Europäische Union
Ins Gespräch kommen
Parlamentsmitglied Istvan Ujhelyi aus dem Committee Transport and Tourism empfängt die Delegierten der Meetingwirtschaft im Europäischen Parlament und spricht beim EU Dialogue. Foto: visit.brussels, Jean-Paul Remy
Parlamentsmitglied Istvan Ujhelyi aus dem Committee Transport and Tourism empfängt die Delegierten der Meetingwirtschaft im Europäischen Parlament und spricht beim EU Dialogue. Foto: visit.brussels, Jean-Paul Remy
Die Europawahlen rücken näher. Nur erscheint vielen Bürgern und nicht wenigen Eventprofessionals die Europäische Union weit weg. Dabei beeinflussen das Europäische Parlament und die Europäische Kommission unser (Berufs-)Leben täglich. Der EU Dialogue und das EU-Projekt BEFuture bauen Brücken nach Brüssel und untermauern die Rolle der Tagungsindustrie in der nachhaltigen Transformation.
Europa wählt. 370 Millionen Bürger in 27 Ländern der Europäischen Union sind vom 6. bis 9. Juni 2024 aufgerufen, die 705 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu bestimmen. Angesichts eines Kriegs in Europa sei an die Gründungsidee der EU nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert: die Mitglieder über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verbinden und kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Heute garantiert der EU-Binnenmarkt den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital und schafft damit vier Freiheiten für Menschen und Märkte. Kongresse und Messen bieten der Wissenschaft und Wirtschaft die Plattformen für den Austausch. Damit tragen sie einen wichtigen Teil zu Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Wohlstand in der Europäischen Union bei – erst recht zu deren Umbau zu einem klimaneutralen Wirtschaftsraum bis 2050.
Foto: tw tagungswirtschaft
"Use your vote”
Die Initiative „Use your vote“ schafft Aufmerksamkeit für die Europawahlen 2024. Sie stellt ein Toolkit bereit, damit wir alle für die Wahlen werben und für Demokratie eintreten können, und sucht das Gespräch auf Veranstaltungen wie dem EU Dialogue.
EU Dialogue – driving positive change
Von der strategischen Rolle der Veranstaltungswirtschaft für Europa hinsichtlich Innovation und Transformation bis hin zu ihren operativen Herausforderungen: darum geht es beim EU Dialogue – Driving Positive Change in the Meetings Industry am 17. April 2024 in Brüssel. Die offizielle Veranstaltung im Rahmen der belgischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert visit.brussels zusammen mit dem Dachverband Joint Meetings Industry Council (JMIC), der City Destinations Alliance (CityDNA) und der European Exhibition Industry Alliance (EEIA).
Als die Regierung der Region Brüssel zur belgischen Ratspräsidentschaft eine Konferenz zum Tourismus anfragt, schlagen die Mitarbeitenden von visit.brussels das Thema Meetingindustrie vor. Ihre Idee wird angenommen. Es beginnt eine großartige Zusammenarbeit mit den Teams der belgischen Ratspräsidentschaft und den Fachverbänden, erzählt Elisabeth Van Ingelgem, Director Convention & Association Bureau: „Das Hauptziel dieser Veranstaltung ist es, das Bewusstsein für unseren Sektor zu schärfen und einen Dialog mit den europäischen Behörden zu beginnen.“
Das ist umso bedeutsamer, als die Meetingindustrie weder beim Europäischen Parlament noch der Europäischen Kommission einen festen Ansprechpartner hat, geschweige denn einen festen Ort in einer der Generaldirektionen und den vielen Departments. Der EU Dialogue im Kongresshaus Sparks bringt in 13 Sessions mit 52 Speakers knapp 200 Teilnehmer aus 15 Ländern ins Gespräch. Unter ihnen sind 13 Europapolitiker wie aus der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (GD Grow). Die EU-Repräsentanten geben sich nahbar und beschränken ihre Teilnahme nicht auf die Panels, sondern suchen das Gespräch in den Pausen.
Photo: visit.brussels, Jean-Paul Remy
The programme of the EU Dialogue – Driving Positive Change in the Meetings Industry focuses on key themes for the meetings industry in Europe and its development into a positive impact sector:
- The importance of professional events for the European Union in terms of economic impact, innovation and trade
- Sustainability
- The EU Tourism Pathway
- Trade policy
- The sector's operational challenges
- The importance of better representation of the sector – data and statistics
„Solche hochrangigen Veranstaltungen steigern nicht nur die Einnahmen der Unternehmen auf dem gesamten Kontinent, sondern ermöglichen auch die akademische und wissenschaftliche Entwicklung dank des Ideenaustauschs in einem Raum voller Experten”, sagt in seiner Begrüßung Rudi Vervoort, Minister President of the Brussels Capital Region, zum Wert von Meetings für die Zukunft der Europäischen Union. Das bekräftigt in ihrer Eröffnungsrede Marta Gomes. Meetings sind ihr Leben, gesteht die Präsidentin der International Congress and Convention Association (ICCA) und meint jene Momente, in denen Menschen aus aller Welt wegen globaler Probleme zusammenkommen. Das sieht die stellvertretende Exekutivdirektorin von Viparis das ganze Jahr über in ihren zwölf Pariser Venues und schlussfolgert: „Europa ist ein weltweit führendes Reiseziel und Geschäftsveranstaltungen sind ein wichtiger Teil dieses Erfolgs.“
Strategic value of business events
Den „Strategic value of business events“ im Sinne von Wissensaustausch, Vernetzung und Zusammenarbeit erarbeitet die erste gleichnamige Session. Zu Beginn stellt James Latham, Founder, Producer, Publisher & Partnerships von The Iceberg, klar: „Meetings sind kein Tourismus!“ So reisen beispielsweise die Mitglieder der European Society for Medical Oncology im September nicht wegen der Kultur nach Barcelona, sondern zur Bekämpfung von Krebs. „We are change agents – not travel agents”, formuliert er die Funktion von Eventprofessionals.
„The business events sector builds and operates the marketplaces and meeting places for various industries to gather, exchange ideas, and create solutions for the pressing challenges we face today.“
James Rees, President of JMIC – The Joint Meetings Industry Council
Roland Bleinroth legt nach. Der President of the European Major Exhibition Centres Association (EMECA) tritt für die European Exhibition Industry Alliance (EEIA) auf, der Allianz aus EMECA und der Global Association of the Exhibition Industry (UFI) in Sachen Europa. Der Geschäftsführer der Messe Stuttgart weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Messen schaffen Märkte.“ Mit zwei von drei der internationalen Leitmessen in Deutschland und drei von vier in Europa nimmt Europa eine führende Position ein. „Das stellt einen erheblichen Vorteil für unsere europäischen Aussteller und Besucher dar und hat auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss auf die gastgebende Region und das Land. Wir müssen dies bewahren“, warnt Bleinroth. Angesichts der geopolitischen Herausforderungen sei es für Europa unerlässlich, wettbewerbsfähig zu bleiben. Er versichert: „Die EEIA ist seit vielen Jahren die Stimme unseres Sektors in Brüssel und wir freuen uns darauf, diesen wichtigen Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern fortzusetzen."
Am Tag vor dem EU Dialogue besucht eine Delegation das Europäische Parlament. Foto: visit.brussels, Jean-Paul Remy
Anders als die Meetingindustrie steht die Messewirtschaft mit den europäischen Institutionen seit zwölf Jahren in ständigem Kontakt – in Person von Barbara Weizsäcker. Der Zeitpunkt sei perfekt, um vor den Wahlen zum Europäischen Parlament den Mehrwert von Veranstaltungen und Ausstellungen zu präsentieren, meint die Generalsekretärin von EEIA und EMECA. Der EU Dialogue übertrifft ihre Erwartungen: „Wir haben ein noch nie dagewesenes Engagement in Diskussionen über die wichtigsten Herausforderungen, Politikbereiche und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation, Handel, Wirtschaftswachstum, grüner und digitaler Transformation an unseren eigenen Standorten und in allen Branchen, für die wir die Plattform bereitstellen, erreicht”, fasst Weizsäcker zusammen und fügt hinzu: „Wir haben mit unseren Kollegen aus dem Reise- und Gastgewerbe darüber diskutiert, wie wir das Ökosystem bis 2050 auf Netto-Null bringen und wie wir die Resilienz erhöhen können.“
EU trade policies' impact
Barbara Weizsäcker weiß, dass sich die Handelspolitik der Europäischen Union direkt auf die betroffenen Branchen und Regionen auswirkt und damit die jeweiligen Business Events. Sie moderiert den Panel “Bridging markets – EU trade policies' impact on business events”. Ein Beispiel ist seit der Pandemie die Visaknappheit für Teilnehmer, die zu Konferenzen und Ausstellungen nach Europa kommen wollen. Viele Bewerber aus Asien und Afrika scheitern schon daran, einen Termin im Konsulat zu bekommen. Tomislav Tadic, Teamleader in der Visa Policy Unit der DG Home, räumt die Verzögerungen ein. Sein Team arbeitet daran und bereist die Konsulate. Dort bemerkt er positive Veränderungen bei der Visa-Vergabe, gibt aber zu bedenken, dass es herausfordernd sei Anfragen zu priorisieren: „Was ist wichtiger: ein Visum für eine Messe oder eine Veranstaltung, ein Besuch bei der Familie oder eine Reise als Tourist?“
„Navigating green policies, the meetings industry path to a sustainable future“ heißt die Sitzung zur klimaneutralen EU-Wirtschaft bis 2050 und den Herausforderungen hinsichtlich von Infrastruktur und Investitionen, Rechtsvorschriften und Berichterstattungspflichten. Astrid Bartels, Leiterin der Unit Access to Finance bei der European Commission, informiert über das EU Sustainable Finance Framework und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Bei den Berichtsstandards für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nimmt sie das Publikum in die Pflicht: Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt freiwillige Standards für KMUs und lädt bis 21. Mai 2024 ein zur „Public consultation on new Sustainability Reporting Standards for SMEs under the CSRD”.
BEFUture and the European Green Deal
In der Session „EU Tourism Pathway, embracing green and digital transition for a more resilient meetings industry” präsentiert Marie-Hélène Pradines das Programm EU Tourism Pathway. Die Leiterin der Unit Tourism & Textiles bei der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU will wissen: Wer hat schon von dem Programm gehört? Und wer hat es gelesen?
Sònia Serracarbassa ist eine der wenigen, die zwei Mal ihre Hand hebt. Die Direktorin des Catalunya Convention Bureau hat sich ausgiebig mit den EU-Programmen befasst und ein großes EU-Projekt für die Meetingindustrie gewonnen: BEFuture. BEFuture will ein neues Geschäftsmodell für Business Events schaffen, das auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Inklusion und Resilienz basiert. Die EU fördert das 30-monatige Programm mit vier Millionen Euro. „BEFuture trägt in vielerlei Hinsicht zu den Tourism Transition Pathways bei, etwa durch die Integration nachhaltiger Praktiken im Bereich MICE, die Betonung der Umweltverantwortung, die Minimierung des CO2-Fußabdrucks und die Förderung regenerativer Praktiken“, erläutert Sònia Serracarbassa. Dadurch spiele BEFuture eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für den europäischen Tourismus und trage dazu bei, dass die Europäische Kommission ihre Ziele für die nachhaltige Transformation im Tourismus erreiche und damit für den European Green Deal.
Photo: Catalunya Convention Bureau
“We are zooming into the future”
Sònia Serracarbassa is director of the Catalunya Convention Bureau and in the lead for the European project BEFuture. In the interview she speaks about the transformation of Europe’s business events sector and a new business model for events, plans for IMEX 2024 and an invitation for event professionals to join in.
Der EU Dialogue war für sie ein sehr interessantes wie wichtiges Treffen. BEFuture betrachtet sie als eine gute Referenz und einen wichtigen Aktivposten beim EU-Dialog, da es das erste Projekt für die Veranstaltungswirtschaft ist, das in einer Ausschreibung des Binnenmarktprogramms als förderungswürdig anerkannt wurde. Bisher sind nur Projekte im Freizeittourismus unterstützt worden. Serracarbassa: „Daher bedeutet das BEFuture-Projekt einen großen Schritt vorwärts für die Anerkennung der Meetingindustrie als Beitrag zu den EU-Prioritäten im Zusammenhang mit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Nachhaltigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen.“
„Heute ist der Begriff der positiven Wirkung in aller Munde. Die Konferenz hat gezeigt, was Impact für die Meetingindustrie bedeutet. Wir haben jetzt eine klare Vorstellung davon, wie die Branche dazu beitragen kann, Veranstaltungen zu organisieren, die die Vorzüge eines Reiseziels, sein intellektuelles Kapital und seine Infrastruktur hervorheben und gleichzeitig seinen Gesamteinfluss auf mehr Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration maximieren, aber auch auf eine Branche, die sich sozialer und ökologischer Fragen bewusst ist und bereit ist, ihre Arbeitsweise nachhaltig zu verändern“, resümiert Patrick Bontinck, CEO von visit.brussels. Für Elisabeth Van Ingelgem ist es eine Geschichte, die fortgeschrieben werden muss. Bleibt zu hoffen, dass ihre Peers in Budapest und Warschau den EU Dialogue zur ungarischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2024 oder spätestens zur polnischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2025 fortsetzen.