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„Lasst uns das nutzen“

Die Networking-Halle eines virtuellen Events. Seit Corona ein vertrauter Anblick für Veranstaltungsbesucher. Auch in Zukunft? Animation: Meetyoo

Die Networking-Halle eines virtuellen Events. Seit Corona ein vertrauter Anblick für Veranstaltungsbesucher. Auch in Zukunft? Animation: Meetyoo

Die Pandemie hat zu einem unheimlichen Run auf Technik-Anbieter geführt. Doch jetzt sind Präsenzveranstaltungen wieder möglich. Wie geht es in diesem Wiederaufschwung den Plattformanbietern? Was wollen deren Kunden? Und ist das überhaupt klar?

Thorben Grosser blickt mit gemischten Gefühlen auf die derzeitige Rückkehr der Präsenzveranstaltungen. Nicht, dass der VP of Product Marketing and Events beim Eventtechnologie-Anbieter Eventmobi diese Rückkehr weniger zurückgesehnt hätte als irgendjemand anders aus der pandemiegebeutelten Branche. Wer Grosser kennt, muss ob dieser Vorstellung wahrscheinlich schmunzeln, setzt er sich doch seit Jahren für mehr Qualität von Live-Events ein und steht fast sinnbildlich für persönliche Begegnung. Doch wer ihn kennt, weiß auch, dass es sich bei Grosser um einen feinsinnigen Beobachter der Branche handelt, dessen folgende Feststellung Veranstaltern und Veranstaltungsplanern ein ernüchterndes Zeugnis ausstellt: „Vieles, was wir bei digitalen Veranstaltungen gelernt haben, wird in Präsenz aktuell nicht mitgenommen“, sagt er. „Wir sehen, dass viele Veranstalter reflexartig ,so wie früher‘ weitermachen, das heißt Präsenzveranstaltungen ohne Ende. Da ist, und das finde ich etwas bedrückend, häufig nicht so viel zu sehen von einem Erfahrungstransfer“, stellt er fest.

Anbieter von virtuellen Lösungen von Events haben es derzeit doppelt schwer. Zum einen der nachvollziehbare starke Drang von Veranstaltern, reine Live-Events zu veranstalten, zum anderen viel mehr Anbieterkonkurrent als vor der Pandemie. Das macht sich bemerkbar: „Das digitale Veranstaltungsgeschäft ist spektakulär weggebrochen. Das ist klar und deutlich sichtbar, und das auch in der ganzen Branche“, sagt Grosser, fügt aber hinzu: „Für uns ist das wirtschaftlich nicht so dramatisch, weil wir ja aus dem Live-Bereich kommen. Ungefähr 20 % unserer Events sind weiterhin online, ca. 10 % hybrid, und der Rest in reiner Präsenz.

Es gilt also, flexibel zu sein in dieser Zeit. So wie Stephanie Hellstedt und das Team ihrer Agentur und DMC (Destination Management Company) Albamy. „Als die Pandemie ausbrach, ist unser Geschäft zu 100% eingebrochen. Wir haben uns in der Pandemie dann umgestellt auf digitale und hybride Events, indem wir eine Partnerschaft mit dem schwedischen Unternehmen Invite People eingegangen sind, die eine Plattform für digitale, hybride und Präsenzveranstaltungen entwickelt hat“, sagt die heutige Geschäftsführerin von Invite People. Seit Januar 2022 gehört Albamy nun zu Invite People. Hellstedt sieht eine unglaubliche Dynamik im Markt: „Zwar haben viele Kunden jetzt in den Sommermonaten auf Präsenzveranstaltungen umgestellt, die wir auch mit Invite People wunderbar unterstützen können, aber die Anfragen ab Herbst sind meistens für rein digitale Veranstaltungen.“ In diesem dynamischen Umfeld ist es aus Sicht der Technik- und Plattformanbieter wie Eventmobi oder Invite People wichtig, dass die Zielsetzung der Kunden genau formuliert wird, doch gerade jetzt kehrt das alte Problem von Veranstaltern zurück, dass eigentlich gar nicht klar ist, was mit einem Event – oder seinem hybriden Pendant – erreicht werden soll. „Das alte Problem der Sinnesfrage vieler Veranstaltungen besteht“, findet Grosser.

Digitale Events sind Teil der Lösung – laut Klimaexpertin Marie Gustafsson, Principal Consultant bei South Pole

Schaut man sich die Veranstaltungsbranche an, waren die digitalen Lösungen während der Pandemie enorm wichtig – wobei die Entwicklung aus ökologischer Sicht eine ebenso wichtige Rolle spielt. Doch wie wichtig ist die Übertragung unserer Events auf digitale Plattformen und warum?

Ein einheitliches Verständnis

Ob es daran liegt, dass viele Veranstalter digitale Events nicht wirklich verstehen? Das zumindest erlebt Tony Kula, der in diesem Bereich einen regelrechten Buzz erlebt. „Aber leider fehlt noch ein einheitliches Verständnis“, sagt der Managing Director der Plattform Meetyoo. „Viele Event-Management-Anbieter, die sich während der Corona-Pandemie als Virtual-Event-Anbieter positioniert haben, bieten simple Streaming-Lösungen. Dies jedoch oft mit sehr geringem Service – der Mehrwert für virtuelle Besucher geht dadurch oftmals gegen null.“ Alles in allem könne man zwar sagen, dass das grundlegende Verständnis von virtuellen Events zugenommen habe. Dennoch hätten viele Kunden während der Pandemie schlechte Erfahrungen mit schnellen und vermeintlich einfachen Lösungen gemacht. „Aus Gesprächen mit Bestandskunden haben wir mehrmals die Rückmeldung bekommen, dass virtuelle Events auch mitunter deshalb nicht funktioniert haben. Man kann also irgendwie sagen, die Pandemie hat den virtuellen Event-Markt bedauerlicherweise etwas verbrannt.“

Wer bis jetzt aufmerksam gelesen hat, dem dürfte eine einfache Lösung einfallen: Hybrid-Events. Doch scheint diese Lösung nicht so einfach zu sein. „Ich glaube nicht zwingend an das Konzept Hybrid. Es ist weder Fisch noch Fleisch. Wir glauben an die Zukunft von virtuellen Events, die gleiche Mehrwerte bieten können wie Vor-Ort-Veranstaltungen“, sagt Kula und spricht einen Punkt an, der eindeutig für rein virtuelle Events spricht: „Die Eventbranche ist verantwortlich für 10 % der globalen CO2-Emissionen. Das entspricht dem jährlichen Ausstoß der USA. Die Umstellung von einer Vor-Ort-Veranstaltung auf ein virtuelles Setup reduziert den CO2-Fußabdruck um 94 %, da Emissionen von Anreise, Hotels, Catering, Event-Location entfallen“, erläutert er.

Diesen Vorteil sieht auch Grosser, stellt aber nicht fest, dass der Klimawandel ein klarer Technik- und Online-Event-Treiber wäre, wie es die Pandemie war. „Das zeigt sich auch in diesem heftigen Wiederaufschwung, den wir gerade sehen. Veranstalter sehen sich zu häufig immer noch als Gastgeber und nicht Partner ihrer Teilnehmer“, befindet Grosser. „Und das führt dann dazu, dass sich zu selten getraut wird, Dinge zu tun, die vielleicht ungewohnt sind, aber wirklich etwas bringen: auf Fleisch und tierische Produkte im Catering zu verzichten, auf Give-aways zu verzichten oder radikal auf ferne Anreisen zu verzichten bzw. Veranstaltungen nicht in Präsenz stattfinden zu lassen. Stattdessen gibt’s halt Pappbecher und Besteck aus Bambus.“

Ziele richtig festlegen – Tipps von Cvent

Es ist für Planer nicht einfach, immer ein konkretes Eventziel zu formulieren, um Anbieter wie Cvent richtig für ein Event zu briefen. Um das richtige Konzept zu erstellen und ein klares Ziel formulieren zu können, hat Cvent aber ein paar Tipps parat.

Für Hellstedt ist der Klimawandel durchaus ein Treiber. Sie fordert von Veranstaltungsplanern mehr Mut und Neugierde, um digitale Tools auszuprobieren. „Die Digitalisierung von Veranstaltungen hat erst begonnen und Veranstalter sollten lieber früher auf den Zug aufsteigen als später.“ Der größte Fehler wäre es, zu denken, dass die Digitalisierung der Veranstaltungsbranche nur vorübergehend ist. Das sieht auch Grosser so. „Was am wichtigsten ist, ist ein deutlicher Wille zu Digitalisierung, das heißt, dass der Veranstalter gewillt ist, auf alte Muster zu verzichten und konsequent Datenverwaltung digital zu gestalten. Der andere Teil ist, Zuversicht in seine Teilnehmer:innen zu haben“, erklärt er. Das Argument gegen virtuelle Events sei lange gewesen, dass Teilnehmer ja nicht technisch genug versiert seien. „Das ist nun vorbei. Wir haben gesehen, dass die meisten es können. Lasst uns das nutzen.“

Christian Funk

„Hybrid ist immer der Gewinner“

Thorben Grosser, VP of Product Marketing and Events bei Eventmobi

„Wie verbindet man Digital und Präsenz?“

Stephanie Hellstedt, Geschäftsführerin von Invite People

„Hybrid ist weder Fisch noch Fleisch“

Tony Kula, Managing Director der Plattform Meetyoo

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