Convention4u
Wirkungsvolle Community
Alpin-Yoga vor Beginn der Jahreskonferenz Convention4u im Tiroler Bergdorf Alpbach: Die Teilnehmer kommen in die eigene Kraft – und das gemeinsam. Foto: Austrian Convention Bureau, taibonfotografie.at
Alpin-Yoga vor Beginn der Jahreskonferenz Convention4u im Tiroler Bergdorf Alpbach: Die Teilnehmer kommen in die eigene Kraft – und das gemeinsam. Foto: Austrian Convention Bureau, taibonfotografie.at
Alpbach in Tirol hat sich einen Namen als Dorf der Denker gemacht. Das verdankt es dem European Forum Alpbach, zu dem im Spätsommer 5.000 Teilnehmer anreisen, um die Köpfe für Europas Zukunft zusammenzustecken. Es ist der richtige Ort für die Convention4u 2023. Beim Tagungslabor des Austrian Convention Bureaus stimmt einfach alles: das Thema Transformation, die Teilhabe und das Miteinander, um gemeinsam ins Tun zu kommen.
Wer mit dem Zug nach Wörgl in Tirol fährt und weiter mit dem Bus nach Alpbach und die letzten Meter zum Congress Centrum Alpbach zu Fuß aufsteigt, den begleiten auf Tritt und Schritt die Kitzbüheler Alpen. Die Gratlspitze mit 1899 Metern macht als Hausberg Alpbachs Bewohnern und Besucher klar, wer hier die Herrin im Haus ist: die Natur. Und so überrascht es nicht und doch, dass das Congress Centrum Alpbach in den Berg gebaut ist, um den traditionellen Holz-Baustil des Tiroler Bergdorfs nicht zu stören. Dass die 3.000-Seelen-Gemeinde ein Kongresshaus hat, verdankt sie dem Europäischen Forum Alpbach.
Europäisches Forum Alpbach 2023: Bold Europe
Europa steht vor großen Herausforderungen, darunter die ökologische Wende und die Stabilisierung von Wirtschaft und Demokratie. Das European Forum Alpbach 2023 bietet Raum für Innovation und Diskussion, um Europa zu stärken, und setzt vom 19. August bis 2. September 2023 das Generalthema „Bold Europe“ mit vier Unterthemen:
- Rallying for Climate Action
- Fighting for Europe's Economic Sovereignty
- Securing Europe in a Multipolar World
- Reinforcing Democracy in Europe
Gekommen ist das, weil sich 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg eine Gruppe Österreicher aus dem Hochschulbereich mit anderen Studenten treffen will, um Europa neu zu denken. „Zwei von ihnen sind aus Alpbach und laden ein, denn die Talschlussgemeinde bietet Schutz“, erzählt Thomas Kahn, Geschäftsführer des Congress Centrums Alpbach. Die Zahl der Teilnehmer steigt Jahr für Jahr. Heute sind es rund 5.000. Aus den Internationalen Hochschulwochen Europas von Otto Molden und Simon Moser wird 1949 das Europäische Forum Alpbach, aus dem Gasthof 1950 das Kongresshaus Alpbach, das 1999 durch das Congress Centrum Alpbach ersetzt wird.
Nach seinem Anbau in 2016 bietet das Congress Centrum Alpbach auf 2.800 Quadratmetern zehn modulare Räume, benannt nach den Teilnehmern und Rednern des Europäischen Forums Alpbach. Hausherr Kahn weiß, dass es viele schöne Kongresshäuser in der Welt gibt, doch seines ist – nicht nur für ihn – besonders. „Was gibt einen besseren Anlass, als inmitten der Natur über Nachhaltigkeit zu sprechen?“ fragt er und fügt hinzu: „Wenn wir Menschen zusammenbringen, um über die Zukunft zu sprechen, müssen wir über Nachhaltigkeit sprechen.“
Transformation auf gutem Grund
Dieser Logik folgt das Austria Convention Bureau (ACB), um sein 30-jähriges Jubiläum zu begehen und seine 14. Convention4u. Die Jahreskonferenz versteht sich als Tagungslabor der österreichischen Meetingindustrie und trifft sich vom 3. bis 5. Juli 2023 zum Motto „Zurück zur Zukunft – Erfahrung und Tradition küsst Mut und Innovation“ oder, in einem Wort, zum Thema Transformation.
„Die Convention4u als Labor der österreichischen Tagungswirtschaft avanciert mehr und mehr zum Gamechanger für die Branche“, erklärt Gerhard Stübe. Der Präsident des Austrian Convention Bureaus ergänzt: „Das Format transformiert Teilnehmende zu Teilgebenden und Vortragende zu Mitdiskutierenden und Lernenden. So entsteht eine wirkungsvolle Community.“
Die knapp 200 Teilnehmer übertreffen selbst Stübes Erwartungen. Ihn freut, dass neben den bekannten Mitgliedern viele neue und junge Gesichter zu sehen sind. „Es freut uns sehr, dass unsere Community wächst und immer mehr neue Teilnehmer:innen daran interessiert sind, aktiv die Zukunft unserer Branche zu gestalten und an der hohen Qualität von Kongressen und Tagungen in Österreich zu arbeiten“, bekräftigt ACB-Geschäftsführerin Michaela Schedlbauer-Zippusch, selbst Vertreterin der jungen Generation.
Beim Get2gether auf der Dachterrasse des Congress Centrums Alpbach auf Einladung des Convention Bureaus Tirol nehmen die Teilnehmer die Vorspeise ein, kehren danach in sieben Gruppen in verschiedene Alpbacher Hotels und Gasthöfe zum Hauptgang ein und finden sich zum Dessert wieder auf der Terrasse ein. Foto: tw tagungswirtschaft
Green Meeting als Grundlage
Für 70 Teilnehmer ist es die erste Convention4u. Die überwiegend jungen Leute werden in der Onboarding-Session in die österreichische Kongresslandschaft eingeführt und mit dem österreichischen Umweltzeichen für Green Meetings und Green Events vertraut gemacht. Wie das Europäische Forum Alpbach wird die Convention4u im Congress Centrum Alpbach als Green Meeting durchgeführt. Schließlich will Österreich bis 2040 klimaneutral werden.
Barbara Dusek vom Verein für Konsumenteninformation stellt das Umweltzeichen und seine Kriterien vor, darunter Mobilität, Venue, Catering, Beschaffung, soziale Kriterien und Kommunikation. Zur Mobilität, die mit den An- und Abreisen für den höchste CO2-Anstoß steht, befragt sie die Teilnehmer zu ihrer Anreise. Knapp zwei Drittel haben Bahn oder Bus genommen, ein Viertel das Auto, ein Zehntel hat eine Fahrgemeinschaft gebildet.
Österreichs Umweltzeichen für Green Meetings
Das österreichische Umweltzeichen für Green Meetings und Green Events kennzeichnet Veranstaltungen, die sich durch erhöhte Energieeffizienz, Abfallvermeidung und umweltschonende An- und Abreise der Gäste auszeichnen. 1.495 Umweltzeichen Green Meetings und 505 Umweltzeichen Green Events wurden bisher ausgestellt. Das Label soll als Vorlage für den geplanten Blauen Engel für Green Events in Deutschland dienen.
Nach der Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit geht es um die Hürden im Green Event Management. Die Abstimmung per Wortwolke stellt hierbei die Kosten und die Zeit groß heraus. Dusek und ihre Ko-Referentinnen gehen in drei Gruppen auf die Herausforderungen ein. Fragen zum nachhaltigen Betrieb und zur Energieversorgung beantworten Thomas Kahn und seine Kollegen beim anschließenden Rundgang durch das Congress Centrum Alpbach. „Unsere Geothermie-Anlage heizt und kühlt. Das kostet uns keine 6.000 Euro im Jahr“, sagt Thomas Kahn angesichts hoher Energiepreise gelassen.
Die Convention4u wird seit Beginn vor 14 Jahren als Green Meeting durchgeführt und findet im Congress Centrum Alpbach und Convention Bureau Tirol nachhaltige Partner. Beide sind Lizenznehmer des Umweltzeichens und können Veranstaltungen als Green Meeting zertifizieren. Für Veronika Schumann gehört Nachhaltigkeit zum Selbstverständnis. Die Teamleiterin des Convention Bureau Tirol wirbt für Destinationen mit kurzen Wegen, in denen keine Transfers entfallen, weil alle zu Fuß gehen. Neben der Zertifizierung der Convention4u als Green Meeting zieht sich das Thema nachhaltige Transformation als roter Faden durch das Programm, das die Teilnehmer einbindet und verbindet.
Innovative und interaktive Formate
Foto: Austrian Convention Bureau, taibonfotografie.at
- Alpin-Yoga: Der erste Kongresstag beginnt mit Yogaübungen auf der Wiese des Congress Centrums Alpbach.
- Ge(h)spräche: Der zweite Kongresstag startet mit angeleiteten Ge(h)sprächen beim Spaziergang durch das Bergdorf Alpbach.
- Fishbowl auch Innen-/Außenkreis-Methode: Die Sitzordnung gibt der Diskussionsmethode für Gruppen ihren Namen: Sie gleicht einem Goldfischglas, um das die Teilnehmer im Kreis herumsitzen. Das Panel bildet den Kreis in der Mitte. Ein Platz bleibt frei. Die Teilnehmer können diesen freien Platz jederzeit einnehmen und sich in die Diskussion einbringen.
- Elevator Pitches für Workshops: Die Speaker werben in zwei Minuten für ihr Thema.
- Active Listening: Die Teilnehmer stellen die Stuhlreihen um in Vierer-Sitzgruppen. Eine Person spricht sechs Minuten zu den Fragen: Wer bin ich? Und warum bin ich hier? Die anderen drei hören zu. Danach darf jeder der drei Zuhörer eine Minute lang Fragen stellen. Danach kommt der Nächste dran. Es ist ein Format, um Vertrauen zu erzeugen.
- Pecha Kucha (japanisch, meint: „dauernd quatschend, andauernd redend“): Eine Vortrags-, Präsentationsmethode, bei der jeder Speaker genau 6,4 Minuten spricht und genau 20 Folien zeigt.
- Open Space: Selbstorganisierte Gruppen gehen in den Austausch zu ausgewählten Themen, um gemeinsam ins Tun zu kommen.
Der Hebel des Wandels: Du
In ihrer Keynote „Den Wandel umarmen, ins Handeln kommen“ erklärt Nora Wilhelm die Grundsätze der Transformation. Es gehe darum, in der Spannung von Realität und Vision zu wirken. „Wenn wir den nötigen systemischen Wandel ausgemacht haben, was hindert uns?“, fragt die Mitbegründerin der collaboratio helvetica. Sie weiß: „Je mehr ich in ein System investiert bin, desto weniger will ich ein anderes System.“ Damit fehle es an der Bereitschaft zur Veränderung. „Der Hebel des Wandels liegt bei mir, im Team, in der Organisation, in der ich tätig bin“, meint Wilhelm und reiche bis in das jeweilige Land und in die Welt. Nur der persönliche Wandel führe zum Wandel des Systems. Ansätze, wie sich Ursachen angehen lassen und sich mit Komplexität umgehen lässt, sieht sie im Bottom-up mit inklusiven, partizipativen und ko-kreativen Strategien. Dafür brauche es mehr und neue Formen der Zusammenarbeit und starke Visionen. Nora Wilhelm: „Wenn ihr drei Worte mitnehmt, dann Curiosity (Neugier), Compassion (Mitgefühl), Courage (Mut)“.
„Wenn ihr drei Worte mitnehmt, dann Curiosity (Neugier), Compassion (Mitgefühl), Courage (Mut).“
Nora Wilhelm, Mitbegründerin der collaboratio helvetica
Die Fishbowl-Diskussion im Anschluss daran greift das Thema Transformation auf. Die Teilnehmer werden zu Teilgebern, indem sie den freien Platz im Panel einnehmen und sich mit ihren Gedanken und Fragen einbringen. Lisa fragt sich und die anderen, wie sie in die Transformation kommt, Gerhard befindet sich mit seinem Unternehmen in einem Transformationsprozess und rät, einfach zu starten und sich Sparringpartner zu suchen. Christine wünscht sich Spielraum und Zeit. Die Teilnehmer kommen in einen regen Austausch, doch franst dieser ob des weiten Themenfelds Transformation aus.
Miteinander und voneinander lernen
Konkreter sind die fünf Workshops etwa zu angewandten Transformationsstrategien, Lösungsfindung via Lego Serious Play oder zu innovativem Eventdesign. In den Elevator Pitches werben die fünf Referenten für ihre Themen wie „Herausforderungen benennen, Lösungen finden“ oder „Eine Frage von Format, Innovatives Eventdesign für Gen Z“.
„Ihr seid die Mutigsten, ihr guckt auf das System“, eröffnet Nora Wilhelm das Thema Angewandte Transformationsstrategien. Ihre zwei Workshops betrachten die Systemebene und die Organisationsebene. Für die Systemebene füllen die Teilnehmer die Ecosystem Map aus, definieren das System, Akteure, Regeln, Resultate und Ressourcen. Sie identifizieren Hindernisse wie fehlende Kommunikation und Kooperation. An den Tischen werden gemeinsam systematische Lösungen gesucht, was sich als komplex erweist. Anders die Organisationsebene, das eigene Unternehmen. Die Herausforderungen sind schnell ausgemacht: Fachkräftemangel, Kommunikation und knappe Ressourcen. Sie werden anhand von zwei Modellen bearbeitet: The Impact Loop Canvas und The Iceberg Model.
In den fünf Workshops ist Gruppenarbeit gefragt. Hier geht es um die Lösungsfindung via Lego Serious Play. Foto: Austrian Convention Bureau, taibonfotografie.at
Kurzweilig und lehrreich ist die Pecha-Kucha-Session. Die sechs Speaker reden in genau 6,4 Minuten über 20 Folien zu „Bestenfalls – Case Studies gelungener Transformation in der Tagungsbranche“. Die Fallbeispiele sind etwa „Nachhaltige Events erfolgreich umsetzen – Herausforderung und Lösungsweg“ oder „Blick hinter die Kulissen des Europäischen Forums Alpbach: zwischen Transformation und Tradition“.
„Open Data und KI“ ist das Thema von Matthias Schultze. Der Geschäftsführer des GCB – German Convention Bureaus bekennt: „Ich bin kein Experte für künstliche Intelligenz, aber wir müssen es alle werden.“ Er weiß, dass KI nur funktioniert, wenn die Daten maschinenlesbar sind, weshalb Open Data drei Schritte erfordere: Daten sammeln, Rechte klären und Daten bereitstellen. Das Projekt Open Data für MICE-Sektor der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und des GCB soll das alles leisten, damit Deutschlands Angebot sichtbar wird und der GCB-Chatbot Antworten parat hat auf die Fragen von Veranstaltern wie: Wie finde ich Destinationen, die zu den Inhalten meiner Konferenz passen?
„Ich schätze den Geist dieser Veranstaltung, dass ihr hier zusammenkommt, um Transformation voranzutreiben“, sagt Schultze zur Convention4u und sucht den Austausch mit Oliver Csendes. Der Chief Digital & Innovation Officer der Österreich Werbung (ÖW) spricht seinerseits über den Aufbau eines branchenweiten Open Data Space. Die beiden und ihre Organisationen wollen beim Thema Open Data zusammenarbeiten.
Auf Kooperation setzen
„Die Convention4u ist die Veranstaltung und das Highlight der heimischen Meeting-Industrie. Es wird hier gemeinsam gedacht, versucht, ins Labor zu gehen und zu fragen: Was brauchen wir für die Zukunft, welche Wege will man gemeinsam gehen? Und von daher ist es ein sehr, sehr essenzieller Part und auch die Österreich Werbung freut sich natürlich, hier ein Teil zu sein und diese Wege auch künftig zu unterstützen“, resümiert Sandra Neukart, Chief Operating Officer der Österreich Werbung.
Dass die Österreich Werbung künftig die Convention4u ko-finanzieren wird, gefällt ACB-Präsident Gerhard Stübe. Der aktuelle Meeting Industry Report Austria 2022 (mira) zeigt schließlich die Bedeutung der Veranstaltungswirtschaft auf. Letztes Jahr kam Österreich mit 20.843 Kongressen und Tagungen auf doppelt so viele Veranstaltungen wie 2021, was 83 Prozent des Volumens von 2019 mit 25.178 Tagungen entspricht. Die Zahl der Teilnehmer stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr sogar um 170 Prozent auf 1,35 Millionen und erreicht 77 Prozent des Niveaus von 2019 mit 1,76 Millionen.
„Die österreichische Tagungs- und Kongressindustrie hat sich als widerstandsfähig und wachstumsorientiert erwiesen“, kommentiert Stübe die Ergebnisse. „Jetzt gilt es, alle Marktteilnehmer*innen unserer Branche auf die neuen Herausforderungen im internationalen Wettbewerb vorzubereiten.“ Dafür bauen ACB und Österreich Werbung ihre Kooperation aus. „Internationale Kongresse bringen die höchste Wertschöpfung unter allen touristischen Angeboten. Deshalb ist es ein Gebot der Stunde, dass alle Anbieter*innen und Institutionen Österreichs kooperieren, um unseren Anteil an diesem Geschäft nicht nur zu verteidigen, sondern auch auszubauen“, begründen Sandra Neukart und Gerhard Stübe die gemeinsamen Anstrengungen. Die beiden wissen: „Die Transformation der Branche macht es notwendig, die Zusammenarbeit innerhalb der Branche neu zu denken und neue Wege zu beschreiten.“ Dazu lädt die Convention4u 2024 für 1. bis 3. Juli 2024 ins Palais Kaufmännischer Verein nach Linz ein.