Foto: HTW Berlin

Editorial

Kerstin Wünsch

Chefredakteurin tw tagungswirtschaft kerstin.wuensch@dfv.de

Koste es, was es wolle

Angesichts der hohen Inflation geht Bundeskanzler Olaf Scholz von einer längeren Krise aus. Um die Folgen für die Bürger:innen abmildern, sucht die Bundesregierung in ihrer konzertierten Aktion gemeinsam mit Vertreter:innen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite nach Lösungen. „Wir stehen vor einer historischen Herausforderung“, sagt Scholz nach den Gesprächen im Kanzleramt. In Zahlen heißt das: Im Vergleich zum Juni 2021 ist im Juni 2022 der Verbraucherpreisindex um 7,6 % gestiegen. Diesen treiben seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Preise für Energie mit +38,0 % und Lebensmittel mit +12,7 % an.

Die Preisentwicklungen im Allgemeinen und die Situation in der Veranstaltungsindustrie im Besonderen sind belastend. Wie sehr, zeigt die aktuelle Metastudie „Kosten-Entwicklung Event/Messe 2022“. Ihr zufolge haben sich Veranstaltungen in Präsenz im Jahr 2022 im Vergleich zu 2019 im Durchschnitt um 45 % verteuert. „Unsere gemeinsame Studie mit dem R.I.F.E.L legt dar, dass die Branche überproportional stark von den allgemeinen Teuerungen betroffen ist“, kommentiert die Ergebnisse Alexander Ostermaier, Geschäftsführer der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Gründe sind die Personalnot und damit höhere Personalkosten ebenso wie die erhöhte Nachfrage nach Events IRL (in real life), die auf eine reduzierte Anzahl von Anbietern trifft und einen verkürzten Zeitraum – von zwölf Kalendermonaten auf sechs bis neun.

„Unsere gemeinsame Studie mit dem R.I.F.E.L legt dar, dass die Branche überproportional stark von den allgemeinen Teuerungen betroffen ist.“

Alexander Ostermaier, Geschäftsführer der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft

Colja Dams zieht hier einen guten Vergleich zum Reifenwechsel. „Von Oktober bis Ostern kommen die Winterreifen drauf. Von Ostern bis Oktober die Sommerreifen. Analog wird Ostern bis Oktober zum Live Event-Zeitraum und Oktober bis Ostern zur Digital- und Hybrid-Event-Jahreszeit“, so der CEO von Vok Dams. Wie andere Agenturköpfe rechnet er mit steigenden Preisen und rät Veranstalter:innen, jetzt schon für die Jahre 2023, 2024 und 2025 zu planen.

In diesem Jahr haben wir im Mai und Juni eine Hochsaison an Kongressen und Messen erlebt. Der Nachholbedarf und das Bedürfnis, sich wiederzusehen, sind so groß gewesen, dass deren Befriedigung vielen als Erfolgsmessung gereicht hat, nur das reicht allenfalls in diesem Ausnahmejahr. Es reicht nicht, wenn wir uns gegenseitig versichern, dass es nichts Besseres gibt, als wenn wir uns persönlich treffen. Wir brauchen mehr als nur die Feststellung, damit Events nicht jeder weiteren Krise oder jetzt der Kostenexplosion zum Opfer fallen. Wie können wir also ein stärkeres Argument für die Begegnung schaffen?

Schließlich sind die Aufgaben, die vor uns liegen, groß und erfordern Anlässe, damit wir ins Miteinander und ins Tun kommen. Die Preisverleihung „PflegerIn des Jahres 2022“ etwa will das Narrativ der Pflege verändern. Den Preis ruft Mirjam Rienth ins Leben, weil sie sich ärgert, dass es in der breiten Öffentlichkeit und der Berichterstattung zum Pflegeberuf meist um die negativen Aspekte geht und nicht um die positiven. Veranstaltungen verhandeln wichtige Themen für die Gesellschaft und verbinden Menschen mit Gestaltungswillen. Und da bleibe ich optimistisch und bin bei Bundeskanzler Olaf Scholz, wenn er sagt: „Unsere Gesellschaft ist stark, viel stärker als manches Mal unterstellt wird. Der faire Ausgleich zwischen den Interessen in einem Geist der Gemeinsamkeit prägt unser Land. Diesen Geist gilt es zu erhalten und zu stärken.“ Und dafür braucht es die Gesellschaft anderer auf Veranstaltungen. Koste es, was es wolle.

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