Der Einfluss von Megatrends auf die Marken­kommunikation

Grafik: Adobe Stock, Nataliia, KI-Generiert

Grafik: Adobe Stock, Nataliia, KI-Generiert

Alle Branchen müssen sich mit Trends auseinandersetzen, um ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu halten. So auch die Livekommunikation. Weil aber die Instrumente der Livekommunikation Industrie, Handel und Dienstleistung gleichermaßen bedienen, ist das frühzeitige Erkennen und die sensible Umsetzung von gesellschaftlichen Megatrends von besonderer Bedeutung.

Dabei unterscheiden wir eine Vielzahl an Trends von wenigen Megatrends und sprechen dann insbesondere von den vier großen „D“ – Dekarbonisierung, Deglobalisierung, demografischer Wandel und digitale Transformation. Sie alle haben tiefgreifende und langfristige Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, auf alle Branchen und Technologien. Und natürlich auf das Messewesen.

Advertisement

New People: Megatrend „demografischer Wandel“

Messebesucher werden generell weiblicher, jünger, internationaler, technikaffiner, „digitaler“ und anspruchsvoller. In ihrem Kommunikationsverhalten sind sie deutlich fortgeschrittener als vorhergehende Generationen und das bedingt eine starke Veränderung der gesamten Zielgruppen-Kommunikation! Hier heißen die Stichworte KI und Konnektivität. Dabei bedeutet Konnektivität nicht nur die Verbindung digitaler Systeme untereinander und mit dem Menschen, sondern auch eine neue Wertigkeit des Prinzips zwischenmenschlicher Verbindungen. Mehr Individualisierung und Personalisierung.

In diesem Umfeld verliert vermeintlich Bewährtes an Akzeptanz und Relevanz. Mut zu Neuem zahlt sich aus. „Der Besucher soll bei uns das beste Erlebnis gehabt haben, eine ‚Story‘ auf dem Stand erkennen!“, sagt Robert Sarcevic, Vice President Global Business Services bei Siemens. Denn Storytelling ist auf allen Ebenen der Kommunikation eine wichtige Methode, um Informationen und Wissen in Form von Geschichten so aufzubereiten, dass Botschaften besser rezipiert und erinnert werden können. Vor diesem Hintergrund ist es schwer verständlich, dass man immer noch zu viele Messestände vorfindet, die nicht viel mehr sind als eine zur Fläche gewordene Homepage, ein inszeniertes Waren-Regal.

Die Veränderung des Zielgruppenverhaltens und die damit einhergehenden neuen Anforderungen an Kommunikationsstrategien lösen große Herausforderungen auf Anbieterseite aus. Dort werden sich daher auch die Mindsets und Skills der Messestrategen verändern müssen. Mark Kessels, Gründer und CEO von Converve formuliert das so: „Eine Person, die heute bedeutende und nachhaltige Erlebnisse für anspruchsvolle Menschen in einer komplexen multimedialen Umwelt inszeniert, muss gleichzeitig als Kommunikationsdesigner, Digital- Experte, Verhaltenspsychologe, Content-Entwickler und Markenstratege agieren und dabei tiefgreifende methodische Kompetenz mit einem hervorragenden technologischen Verständnis kombinieren.“

Auch die Messetrends 2025 zeigen ganz klar auf, dass die Zeiten reiner Produktpräsentationen vorbei sind. Die Zukunft gehört emotionalen, interaktiven und nachhaltigen Messeauftritten, die Besucher begeistern und eine langfristige Bindung schaffen. Unternehmen, die diese Trends aufgreifen, werden auch in einer zunehmend digitalisierten Welt unersetzlich bleiben. Der Messestand kann so zum Herzstück einer erfolgreichen Markenkommunikation werden.

Gamification als belebender Faktor

Der Mensch ist nicht nur ein Homo Sapiens, ein denkender Mensch, sondern er ist auch ein Homo Ludens, ein spielender Mensch. Vor, während, und nach der Messe kann Gamification an vielen Punkten der Customer Journey ansetzen. Digitale Erlebnisse, die schon vorab auf der Website starten, dienen als beliebte Türöffner. Besucher nehmen teil, sammeln Punkte, lösen Rätsel oder sichern sich Gutscheine, die sie später am Stand einlösen. Einfache Spiele, die nur ein paar Minuten dauern, schaffen spannende Interaktion. „Wir haben beispielsweise für einen Hersteller aus der Veterinärmedizin ein Mini-Game entwickelt, in dem ein Zeckenschutzmittel in einem digitalen Parcours gegen ein Konkurrenzprodukt antritt. Natürlich ist klar, wer dabei am weitesten kommt, ohne attackiert zu werden“, erklärt René Meures, Head of Marekting & Sales beim Messebauer WWM in Monschau.

Corporate Games von Metapilots bieten neben Unterhaltung auch die Möglichkeit, Produkte, Dienstleistungen oder unternehmensspezifische Informationen interaktiv zu präsentieren. Grafik: Screenshot Metapilots

Auch Adaptionen bekannter Spielmechaniken bieten viel Potenzial, um Inhalte sympathisch zu vermitteln und Leads zu generieren. Das Ergebnis sind belebtere Stände, mehr Gesprächsanlässe und eine hohe Wiedererkennbarkeit.

Werden die Messestände kleiner?

Beim AUMA-Veranstalter-Ausblick 2024/25 geben etwa 56 Prozent der Befragten an, kleinere Standflächen in Betracht zu ziehen. Das passt zur wirtschaftlichen Gesamtlage, in der Investitionen generell vorsichtiger getätigt werden. Aber auch der wachsende Trend zu einem Dreiklang aus Education, Ausstellung und begleitenden Networking-Events am Messeplatz hat Einfluss auf die reinen Standgrößen, denn Side-Events gewinnen an Bedeutung und verlängern die Networking-Reichweite und -Tiefe eines Messeauftritts über den reinen Stand hinaus. Robert Sarcevic von Siemens bestätigt das: „Der Messestand an sich ist ein wichtiger Punkt in der Customer Journey, wo sich viele Elemente verknüpfen!“ Aber eben nur e i n Kulminationspunkt. Und er ergänzt: „Aus meiner Sicht ist Messe nicht Ausstellung, sondern Ausstellung ist Teil von Messe.“

Foto: privat

„Aus meiner Sicht ist Messe nicht Ausstellung, sondern Ausstellung ist Teil von Messe.“

Robert Sarcevic, Vice President Communication Services, Siemens AG (Global Business Services)

Die zunehmende Fragmentierung von Zielgruppen wird dazu führen, dass neben den großen Leitmessen in den nächsten Jahren auch neue und sehr spezielle Branchenevents entstehen werden, die in kürzeren Zyklen stattfinden und daher kleiner werden. Aktuelle Umfragen des Branchenverbandes AUMA belegen zudem, dass gestiegene Kosten zu den größten Herausforderungen zählen und damit Kostenbewusstsein bei den Unternehmen ein dauerhaft treibender Faktor bei Ausstellern wie Besuchern bleibt. Auch die Kurzfristigkeit der Standbuchungen und der Entscheidungen für den Messebesuch nehmen zu. Hohe Flexibilität bei Angebot und Planung sind bei verkürzten Reaktionszeiten die logische Folge.

Die Rolle der künstlichen Intelligenz: Megatrend „digitale Transformation“

KI eröffnet neue Horizonte und revolutioniert unsere Lebens- und Berufswelt. Sie erleichtert die menschliche Arbeit auf nie da gewesene Weise, macht aber darüber hinaus viele traditionelle Jobs wie unter anderem Dolmetscher oder Texter überflüssig: ChatGPT schreibt wie ein Werbetexter oder Journalist, ElevenLabs imitiert menschliche Stimmen verblüffend genau, MidJourney und Sora bebildern Geschichten fotorealistisch und die Software Lovable ermöglicht sogar Menschen ohne Programmierkenntnisse, in wenigen Minuten eine Website oder Apps zu erstellen.

Mit diesem Programm kann nach einem kurzen Briefing innerhalb von etwa zehn Minuten für eine geplante Messe eine komplette Homepage inklusive Registrierungsformular programmiert und designt werden. Auf dem Bildschirm im Hintergrund sieht man die „Coding Agents“ mit rasanter Programmier-Geschwindigkeit arbeiten. Nun muss nur noch die Bezahlfunktion angliedert werden und der Veranstalter kann sofort online mit dem Ticketverkauf starten. Auch eine dazu passende eigene Musik-Komposition macht die KI in wenigen Minuten, je nach gewünschtem Genre und natürlich GEMA-frei!

Forschung in Zeitraffer

Der Mitbegründer von Google DeepMind, Demosthenes „Demis“ Hassabis erhielt 2024 den Nobelpreis für Chemie als Entwickler einer KI, die entschlüsselt, wie Proteine gefaltet sind. Früher haben Wissenschaftler etwa fünf Jahre benötigt, um ein Protein zu entschlüsseln. Diese neu entwickelte KI hat innerhalb von drei Tagen 200 Millionen Proteine dechiffriert. Mit derartigen Fähigkeiten können völlig neue Medikamente entwickelt werden. Nur eines von vielen Beispielen für eine KI, die sich selbst immer besser macht und in vielen Bereichen enorme Beschleunigungen bewirkt.

Da die KI um ein Vielfaches schneller ist als der Mensch, sind die Ergebnisse mit vertretbarem Aufwand nur schwer kontrollierbar. Was wiederum bedeutet, dass ein gewisser Kontrollwahn abgelegt werden muss. Es ist allerdings beruhigend zu wissen, dass die KI mit einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 115 arbeitet, der IQ der meisten Menschen hingegen bei etwa 100 liegt. Trotzdem sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die KI fabuliert. Bei professionell aufgesetzten Anwendungen werden die Modelle allerdings so gut trainiert und so lange verfeinert, dass man schlussendlich einen hohen Wirkungsgrad erreicht. Julian Yogeshwar, der KI-Spezialist mit dem berühmten Vater, hat trotz manch berechtigter Skepsis eine klare Botschaft: „Der größte Fehler, den man im Augenblick im Mittelstand machen kann, ist: warten! Wenn man die revolutionären Potentiale verschläft, wird man schneller abgehängt, als man denkt, denn alle sechs Monate verdoppelt sich die Power von KI!“

KI in der Anwendungspraxis der Aussteller und Besucher

Im Messewesen ermöglicht KI zunächst eine verbesserte Vorfeld-Recherche, indem sie Zielgruppen genauer analysiert und anhand früherer Besucherdaten ein passgenaues Kommunikationskonzept für eine exakt definierte Gruppe von gewünschten Besuchern umsetzt. Je homogener diese Gruppe strukturiert wird, umso effektiver funktioniert die Zielgruppenansprache. Auch die Suche nach Speakern, Abendlocations oder auch Caterern wird erleichtert durch ChatGPT: Nach Eingabe der Anforderungsprofile liefert die Applikation schnell die nötigen Listen und Kontakte.

Auf der it-sa, Europas größter Fachmesse für IT-Sicherheit in Nürnberg, unterstützt ein Chatbot Aussteller und Besucher mit schnellen Antworten und erleichtert die Orientierung. Screenshot: itsa365.de

Weiterhin wird KI zunehmend als Chatbot eingesetzt, wobei den Teilnehmenden in einer Event-App Informationen auf häufig gestellte Fragen geliefert werden. Die Chatbots stehen mittlerweile in allen gängigen Sprachen zur Verfügung und sind für das internationale Networking unverzichtbar geworden. Spezielle Matchmaking Tools verknüpfen Besucher und Aussteller nach Vorlieben, Job-Profilen oder Standort miteinander. Eine fast schon revolutionäre Allround- Lösung stellen KI-Agenten dar. Sehr praxisbewährt sind unterdessen die gängigen KI-Bild- und Videoprogramme zur Erstellung von Logos, Titel-Arrangements oder Broschüren.

Auch bei der Programmplanung unterstützt ChatGPT mit Time Tables samt Session Titeln und passenden Räumlichkeiten. Alle wichtigen Informationen zum Event können dann gebündelt dank Text-KI in einer E-Mail zusammengefasst werden. Und auch bei der Frage, wie man aus der Vielzahl von Angeboten die „richtige Messe“ auswählt, hilft die KI. Sie analysiert große Datenmengen aus vielen Quellen und identifiziert Formate mit dem vermutlich größten Return on Investment. Zudem unterstützt sie bei der Festlegung von klaren Messezielen, indem sie aus vergangenen Daten und aktuellen Marktbedingungen präzise Vorhersagen über potenzielle Erfolgschancen liefert.

Leadmanagement: das Hauptziel jeder Messebeteiligung

KI hilft dabei, Leads effizient zu erfassen, zu kategorisieren und zu priorisieren. Mithilfe von KI-Tools können Aussteller während der Messe schnell und genau relevante Kontakte identifizieren. Dies geschieht durch den Einsatz von Algorithmen, die Gespräche und Interaktionen analysieren und automatisch potenzielle Kunden klassifizieren. Auch in der Nachbereitung unterstützt KI mit automatisierten Follow-ups und personalisierten Angeboten, die sicherstellen, dass keine wichtigen Kontakte verloren gehen und der ROI maximiert wird. Denn statt das Gießkannenprinzip der Massenansprache zu nutzen, ist man heute dank digitaler Profilierungstechniken in der Lage, Zielgruppen genau zu segmentieren und in der Folge differenzierter mit Einzelmaßnahmen anzusprechen und nachzubereiten.

Verfolgt man das ehrgeizige Ziel, innerhalb von 48 Stunden eine LK-Maßnahme zu launchen, so muss Livekommunikation skalierbar werden. Denn wenn eine Kampagne sich in sozialen Medien als effizient erweist, wird das Budget auf diesem Kanal erhöht und geht eben nicht in die Livekommunikation! Ein erfolgreiches Event konnte man traditionell nicht schnell genug skalieren, denn Livekommunikation ist ein Projektgeschäft. Gelingt es aber, einen Prozess daraus zu machen, dann kann das Event problemlos skaliert werden. Wenn also eine entsprechende Software eingesetzt werden kann, lassen sich aus zehn Events oder Messeteilnahmen schnell 100 entwickeln.

Erfolgskontrolle und ROI-Analyse mit künstlicher Intelligenz

KI unterstützt bei der nachgelagerten Analyse der Messeperformance durch die Auswertung wichtiger Kennzahlen wie Lead-Qualität, Besucherinteraktionen und Umsatzpotenzial. Die Berechnung des ROI wird damit professionalisiert und liefert wichtige Anhaltspunkte für die künftige Verbesserung der Performance.

Messbarkeit im Zentrum der digitalen Transformation

Ist der Stand schön? Fällt er auf? Waren die Gänge voll? Das reicht schon lange nicht mehr. Es geht darum, den Erfolg einer Messebeteiligung qualifiziert zu messen. Messen haben mit Messen zu tun. Die Ausgangslage ist einfach: Man legt die Ziele fest, führt die Messe aus, analysiert die Zielerreichung und legt abschließend Maßnahmen zur Optimierung fest. Datengetriebene Veranstaltungsformate mit eingebauter Intelligenz sind dabei auf dem Vormarsch. Denn zunehmend fragen sich Veranstalter, wie sie mit ihren Teilnehmerdaten eine einzigartige Teilnehmer-Experience erschaffen können. Aber welche Kennzahlen muss ich überhaupt erfassen?

„Im Messebau steht heute nicht mehr die Säge, sondern die Tastatur im Vordergrund!“

Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer WWM.

Die Besucherzahlen der Messe sind bekanntermaßen wenig relevant für die individuellen Erfolgsbetrachtungen. Wie viele Besucher waren denn am Stand? Passt die Besucherstruktur zum Messeziel? Was habe ich hinsichtlich des Awareness- und Image-Faktors wirtschaftlich konkret erreicht? Vor zehn, 15 Jahren war das treibende Motiv für eine Messeteilnahme bei vielen Marketingleitern noch recht schlicht. Dabei sein war alles, damit Wettbewerber und Kunden nicht mutmaßen sollten, dass es dem Unternehmen möglicherweise schlecht geht. Das ist ein grundfalscher Gedanke. Ebenso wie die skeptische Frage, ob im digitalen Zeitalter die Messe überhaupt noch das richtige Tool ist.

Denn so wie die Wertigkeit des Briefes heute höher ist, so hat auch die Wertigkeit der multisensorischen Wahrnehmung in der persönlichen Begegnung einen noch höheren Stellenwert als früher bekommen. Gerade in Zeiten der zunehmenden Anonymisierung von Kundenkontakten durch digitale Instrumente, der Einsparung von Außendienstmitarbeitern und dem Boom von Videokonferenz-Tools bekommt die Messe heute fast schon eine elementare Funktion als zentrales Element der Kunden-Nähe und füllt ein Vakuum. In den AUMA-Befragungen nennen die ausstellenden Unternehmen nur die eigene Homepage, die im Marketing-Budget mit einem Vorsprung von lediglich 8 Prozent vor der Messeteilnahme rangiert.

Hier steht mehr zur effizienten Erfolgsmessung mit digitalen Tools

Zurück zu den Kennzahlen. Hier kommt es allein auf den „Visitor“ an, der sich am Stand etwas tiefer mit dem Produkt beschäftigt. Die gesammelten Visitenkarten als Leads zu betrachten, ist archaisch. Denn sie sind kein Indikator für Brand-Awareness und Brand-Interaction!

Dauerbrenner mit neuen Perspektiven: „Megatrend Nachhaltigkeit“

Die deutschen Messeplätze wollen bis 2029 mehr als 770 Millionen Euro investieren für die Modernisierung und Weiterentwicklung der Infrastrukturen. Die Verbesserung digitaler Standards und das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele stehen dabei besonders im Fokus. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass Nachhaltigkeit ein Megatrend ist, in dem die deutsche Veranstaltungswirtschaft bereit ist, engagiert voranzugehen. Die Messebesucher gehen mit: Denn über die Hälfte der im Jahr 2024 knapp 3.000 befragten Teilnehmenden (56,4 Prozent) geben in der AUMA-Studie „Mehrwert von Messebesuchen: Wie Einzelreisen vermieden werden“ an, bei ihrer Messe- und Reiseplanung ökologische Aspekte zu berücksichtigen.

Zahlreiche ökonomische Vorteile liegen auf der Hand. Beim Vergleich Messebesuch versus Geschäftseise schneidet die Messe gut ab. Denn auch einen häufig unterschätzten, wenn nicht sogar übersehenen Vorteil eines Messebesuchs weist die die AUMA-Studie nach und verweist darauf, dass der Besuch von Messen zusätzliche Einzelreisen ersetzt und zeitgleich viele geschäftliche Begegnungen an einem einzigen Ort bündelt.

Foto: Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer

Foto: Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer

In der Branche hat sich – nicht zuletzt aufgrund der Revision in 2024 – die ISO-Norm ISO 20121:2024 für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement durchgesetzt. Diese ist heute ein wichtiger Indikator für das systemische Management von nachhaltigen Veranstaltungen. Diese Norm stellt sicher, dass die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen nicht aus bloßem Green-Washing oder Lippenbekenntnissen besteht, sondern vielmehr aus Maßnahmen, die zu einem messbaren Erfolg führen. Ein Leitsatz des Management-Vordenkers Peter Drucker gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit: “You can only manage what you measure!”

Will man das Thema Nachhaltigkeit wirklich angehen, so führt kein Weg an der Messung und dem Management der mit der Messe verbundenen CO2-Emmissionen vorbei. Die problematischsten Umweltauswirkungen liegen meist im Bereich Mobilität. Hier hat bereits ein Umdenken eingesetzt. Die Anreise per Bahn oder die Kompensation der CO2-Emissionen bei Flugreisen, aber auch die Nutzung des ÖPNV am Messeplatz reduzieren den Fußabdruck bereits erheblich. Bei Atmosfair finden sich weitere Interessante Hinweise. So beispielsweise die Bildung von Fahrgemeinschaften oder Hinweise auf das Catering. Sehr groß ist mittlerweile auch die Auswahl an ökologisch zertifizierten Hotels, die noch einmal den Carbon Footprint deutlich reduzieren können. Beispiele: Green Sign-Label, Certified Green Hotels oder europaweit Select Green Hotels.

Was die Ausstellerseite betrifft, so kommt dem Bau eines Messestandes zentrale Bedeutung zu. Seit Juni 2025 ermöglicht ein Kooperationsprojekt der Veranstaltungswirtschaft mit dem Namen „Better Stands“ einen einfachen Zugang für Planer wiederverwendbarer Messestände. Die unter dem Dach der Net Zero Carbon Events (NZCE) Initiative gehostete Initiative wird von der International Federation of Exhibition & Event Services (IFES) unterstützt. Weltweit können nun alle Veranstalter, Dienstleister, Veranstaltungsorte und Verbände das Rahmenwerk übernehmen, das den Übergang von Einweg- zu wiederverwendbaren Standbauten fördern soll. Es bietet einheitliche Kriterien zur Bewertung der Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit von Messestandelementen.

Ziel ist es, durch nachhaltige Gestaltung sowohl Kosteneinsparungen als auch höhere Effizienz zu erzielen. Die mehrstufige Bewertung und Auszeichnung würdigt das Engagement von Ausstellern und Standbauern. Die Einstufung kann entweder im Vorfeld durch einen Verifizierungsprozess oder durch Vor-Ort-Bewertungen geschulter Gutachter während der Veranstaltung erfolgen. Um den Prozess einer nachhaltigkeitsorientierten Messestands-Planung zu vereinfachen, haben die Monschauer Messespezialisten WWM beispielsweise in die eigene my WWM Software ein separates Modul integriert: den CO2-Calculator. Dieser automatisiert den notwendigen Prozess vollständig.

Grafik: WWM GmbH & Co. KG

So wurde dort im Rahmen der ISO20121 Zertifizierung für jeden Artikel in Übereinstimmung mit der NZCE der mit der Produktion verbundene CO2-Emmissionswert ermittelt. Um den mit den Messen verbundenen CO2-Emissionswert zu reduzieren, berät die WWM die Kunden zur Nutzung von Mietmaterial. Denn es gilt eine verblüffend einfache Regel: Wenn eine Mietkomponente 50-mal für Messen verwendet wird, so beträgt der mit der Messe verbundene, anteilige CO2-Emmissionwert auch nur ein Fünfzigstel der ursprünglich bei der Produktion erzeugten Emission! Im geschlossenen System der WWM-Software-Lösung kennt man die Werte und kann in Echtzeit die CO2-Bilanz eines Messestandes ermitteln und ihn bereits in der Planungsphase ausweisen. Sofern es in der Umsetzung Veränderungen gibt, werden diese im System erfasst und der CO2-Wert in Echtzeit aktualisiert.

Die Korrelation von Messbarkeit und Nachhaltigkeit

Da Nachhaltigkeit immer aus den drei Säulen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit besteht, reicht es jedoch nicht aus, nur die mit der Messe verbundene CO2-Emmission zu senken. Denn dann könnte man die Messe ja auch einfach vollständig ausfallen lassen. Vielmehr geht es darum, die Ökologie und Ökonomie der Maßnahme zu optimieren. Mit anderen Worten: Es gilt, den Sweetspot der optimalen Effektivität der Messe (TIM) mit der effizientesten Nutzung von Ressourcen (CO2e) zu finden. Hierzu wurde in Monschau die Kennzahl des eTIM entwickelt. Dabei kombiniert die myWWM Lösung den über Event-Metrics ermittelten TIM-Wert (Total Interaction Minutes) mit den über den CO2-Calculator ermittelten CO2-Emmissionen.

Genauer: Die Emissionen werden durch die Total Interaction Minutes geteilt. Im Ergebnis erhält man nun die CO2-Emmissionen pro Interaktions-Minute mit der Zielgruppe. Dieser Wert ermöglicht es, verschiedene Live-Kommunikationsformate direkt miteinander zu vergleichen und die Messe-Strategie wirklich nachhaltig zu gestalten, nämlich ökologisch, ökonomisch und sozial. Zwei Megatrends korrelieren hier miteinander: Messbarkeit im Zuge von Digitalisierung / KI und Nachhaltigkeit. Entscheidend ist die Verbindung von Ökologie und Ökonomie. Denn nur wenn Effizienz, Erlebnis und Nachhaltigkeit zusammenspielen, wird Messekommunikation zukunftsfähig.

Hans Jürgen Heinrich

Share this article

Order eMag