Interview René Tumler
„Das Eventbusiness wird nicht in seiner Bedeutung wahrgenommen“
René Tumler ist seit Januar Geschäftsführer des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC). Foto: Christof Mattes
René Tumler ist seit Januar Geschäftsführer des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC). Foto: Christof Mattes
René Tumler führt die Geschäfte im Europäischen Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC). Im Interview spricht der überzeugte Europäer über Lebensqualität durch Veranstaltungen, eine politische Agenda, Twin Transformation und junge Talente sowie seinen wachrüttelnden Beitrag zum EU Dialogue.
tw tagungswirtschaft: Sie waren beim Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) und sind seit Januar Geschäftsführer im Europäischen Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC). Was reizt Sie an der Veranstaltungswirtschaft?
René Tumler: Menschen finden in Veranstaltungs-Centren zu den unterschiedlichsten Anlässen zusammen. Diese bieten dadurch einen Ort, an dem aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird – ganz unabhängig von der Größe der Veranstaltung. Lebensqualität entsteht unter anderem durch den Besuch von Veranstaltungen. Diese ist, neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Veranstaltungsbranche, ein entscheidender Faktor, welcher mich antreibt, um den Verband voranzutreiben.
Mit Ihrem unverstellten Blick: Welche Ihrer Beobachtungen zum Eventbusiness möchten Sie mit uns teilen?
Die Gesellschaft und auch die Politik nimmt das Eventbusiness noch nicht in der Gesamtheit und Bedeutung wahr, die es eigentlich besitzt. Viele unterschiedliche Verbände und Interessengruppen versuchen, die Themen der Branche voranzutreiben. Durch das Forum Veranstaltungswirtschaft wurde bereits ein erster Fortschritt dahingehend erreicht, mit einer gemeinsamen starken Stimme zu sprechen. Es bedarf aber noch viel Arbeit, um diesem Wirtschaftszweig die angemessene Stellung in Gesellschaft und Politik zukommen zu lassen.
Woran könnte diese fehlende Wahrnehmung für die Veranstaltungswirtschaft liegen?
Die Veranstaltungsbranche ist sehr divers und umfasst eine Vielzahl von Sektoren und Dienstleistungen. Diese Fragmentierung kann es schwierig machen, eine einheitliche Stimme zu finden, gemeinsame Anliegen zu formulieren und mit einer starken Stimme zu sprechen. Um die Wahrnehmung der Veranstaltungsbranche zu verbessern, wäre es wichtig, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz klarer herauszustellen, Lobbyarbeit zu intensivieren und die Sichtbarkeit durch Kooperationen und Netzwerke zu erhöhen. Zudem gibt es in der Gesellschaft oft ein Missverständnis über die Bedeutung von Veranstaltungen für das kulturelle Leben, die soziale Integration und die Wirtschaft. Viele Menschen sehen Veranstaltungen als Luxus oder Freizeitaktivitäten und nicht als essenziellen Teil des gesellschaftlichen Lebens.
Welche drei Themen und Herausforderungen haben Sie in den letzten Monaten für den EVVC und seine 600 Mitgliedshäuser identifiziert?
Das zentrale Thema schließt an die vorhergehenden Fragen an: die Wahrnehmung und Unterstützung durch Gesellschaft und Politik. Nur wenn Veranstaltungs-Centren von den Bürgerinnen und Bürgern geschätzt werden und die Wichtigkeit solcher Einrichtungen – egal, ob mit öffentlicher Beteiligung oder privatwirtschaftlich geführt – erkannt wird, können wir weitere Punkte angehen. Das zweite Thema stellt die Twin Transformation unserer Häuser dar. Dabei geht es um die gemeinsame Weiterentwicklung von Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen ökonomisch, ökologisch und sozial im Zusammenspiel mit der Digitalisierung. Die Digitalisierung ist dabei der Schlüssel, um Nachhaltigkeit effizienter zu gestalten und so auch in Zukunft attraktive Veranstaltungs-Centren anbieten zu können, egal, ob Neubauten oder Bestandsgebäude. Dafür braucht es Investitionen in die Infrastruktur von Veranstaltungs-Centren. Als dritte Herausforderung sehe ich das gesamte Themenfeld Personal: Egal, ob es um das Thema Arbeitszeiten, Personalbedarf oder Employer Branding von Unternehmen und der gesamten Branche geht. Wir sind eine Branche, die mit und von Menschen lebt. Digitalisierung kann uns bestimmte Aufgaben abnehmen, dennoch brauchen wir Mitarbeitende, die für Veranstaltungen brennen und diese zum Leben erwecken wollen.
Foto: Christof Mattes, EVVC
„Um die Wahrnehmung der Veranstaltungsbranche zu verbessern, wäre es wichtig, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz klarer herauszustellen, Lobbyarbeit zu intensivieren und die Sichtbarkeit durch Kooperationen und Netzwerke zu erhöhen.“
René Tumler, Geschäftsführer Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC)
Wie wollen Sie diese Herausforderungen angehen?
Als EVVC erarbeiten wir derzeit eine neue mittel- bis langfristige Strategie, um unseren Mitgliedern ein bestmögliches Angebot unterbreiten zu können. Dazu zählen auch die drei oben genannten Themen. Um die Wahrnehmung der Branche zu stärken, bedarf es einer klaren politischen Agenda und Strategie, welche wir in Brüssel, Berlin, Bern und Wien verfolgen. Insbesondere die Nationalratswahlen in Österreich im Herbst 2024 und die Bundestagswahl in 2025 sind hier herausfordernde Aufgaben. Für die beiden anderen Themen verfolgen wir den Ansatz, dass wir für unsere Mitglieder Lösungen auf drei Ebenen anbieten können. Erstens: Als EVVC haben wir eine Lösung im Haus. Zweitens: Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Mitgliedern eine Lösung. Drittens: Wir haben Partner, welche qualitativ hochwertige und von uns überprüfte Lösungen anbieten können, welche wir empfehlen.
Das aktuelle Meeting- und Eventbarometer (Meba) weist wiederholt auf den Fachkräftemangel als Problem hin: Für 87 Prozent der Veranstalter und für 80 Prozent der Anbieterbetriebe haben personelle Engpässe eine (sehr) hohe Bedeutung. Wie ist die Situation in den EVVC-Betrieben?
Wie in vielen Situationen finden wir im Verband eine sehr heterogene Struktur vor, auch in Bezug auf personelle Engpässe. Diese ist nicht nur regional, sondern oft auch lokal unterschiedlich. Dennoch kann man sagen, dass das Thema Personal, gerade in Bezug auf den demografischen Wandel, ein Zukunftsthema unserer Branche ist und auch weiterhin sein wird.
Was kann helfen, damit Menschen Berufe in der Veranstaltungswirtschaft ergreifen?
Es gibt verschiedenste Maßnahmen, die dazu führen, dass Menschen gerne in unserer Branche arbeiten würden. Einige erste Ideen reichen von einer Steigerung der Bekanntheit und Attraktivität der Berufe in der Branche über Mentoring-Programme und das Aufzeigen von Karrierechancen bis hin zur Förderung von Vielfalt und Inklusion. Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt in unserer Branche eine Herausforderung dar, welche aber auch enorme Chancen bietet.
Und was unternimmt der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren hier?
Als EVVC haben wir das Thema Personal weit oben auf die Agenda gesetzt. Hier entwickeln wir derzeit ein Konzept, wie wir unsere Mitglieder bestmöglich unterstützen können, natürlich immer ausgerichtet am Bedarf unserer Mitgliederhäuser. Zudem setzen wir uns politisch für eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein, um besser auf die Bedürfnisse der Kunden und auch der Mitarbeitenden eingehen zu können.
Ein Team: Der Vorstand und die Geschäftsstelle des Europäischen Verbandes der Veranstaltungs-Centren (EVVC). Das Thema Personal setzen sie gemeinsam oben auf die Agenda. Foto: Christof Mattes
Junge Talente sind besonders gefragt, weshalb die EVVC MFT Fachtagung 2024 mit der Keynote „Wer die Generation Z nicht kapiert, verliert!“ eröffnet. Über die Gen Z wird (immer noch) viel geredet, doch inwiefern sucht der EVVC das Gespräch mit ihr?
Der EVVC ist einer der Initiatoren des Future Talents Day, welcher seit mehreren Jahren im Rahmen der Fachmesse Prolight + Sound der Messe Frankfurt und nun auch auf dem Reeperbahn Festival in Hamburg stattfindet. Zudem sind wir im ständigen Austausch mit unseren Mitgliedern und ihren Mitarbeitenden. Wir planen zudem weitere Aktionen, um einen noch besseren und direkteren Draht zu den jungen Talenten der Gen Z herzustellen. Zur Generation Z gehören im Übrigen auch einige Mitarbeitende des EVVC-Teams, auf dessen Leistungen ich stolz bin.
Mit 2,15 Millionen Veranstaltungen kommt Deutschland 2023 auf drei Viertel seines Vor-Corona-Volumens von 2019 (Meeting- und Eventbarometer, Meba). Österreich hat sein Niveau von 2019 bereits erreicht und schreibt 2023 mit 26.144 Veranstaltungen sein stärkstes Jahr (Meeting Industry Report Austria, mira). Haben Sie eine Erklärung dafür – schließlich sind Sie Österreicher und arbeiten in Deutschland?
Die Leistungen, die die deutsche und österreichische Veranstaltungswirtschaft, insbesondere während und nach der Corona-Pandemie, erbracht haben, sind unglaublich. Dass sich eine Branche so schnell erholt hat, ist das Verdienst aller, die in dieser Branche tätig sind und sich für sie einsetzen. Ich glaube, dass die reine Anzahl von Veranstaltungen nicht den Stand der Branche wiedergibt. Zudem wird die Untersuchung des mira und des Meba mit unterschiedlichen Datengrundlagen und einer unterschiedlichen wissenschaftlichen Herangehensweise erstellt. Ich glaube, dass sowohl Österreich als auch Deutschland Alleinstellungsmerkmale in der Veranstaltungsbranche haben und diese stärken können. Dennoch bin ich überzeugt, dass auch die Kooperation in der DACH-Region Vorteile für die Branche bringen kann. Betrachtet man beispielsweise das ICCA-Ranking 2023, ist der DACH-Raum die weltweite Nummer 1 der MICE-Veranstaltungen – noch vor den USA.
Neben der Mitgliederbetreuung und der internen Verbandsführung ist die politische Interessenvertretung eine Ihrer Kernaufgaben. In den letzten Jahren war der EVVC überwiegend in Berlin aktiv und wenig in Brüssel. Werden Sie das ändern?
Als überzeugter Europäer glaube ich, dass eine Interessenvertretung auch auf europäischer Ebene sinnvoll und auch wichtig ist. Ob wir diese Interessenvertretung als EVVC oder gemeinsam mit Partnerverbänden durchführen, ist noch nicht abschließend geklärt. Ziel ist es, auf den richtigen politischen Ebenen für unsere Mitglieder vertreten zu sein, Themen einzubringen und Interessen durchzusetzen, egal, ob dies Präsenz in Brüssel, Berlin, Bern, Wien oder in einer der vielen Länder- und Kantonshauptstädte bedeutet.
Für welche drei Themen werden Sie sich auf nationaler Ebene starkmachen und für welche drei Themen auf europäischer Ebene?
Als EVVC erarbeiten wir gerade ein Positionspapier mit unseren zentralen Forderungen an die Politik. Dieses werden wir zeitnah präsentieren. Es ist darauf ausgelegt, die wichtigen Themen der Veranstaltungs-Centren in den politischen Prozess mit einzubringen. Oft gilt es aber auch, auf Ereignisse und Entwicklungen zu reagieren.
Nehmen wir an, der „EU Dialogue – Driving Positive Change in the Meetings Industry“ findet nächstes Jahr eine Fortsetzung und Sie sind als Speaker eingeladen. Zu welchem (Herzens-)Thema möchten Sie sprechen?
Das Panel des diesjährigen „EU Dialogue – Driving Positive Change in the Meetings Industry“ war sehr hochkarätig und auch wissenschaftlich besetzt. Ich könnte einen Einblick in die Praxis geben, der sich jedoch auf den Blick unserer Mitglieder und des Verbandes beschränkt. Aufgrund meines persönlichen Hintergrunds und meiner Erfahrungen in den letzten Monaten würde ich zum Thema „Wahrnehmung der Veranstaltungs-Centren in der Öffentlichkeit und Politik“ sprechen. Dieser Beitrag sollte einerseits wachrütteln, um eine noch bessere Wahrnehmung erreichen zu können, aber auch Wege aufzeigen, wie dies erreicht werden kann.