabei ganz weit oben. Ob die Eventmanager zu EMAS und ISO folglich noch einen Blauen Engel für Green Events brauchen?