Sicherheit auf Events
Aber mit Sicherheit
In Fan Zones wie in Leipzig kamen tausenden Menschen zur UEFA EURO 2024 zusammen, um gemeinsam Fußball zu schauen. So wurden die Partien auch außerhalb der Stadien im öffentlichen Raum erlebbar. Foto: Leipziger Messe
In Fan Zones wie in Leipzig kamen tausenden Menschen zur UEFA EURO 2024 zusammen, um gemeinsam Fußball zu schauen. So wurden die Partien auch außerhalb der Stadien im öffentlichen Raum erlebbar. Foto: Leipziger Messe
Dieses Jahr steht die Sicherheit auf Veranstaltungen ganz besonders im öffentlichen Fokus. Für Mega-Events wie die UEFA EURO 2024 und die Olympischen Spiele in Paris sind Menschen aus aller Welt nach Europa gereist – und die Veranstalter haben die Veranstaltungsstätten in den öffentlichen Raum ausgeweitet. Was Event Professionals mitnehmen können.
Mit ein paar letzten heißen Tagen neigt sich der Mega-Event Sommer 2024 dem Ende entgegen. Die Welt kam zusammen, feierte einen neuen Fußballeuropameister und Sporthelden der Olympischen Sommerspiele. Es folgte erleichtertes Aufatmen, nachdem der Turniersommer so friedlich verlief, trotz aller Befürchtungen im Vorfeld. In dieses Gefühl mischte sich unvermittelt die Meldung eines Messerangriffs auf dem Solinger Stadtfest. Drei Menschen starben. Die Tat begang ein Einzeltäter, die der Islamische Staat für sich reklamierte. Daraus resultiert eine einfache Frage für Event Professionals: Wie kann mit solch einer Situation umgegangen werden?
Sicherheit auf Veranstaltungen ist ein allgegenwärtiges Thema. Es geht um Besuchersicherheit, um Arbeitsschutz, Anwohnerschutz und mehr. In Deutschland finden sich in der Versammlungsstättenverordnung je nach Bundesland viele Regeln, die sich genau dieser Bereiche annehmen.
„Grundlegend steht die Sicherheit, also die körperliche Unversehrtheit des Besuchers, im Fokus. Natürlich gilt es aber auch für Mitarbeiter, Künstler und sonstige Beteiligte, ein sicheres Umfeld zu gewährleisten”, erklärt Dennis Eichenbrenner, Vorsitzender des bvvs (Bundesverband für Veranstaltungssicherheit), den Begriff Veranstaltungssicherheit. Die Verfügbarkeitsheuristik lehrt uns: Wann immer etwas passiert und viel darüber gesprochen wird, wird das Risiko von Menschen allgemein als höher eingeschätzt, dass ihnen etwas zustoßen könnte. Und passiert ist dieses Jahr einiges, was auch medial viel diskutiert wurde.
Foto: Philipp Uricher
Sicherheit braucht Zeit
Dennis Eichenbrenner ist Fachplaner für Veranstaltungssicherheit und seit 2020 Vorsitzender des bvvs – Bundesverband Veranstaltungssicherheit. Im Interview spricht er über die Komplexität seines Fachgebiets und seine Eindrücke zur EURO 2024 und den Olympischen Spielen in Paris.
Terroranschlag in Moskau
Anfang des Jahres verübte die Terrororganisation „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ einen Anschlag auf die Crocus City Hall in Moskau. Über 140 Menschen verloren ihr Leben. Damit war der Ton für das Veranstaltungsjahr gesetzt. Vorberichte zur UEFA EURO 2024 befassten sich verstärkt damit, ob das Fußballturnier sicher sei. Das Finale im Olympiastadion wurde gar als „lohnenswertes“ Ziel für Terroristen skizziert. „Die Gefahr ist abstrakt hoch und wir nehmen sie ernst, damit aus abstrakt nicht konkret wird,” sagte Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, gegenüber der ARD Sportschau im April.
Die Welt wäre im Livestream oder TV in Echtzeit dabei, sollte etwas passieren. Nur um einmal an die Greenpeace-Aktion in München zur Fußball-EM 2020 zu erinnern. Zum Auftaktspiel in der Gruppe F zwischen Deutschland und Frankreich flog ein Greenpeace-Aktivist mit einem Gleitschirm ins Stadion. Er erlitt jedoch eine Bruchlandung und verletzte dabei einen Zuschauer.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser reiste schließlich kurz vor dem Eröffnungsspiel medienwirksam durch die Host Cities, um sich selbst ein Bild über den Stand der Vorbereitungen zu verschaffen: „Für mich als Bundesinnenministerin hat die Sicherheit oberste Priorität. Wir wappnen uns mit hohem Einsatz aller Sicherheitsbehörden gegenüber allen denkbaren Gefahren. Unser Fokus reicht von der Bedrohung durch islamistischen Terror, über Hooligans und andere Gewalttäter bis hin zu Cyberangriffen.“
Während des Achtelfinals, in dem die deutsche Nationalmannschaft spielte, kletterte ein vermummter Mann in das Dortmunder Stadiondach. Entsprechend sensibel wurden Vorfälle öffentlich aufgenommen. Menschen verkleidet mit Albärt-Maskottchen-Kostümen schafften es bis auf die Spielflächen innerhalb des Stadions, ohne aufgehalten zu werden. Im Achtelfinale mit Deutschland kletterte ein vermummter Mann in das Dortmunder Stadiondach. Erst nach Abpfiff des Spiels wurde er von Polizeikräften festgenommen. Auch wenn es hier nur um Klicks auf TikTok und außergewöhnliche Fotos ging, zeigt es doch, dass mit vielem gerechnet werden muss.
Raus aus dem Stadion
Nach der UEFA EURO 2024 war vor den Olympischen Sommerspielen in Paris. Das nächste Mega-Event, dass die Welt zusammenbrachte. Während zur EURO große, öffentlich zugängliche Fanzonen in den Host Cities aufgebaut wurden, waren für Paris 2024 traditionelle Elemente neu gedacht. Die Eröffnungsfeier fand zum Beispiel über das Pariser Stadtgelände rund um die Seine statt. Sie wurde aus einem großen Stadion als schützbarem Raum hinaus in den vulnerablen öffentlichen Raum gelegt. Hieraus entstehen neue Herausforderungen für den Schutz dieser Veranstaltungen. Wo in Paris zunächst über 600.000 Zuschauer teilnehmen sollten, wurde die Zahl kurz vor Eröffnung der Sommerspiele dann doch auf gut die Hälfte reduziert.
IBIT24: 10. Fachtagung für Veranstaltungssicherheit
Am 15. bis 16. Oktober findet in Köln die 10. Fachtagung für Veranstaltungssicherheit IBIT24 statt. Sie ist Plattform für den Austausch und Transfer von Wissen und widmet sich der Diskussion relevanter Fragen der Veranstaltungssicherheit und der Sicherheit von Menschen in großen Menschenmengen.
Auch der diesjährige Fackellauf vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris musste aufgrund von Sicherheitsbedenken umgeplant werden. Eigentlich sollte die Fackel durch ganz Frankreich und die französischen Überseegebiete getragen werden. Aufgrund von Unruhen in Neukaledonien entfiel die Etappe. Die Surfwettbewerbe fanden dennoch dort statt. Apropos Fackellauf: Dieses Pre-Event-Event ist bereits eine sicherheitsrelevante Thematik für sich. 2008 auf dem Weg nach Peking musste die Laufroute durch London extra neu geplant und die Fackel „eingepackt“ werden, damit sie nicht von Protestierenden gelöscht wird.
Michaela-Susan Pollok, Leiterin Eventmanagement & Social Media beim Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik), besuchte die Olympischen Spiele in Paris und teilte ihre Einblicke auf LinkedIn. Auf Nachfrage zu ihren Eindrücken zur Sicherheitslage erzählt sie: „Ich habe mich insgesamt nie bedroht gefühlt, aber es waren schon extrem viele Einsatzkräfte unterwegs. Aus meiner Sicht dienten sie hauptsächlich der Abschreckung. Die Metro war hingegen nicht gut geschützt. Eher merkwürdig war der teilweise sehr lasche Taschen- und Personencheck am Einlass. Da war London wesentlich besser ausgestattet. Aber die Information im Vorfeld über eine der drei Apps war sehr gut, sodass man wusste, was man mitbringen durfte.“
Polizeikräfte sichern Mega-Events
Schon Monate vor den Spielen wurde, ähnlich wie zur Fußball-EM, über Sicherheitsmaßnahmen berichtet. Früh hieß es, es würde der größte Einsatz der Polizei in Paris werden. Aus ganz Frankreich wurden 45.000 Polizisten, 18.000 Soldaten und nochmals zwischen 18.000 und 22.000 private Sicherheitsleute zusammengezogen.
Hinzu kamen Polizeieinheiten aus vielen Teilnehmernationen zur Unterstützung in die französische Hauptstadt, die die lokalen Polizeieinheiten unterstützen sollten. Der Einbezug ausländischer Polizeieinheiten hilft, Sprachbarrieren zu minimieren und potenzielle Kriminelle beim Anblick der Uniformen aus ihrer Heimat zu demotivieren, ihre Taten zu verfolgen. Auf TikTok gingen derweil Videos aus Paris viral, die Polizisten unterschiedlichster Nationen zeigen.
Sicherheitszonen in Paris
Die Polizei- und Sicherheitskräfte schützten gut 15.000 Sportlerinnen und Sportler, die in weit über 800 Events über jeweils zwei Wochen zu den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris zusammenkamen. Zur weiteren Absicherung der einzelnen Austragungsstätten wurden sogenannte SILT-Parameter eingerichtet. Frankreich hat mit dem Konzept bereits bei vorangegangenen Veranstaltungen gute Erfahrungen gemacht. Die SILT-Parameter bilden drei Abstufungen von Sicherheitszonen rund um eine Venue ab. Nur wer entsprechende Berechtigungen vorweisen kann, kommt durch Schleusen in die Zonen. Um Anwohner und Anlieger nicht zu lange einzuschränken, wurden diese Zonen aber erst wenige Stunden vor dem Event bis eine Stunde nach dem Event eingerichtet. Zusätzlich wurden über 400 neue Kameras aufgehängt. Damit spannte sich ein Netz aus 4.400 Kameras über Paris, deren Bilder mithilfe von KI in Echtzeit ausgewertet wurden.
Auch zur EURO 2024 in Deutschland wurde mit dem Projekt Escape Pro eine neue Software für Krisenmanagement bei den Polizeidirektionen eingeführt. Sie ist in der Lage, Personenströme in Räumungssituationen zu simulieren und soll damit die Sicherheit von Großveranstaltungen bundesweit erhöhen. So kann im Vorfeld besser geplant werden, wie Besucher aus einer Fanzone entfluchtet werden und gleichzeitig schnellstmöglich Einsatzkräfte zu Notfällen gelangen. Escape Pro basiert auf der Simulationssoftware „crowd:it“, eine Entwicklung der accu:rate GmbH aus München. „crowd:it“ wird nun mit Escape Pro an den konkreten Bedarf der Polizei angepasst, um auch zukünftig zum Einsatz zu kommen.
Learnings für Event Professionals
Zurück zur Praxis für Event Professionals. Was können sie für sich mitnehmen? Sie sollten die Sicherheitsplanung als kontinuierlichen Prozess betrachten und Experten einbeziehen, um sowohl Besuchersicherheit als auch die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Geht es um die Sicherheitsplanung, rät Dennis Eichenbrenner, das Konzept der Customer Journey heranzuziehen. „Wo startet der Besucher? Wie kommt er zur Venue? Wie wird das Umfeld der Veranstaltungsstätte gestaltet, die sogenannte Last Mile? Wie kommt der Besucher in die Venue, und wie geht es dort weiter?“
Risikomanagement Kreislaufmodell (eigene Darstellung nach Haag)
„Ein guter Anfang ist gemacht, wenn nach der Veranstaltungsbeschreibung eine Risikoanalyse durchgeführt wird und die Gefahren des einzelnen Events bewertet werden“, so Eichenbrenner weiter. Das Risikomanagement gibt Event-Planern ein Kreislaufmodell an die Hand. Er empfiehlt, ab einer bestimmten Veranstaltungsgröße Experten in die Planung einzubeziehen. „Ein großer Baustein der Besuchersicherheit ist der Gast selbst, auch deshalb ist es gut aufgeklärte und informierte Gäste bei Veranstaltungen zu haben.“
Jede Krise ist auch eine Kommunikationskrise
Ähnlich sieht es Steff Berger, Krisenmanagerin für Events bei VOBE inspires people. „Das Erklären von Maßnahmen schafft Vertrauen und fördert die Sicherheit. Gut informierte Besucher verhalten sich in kritischen Situationen ruhiger und kooperativer. Klarheit und Transparenz verhindern Missverständnisse und Panik.“ Denn jede Krise sei auch eine Kommunikationskrise, so Berger.
Als wichtigen Baustein sieht Berger hier die Schulung des eingesetzten Personals. „Das gesamte Servicepersonal – von Hostessen über Sicherheit bis hin zum Catering – ist oft die erste Anlaufstelle. Sie müssen Probleme frühzeitig erkennen und wissen, wie sie diese richtig weiterleiten. Kommunikation ist hier der Schlüssel: Gut geschulte MitarbeiterInnen können schnell und effektiv reagieren, was nicht nur die Veranstaltung schützt, sondern auch das Team vor unnötigem Stress bewahrt.“
Im Alltag sieht sie allerdings Herausforderungen, Personal umfassend zu schulen. Dafür empfiehlt Berger drei praxistaugliche Maßnahmen, um das Bewusstsein für den Ernstfall innerhalb der Crew zu schärfen: die Erstellung eines Booklets und eines Videos sowie einer Verpflichtungserklärung.
Das Booklet fasst Verhaltensregeln, Kommunikationsrichtlinien, Notfallnummern und Anleitungen zur Absetzung von Meldungen zusammen. In dem Video werden Verhaltensregeln nochmals anschaulicher dargestellt. Und abschließend stellt die Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung sicher, dass die Informationen aus Booklet und Video auch ordentlich aufgenommen wurden. So blickt Berger auch gerne nach Großbritannien als Best Practice Case, wo „Health and Safety“ ein Schlüsselthema für Veranstaltungen seien.
Ein Anschlag wie in Solingen lässt sich nur schwer wirklich vermeiden. Umso wichtiger ist es, Vorbereitungen zu treffen, um im Ernstfall handlungsfähig zu sein. Und sei es hauptsächlich gute Kommunikation, die nötig wird. Steff Berger appelliert abschließend: „Krisenmanagement ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Es schützt nicht nur, es gibt den Menschen auch das Vertrauen, dass sie in guten Händen sind.“