Interview Jan Gerrit Ebener
„Nachhaltigkeit ist Thema auf nahezu jeder unserer Messen“
Jan Gerrit Ebener: „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unseren Messen dazu beitragen können, nachhaltige Technologien und Angebote weltweit zu verbreiten.“ Foto: NürnbergMesse
Jan Gerrit Ebener: Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unseren Messen dazu beitragen können, nachhaltige Technologien und Angebote weltweit zu verbreiten. Foto: NürnbergMesse
Jan Gerrit Ebener ist Bereichsleiter Gastveranstaltungen und Kongresse und Mitglied der Geschäftsleitung der NürnbergMesse. Im Interview spricht er über das neue Hybridkraftwerk und die Wasserstoff-Chancen-Region Nürnberg, über das Geschäftsmodell Live-Event, die 17 Nachhaltigkeitsziele und ein Geschenk.
tw tagungswirtschaft: Die NürnbergMesse will sich bis 2028 klimaneutral mit Energie versorgen. Wie wollen Sie das schaffen?
Jan Gerrit Ebener: Wir haben uns bereits vor Jahren dem Thema angenommen und haben somit zum Glück etwas Vorlauf. Bereits 2015 haben wir eine „Energieoffensive“ mit dem Ziel gestartet, den Energieverbrauch des Unternehmens und der Veranstaltungen im Messezentrum zu reduzieren. Beispielsweise wurde damit begonnen, die komplette Geländebeleuchtung – unter anderem rund 18 Kilometer Leuchtstoffröhre – auf energiesparende LED-Leuchten umzustellen. Gleiches gilt für alle Neubauten. So wurden die neuen Hallen 3A und 3C nachhaltig errichtet und mit dem DNGB-Zertifikat „Platin“ ausgezeichnet. Eine zentrale Rolle beim Ziel der klimaneutralen Energieversorgung spielt das geplante Hybridkraftwerk im Messegelände. In der ersten Bauphase wurden dafür im März die ersten von insgesamt 21.000 Solarmodulen auf 75.000 Quadratmetern Dachfläche des Messezentrums installiert. Mit einem 7,7-Megawattstunden-Batteriespeicher kann die NürnbergMesse möglichst viel von diesem eigenproduzierten Solarstrom selbst nutzen und so Lastspitzen beim Strombezug aus dem Netz reduzieren.
Der Bau für Ihr Hybridkraftwerk hat im Frühjahr begonnen. Ihr CEO Prof. Roland Fleck bezeichnet das Hybridkraftwerk als ein Real-Labor der Energiewende. Was steckt dahinter?
Geplant ist, die Solaranlage zu einem Hybridkraftwerk mit einem Wasserstoffspeicher auszubauen. Diese würde den Autarkiegrad auf über 75 Prozent erhöhen und die NürnbergMesse noch unabhängiger mit nachhaltig erzeugtem Strom versorgen. Herzstück der Anlage ist der sogenannte „Digitale Zwilling“. Das Tool hat bei der Planung des Hybridkraftwerks die optimale Dimensionierung der Anlagekomponenten für das Messegelände errechnet. Beim Betrieb wird es der Anlage ein intelligentes Last-Management bereitstellen.
Baubeginn und Modullegung für das NürnbergMesse Hybridkraftwerk am 24. März 2023. V.l.n.r.: Peter Ottmann, Geschäftsführer der NürnbergMesse, Albert Füracker, Bayerischer Staatsminister für Finanzen und Heimat, Dr. Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident, Marcus König, Nürnbergs Oberbürgermeister, und Prof. Dr. Roland Fleck, Geschäftsführer der NürnbergMesse. Foto: NürnbergMesse, Ralf Roedel
Zur Modullegung des Hybridkraftwerks kamen der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der Bayerische Staatsminister für Finanzen und Heimat Albert Füracker und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König. Letzterer sagte: „Dem Klimawandel begegnen wir am besten durch Entwicklung und Innovation – das ist meine feste Überzeugung!“ Stimmen Sie ihm zu?
Wie sollte ich ihm widersprechen. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unseren Messen dazu beitragen können, nachhaltige Technologien und Angebote weltweit zu verbreiten. Darüber hinaus räumen wir dem Thema Nachhaltigkeit auf vielen unserer Messen einen besonderen Stellenwert ein, wie z.B. auf der GaLaBau, wo es unter anderem um die grüne Gestaltung von urbanem Raum geht, oder auf der FachPack, wo das Thema umweltgerechtes Verpacken im Mittelpunkt steht.
Nürnberg versteht sich als Wasserstoff-Chancen-Region. Wie sieht diese aus?
Mit der Gründung des Zentrums Wasserstoff.Bayern (H2.B) in Nürnberg und des Wasserstoffbündnisses Bayern hat die Bayerische Staatsregierung einen starken Impuls für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Bayern und insbesondere in der Metropolregion Nürnberg gesetzt. Das H2.B, an dem sich auch die NürnbergMesse beteiligt, bildet die Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Als NürnbergMesse organisieren wir das passende Event zu dem Thema, den Hydrogen Dialogue. Dieser bildet mit über 700 Expertinnen und Experten die wichtige Plattform für die Wasserstoff-Community.
Hydrogen Dialogue – Summit & Expo:
Der Hydrogen Dialogue ist eine Kongressmesse für die nationale und internationale Wasserstoffwirtschaft und findet am 6. und 7. Dezember zum vierten Mal im Messezentrum Nürnberg statt. Der Summit (Konferenzbereich) umfasst Vorträge, Podiumsdiskussionen und Keynotes zu einer erfolgreichen Wasserstoffwirtschaft, die Expo (Messehalle) bietet mit Firmen- und Projektpräsentationen renommierter Unternehmen und Forschungseinrichtungen Raum für Innovationen, Technologien und Start-ups.
Messen und Kongresse bilden Märkte ab und bearbeiten Themen, die die Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bewegen. Welche Themen und Formate sind derzeit stark nachgefragt? Messen und Kongresse sind dann erfolgreich, wenn sie bestmöglich auf ihre jeweiligen Branchen zugeschnitten sind. Das trifft nach der Pandemie noch mehr zu, wie davor. Für uns entwickeln sich BioFach, it-sa und auch die embedded world sehr gut. Nachhaltigkeit ist Thema auf nahezu jeder unserer Messen.
Welche drei Themen und Herausforderungen beschäftigen Sie aktuell?
Glücklicherweise nicht mehr die Corona-Pandemie! Die gute Beteiligung an unseren Messen und Kongressen in den vergangenen Monaten zeigt: Das Geschäftsmodell „Live-Event“ lebt! Klar ist auch, dass eine digitale Komponente, besonders bei Messen, bleiben wird. Bereits während der Pandemie haben wir unsere Zukunftsformel entwickelt: onsite plus online. Wir sind davon überzeugt, dass sich Menschen weiterhin auf Präsenzmessen treffen und austauschen. Wie wir diese Events zusätzlich mit digitalen Angeboten und Services für unsere Kunden bereichern, beschäftigt uns aktuell. Eine weitere Herausforderung und Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit unseres Geschäftsmodells ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir entwickeln Konzepte, die unsere Messen als Plattformen für nachhaltige Technologien weiter stärken, mit denen wir unsere Veranstaltungen noch nachhaltiger durchführen können und die unser Unternehmen selbst nachhaltiger machen.
Über die NürnbergMesse Group
Die NürnbergMesse Group ist eine der 15 größten Messegesellschaften der Welt. Sie besteht aus der NürnbergMesse GmbH sowie deren 15 Tochtergesellschaften und Beteiligungen.
Um ihre Veranstaltungen nachhaltiger durchzuführen, orientiert sich die NürnbergMesse an den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Die Nachhaltigkeitsziele sind ursprünglich für Staaten formuliert worden. Wie lassen sie sich auf Messen und Kongresse übertragen?
Die nachhaltige Durchführung von Messen ist für uns eine von drei Perspektiven auf das Thema Nachhaltigkeit. In diesem Feld sehen wir einen großen Hebel, wie wir als Messegesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können. Darüber hinaus umfassen die 17 SDGs auch soziale Faktoren wie Gleichberechtigung und einen entsprechenden Verhaltenskodex, eine gute Aus- und Weiterbildung sowie die Schaffung von nachhaltigen Arbeitsplätzen. Auch diesen Themen räumen wir aktuell Zeit und Ressourcen ein.
Gleichberechtigung ist im SDG 5 mit Gender Equality verankert. In der Geschäftsführung der NürnbergMesse sitzen Peter Ottmann und Prof. Dr. Roland Fleck, im Aufsichtsrat 15 Männer und drei Frauen. Wie kommt das?
Wie Sie wissen, wird die NürnbergMesse seit 2011 von der Doppelspitze aus Prof. Roland Fleck und Peter Ottmann geführt. Ab August wird Peter Ottmann die Geschäfte allein weiterführen. Kontinuität spielt gerade in den Führungspositionen eine wichtige Rolle. Dennoch unterstützt die Gesellschafterversammlung im Falle einer Neubesetzung eine umfassende Berücksichtigung von Frauen. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, hat die NürnbergMesse bereits 2016 das Mentoringprogramm „Jump“ zur Förderung des weiblichen Führungsnachwuchses gestartet und führt es bis heute jährlich erfolgreich durch.
Jan Gerrit Ebener und sein Team Acquisition & Marketing bei der NürnbergMesse und der Messeteil von NürnbergConvention. V.l.n.r.: Alexandra Költsch, Viola Albrecht, Anke Scholz und Marisa Meschkat. Foto: NürnbergMesse
Wie im letzten Jahr unterstützen Sie erneut die Konferenz She Means Business 2023 während der Fachmesse IMEX in Frankfurt. Wieso tun Sie das?
Weil es uns wichtig ist. Wir werden die Pink Hour sponsern, nachdem wir uns im letzten Jahr in der Konferenz eingebracht hatten. Wir wollen in diesem Jahr ganz bewusst den Netzwerkgedanken unterstützen und laden alle Netzwerkerinnen der MICE-Branche für den 23. Mai um 16.00 Uhr an den Stand der tw tagungswirtschaft ein (G110 in Halle 8). Neben meinen Kolleginnen aus dem NürnbergConvention Team wird auch unsere Personalchefin Isabel Küchle vor Ort sein und kann aus erster Hand über die Ideen und Programme der NürnbergMesse berichten.
Zur Fachmesse IMEX gibt es vom 23. bis 25. Mai etwas zu feiern: Die Kongressinitiative Nürnberg wird 20 Jahre alt. Wie wichtig sind Kongresse für Nürnberg und die NürnbergMesse?
Unsere Kongressinitiative, die durch den Wirtschaftsreferenten der Stadt Nürnberg ins Leben gerufen wurde, hat den Fokus, die veranstaltungsrelevanten Player in der Destination zu vernetzen und so quasi in die Destination hineinzuwirken. Das klappt wirklich hervorragend und war ein Segen für uns während der Pandemie. Das sind die von uns viel gelobten „kurzen Wege“ in der Destination. Rund 70 Prozent aller Übernachtungen in Nürnberg sind durch Messen, Kongresse und Tagungen motiviert. Sie stehen für rund 1,43 Mrd. Euro direkte Ausgaben und rund 15.600 Arbeitsplätze hängen direkt an Messen und Kongressen. Das zeigt sehr deutlich die Bedeutung als einer von vielen wichtigen Wirtschaftsmotoren in unserer Destination.
Zum Jubiläum dürfen Sie sich eine Veranstaltung wünschen. Wie sieht diese aus?
Das ist eine tolle Idee! Also, ich hätte gerne eine Veranstaltung mit einem besonderen Format, die überall in der Stadt stattfindet, viele Menschen aus unterschiedlichen Kultur-, Lebens- und Arbeitsbereichen zusammenbringt und wo Themen der Zukunft und der Gegenwart intensiv und stellenweise kontrovers diskutiert werden können. Raus kommt z.B. der Deutsche Evangelische Kirchentag, der im Juni in Nürnberg stattfindet – Sie sehen, wir haben selbst schon für ein Geschenk gesorgt.