
Circular Collective
Regionale Partnerschaften
Partner in der Region unterstützen kreislauffähige Projekte. Die Messearchitekten von imb troschke haben ihren Sitz im hessischen Mörfelden-Walldorf und sind damit keine 20 Kilometer von der Messe Frankfurt entfernt. Foto: imb troschke
Partner in der Region unterstützen kreislauffähige Projekte. Die Messearchitekten von imb troschke sitzen im hessischen Mörfelden-Walldorf und damit keine 20 Kilometer von der Messe Frankfurt entfernt. Foto: imb troschke
Das Team kreislauffähiger Messestand hat den Abfall beim Auftritt der tw tagungswirtschaft auf der IMEX 2024 weiter gesenkt und eine CO2e-Bilanz erstellt. Im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses stehen nun weitere Überlegungen an: Wie wählen wir nachhaltige Materialien aus und wie regionale Verbündete?
Vor der Fachmesse IMEX 2024 hat das Projektteam kreislauffähiger Messestand die Primär- und Sekundärmaterialien des Auftritts der tw tagungswirtschaft vom Vorjahr erhoben. Unter den Primärmaterialien waren beispielsweise der Ripsteppich mit 10,2 Kilogramm und die PE-Folie mit drei Kilogramm, unter den Sekundärmaterialien beschichtete und unbeschichtete Spanplatten mit 1.213,4 Kilogramm, eine Eisenplatte mit 270 Kilogramm und eine Tischlerplatte mit 235,3 Kilogramm. Alles in allem waren das 1.900,1 Kilogramm. 99 Prozent waren davon wiederverwertbar, ein Prozent (19,2 Kilogramm) war Abfall.
Für Dr. Christoph Soukup ist das ein sehr gutes Ergebnis. Der Kreislaufexperte von 2bdifferent, der Beratungsagentur für Nachhaltigkeit in der Veranstaltungswirtschaft, weiß, dass der geringe Abfall auf das Konto von Messearchitektin Andrea Walburg geht. „Diese Analyse hat uns vor Augen geführt, welche Materialien in den Kreislauf gehen und was genau entsorgt wird“, erklärt die Geschäftsführerin von imb troschke und ergänzt: „Uns ist es gelungen, die 19,2 Kilogramm Müll, die 2023 noch entstanden sind, 2024 noch mal zu minimieren – und zwar auf sechs Kilogramm.“
Dafür ersetzte Walburg beim diesjährigen Stand der tw tagungswirtschaft den Teppich durch eine Bodenplatte und bespannte die Vorderseite des Stands – und zwar nicht nur für das Jahr 2024, sondern auch für 2025. Walburg: „Das gesamte ‚neue‘ Material kam aus dem Fundus und ging auch wieder in den Fundus.“ Dass die Bilanz so positiv ausfällt, liegt auch daran, dass der tw-Stand bisher vier Mal eingesetzt wurde und 2025 zum fünften Mal eingesetzt wird. Walburg: „Das ist für uns als Kreislaufexperten eine perfekte Ausgangslage, um gemeinsam mit unseren Kunden eine langfristige Nutzung zu planen.“
CO2e-Emissionen
Nach der IMEX 2024 erhob das Team die Aktivitätsdaten des Auftritts der tw tagungswirtschaft, um die tatsächlich erzeugten CO2e-Emissionen zu messen. Dazu hat Clemens Arnold, Geschäftsführer bei 2bdifferent, alle Emissionen aus der Planung, Produktion und Umsetzung des Messeauftritts erfasst und nach dem international anerkannten Green House Gas (GHG) Protocol Standards kalkuliert. Das Ergebnis? Insgesamt erzeugte der Messestand auf der IMEX 2024 vom 14. bis 16. Mai 1.855 Kilogramm an CO2e. Davon entfielen 1.260 Kilogramm auf anteilige Materialnutzung, Mietmöbel, Transporte sowie Aufbau und Abbau und weitere 595 Kilogramm auf den Betrieb des Messestands, etwa durch die Übernachtungen des tw-Teams und des Standpersonals.
Summe Messestand 1.260 Kilogramm CO2e
- Messebau (Material bereits 4-fach eingesetzt) 580 Kilogramm CO2e
- Logistik Messestand 120 Kilogramm CO2e
- Mietmöbel 150 Kilogramm CO2e
- Übernachtung Mietmöbel 200 Kilogramm CO2e
- Logistik Mietmöbel 210 Kilogramm CO2e
Summe Betrieb 595 Kilogramm CO2e
- Übernachtungen tw-Team 210 Kilogramm CO2e
- Logistik Catering 255 Kilogramm CO2e
- Catering 80 Kilogramm CO2e
- Location 20 Kilogramm CO2e
- Speaker 15 Kilogramm CO2e
- Reinigung 15 Kilogramm CO2e
Der Stand der tw tagungswirtschaft erzeugte auf der IMEX 2024 insgesamt 1.855 Kilogramm CO2e; 1.260 Kilogramm CO2e für den Messestand und 595 Kilogramm für den Betrieb. Foto: tw tagungswirtschaft
Während Messearchitektin Walburg am tw-Stand beim Standbau bereits Verbesserungen erreicht hat, indem sie etwa den Teppich strich, ist nun das Team der tw tagungswirtschaft beim Betrieb des Stands gefragt. Schließlich entsteht ein Drittel der Emissionen durch die Anreise und Abreise nach Frankfurt, die Übernachtung und den Besuch der Messe. „Wir sehen uns die Positionen genau an. Dabei werden wir bei uns selbst beginnen, also die durch das tw-Team entstandenen Emissionen zu reduzieren“, sagt Simone Hammer, verantwortlich für Sales und Marketing bei der tw tagungswirtschaft und damit den Auftritt auf der IMEX. Rechnet man die entstandenen Emissionen auf die 34,5 Quadratmeter des Messestandes auf der IMEX 2024 um, ergibt sich pro Quadratmeter eine Belastung von 53,7 Kilogramm CO2e. „Dabei fielen auf den baulichen, also den physischen Teil 36,5 Kilogramm und auf den Betrieb des Standes 17,2 Kilogramm CO2e“, macht Messearchitektin Walburg deutlich.

Foto: imb troschke
„Uns ist sehr bewusst, dass wir mit Mehrfachnutzungskonzepten und der Ausrichtung auf die neun R – Rethink, Refuse, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Repurpose, Recycle, Regenerate – vorerst keine Designpreise gewinnen. Doch der Umwelt kommt unser unternehmerischer Fokus auf Kreislaufwirtschaft zugute.“
Andrea Walburg, Geschäftsführerin imb troschke
Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz
Studien wie der Circularity Gap Report 2024 weisen immer wieder auf den Zusammenhang von Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz hin. Die Analysen kommen auf eine Größenordnung von 40 bis 70 Prozent der CO2-Emissionen, die durch einen anderen Umgang mit Ressourcen und Dingen, also Kreislaufwirtschaft, eingespart werden könnten. „Ein derart optimierter Stand wie der tw tagungswirtschaft auf der IMEX 2024 mit sechs Kilogramm Abfall bei einem Materialeinsatz von zwei Tonnen ist demnach auch in Sachen CO2 optimiert, aber natürlich nicht völlig ohne Emissionen“, ordnet Dr. Christoph Soukup das Ergebnis ein und veranschaulicht das mit einem Bild: „Das ist vielleicht vergleichbar einem Teich, in dem Wasser abgelassen wird: Es zeigen sich Dinge, die wir sonst nicht sehen, die ansonsten untergehen würden.“ Dem Kreislaufexperten fällt etwa der mit über zehn Prozent relativ hohe Anteil an den CO2-Emissionen auf, den die Übernachtung der Möbelvermieter verursacht. „Das hätte man ja so nicht erwartet. Dieser Wert wäre bei einem konventionelleren Stand vom Anteil her deutlich kleiner gewesen, weil eben nicht gut 50 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter anfallen, sondern möglicherweise das Doppelte oder Dreifache.“ Um das Ergebnis zu verbessern, sieht Soukup drei Hebel, an denen sich ansetzen lässt: Optimierung der CO2-Hotspots, Auswahl der Materialien und die Bedeutung der Regionalität.
Optimierung der CO2-Hotspots
„Bei den Fragen, die sich beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess stellen, gerät man unweigerlich in Dilemmata, bei denen es keine ganz einfachen Antworten mehr gibt“, räumt Kreislaufexperte Soukup ein. Um beim Beispiel Mietmöbel zu bleiben, könne man den Anbieter wechseln und einen Vermieter suchen, der aus geringerer Distanz seine Möbel anliefert und somit die Übernachtung entfällt – damit werde jedoch die langjährig gewachsene Partnerschaft infrage gestellt. „Gerade unsere langjährigen Partnerschaften liegen uns am Herzen. Wir werden im Gespräch gemeinsam nach Lösungen suchen“, kündigt Simone Hammer an. „Man könnte die Anlieferung der Mietmöbel aber auch grundsätzlich überdenken und diese mit Anlieferungen für andere Kunden bündeln“, überlegt Soukup weiter. Ihm ist bewusst, dass das mehr Vorlauf in der Planung bedeutet und eine längere zeitliche Bindung der Mietmöbel, in der diese nicht anderweitig eingesetzt werden können. „Da müssen wir erfinderisch sein“, bekräftigt Messearchitektin Walburg und kommt mit einem Vorschlag: „Was wäre, wenn die Vermieter ihre Möbel mitbringen, wenn sie in der Nähe sind und diese bei uns lagern? Dann entfiele die Sonderfahrt.“ Da auf die Übernachtung immerhin ein Viertel der CO2e-Werte entfallen, stehen hier Überlegungen zu deren Minimierung an, indem man etwa auf Personal vor Ort setzt. Soukup schlägt vor, die Hotels nach ihren Nachhaltigkeitsbemühungen auszuwählen – oder besser, falls ausgewiesen, dem möglichst minimalen CO2-Fußabdruck. Für Simone Hammer und ihre tw-Kollegen ist das ein Aspekt, der bei den Buchungen für die IMEX 2025 berücksichtigt werden soll. Ebenso wie die Anreise mit der Bahn nach Frankfurt am Main und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vor Ort. Während sich die eigenen Mitarbeiter und die Dienstleister noch überschauen und direkt vom ausstellenden Unternehmen beeinflussen lassen, ist das bisher bei den internationalen Besuchern am Stand wenig möglich.
Auswahl der Materialien
Bei der Auswahl der Materialien gelten für Soukup ein paar Grundsätze: Sekundärmaterial, schon einmal gebrauchtes Material, ist Primärmaterial, frisch abgebautem, angefertigtem Material, vorzuziehen. Materialien aus regionalen Quellen sind vor Materialien von weiter weg vorzuziehen. Monomaterialien, die nur aus einem Werkstoff bestehen, sind Verbundmaterialien, die so miteinander verklebt, vermischt oder anderweitig verbunden sind, dass eine Trennung in ihre Komponenten anschließend nur schwer ist, vorzuziehen, denn Fügen und Schrauben ist besser als Kleben und Nieten. Ungiftige Materialien haben Priorität gegenüber giftigen Materialien.

Kreislaufwirtschaft beruht auf ein paar wenigen, eigentlich einfachen Prinzipien: Sekundär- vor Primärmaterial, regionales Material vor Materialien von weiter weg etc. Wenn man sie jedoch ernst nimmt, wird das in der Umsetzung mitunter ganz schön anspruchsvoll. Denn: Woher heute Sekundärmaterial in der gesuchten Qualität konkret nehmen (und nicht stehlen...)? Wie stellt man die Regionalität bei den verwendeten Materialien sicher, wo bisher nicht einmal die Lieferanten einen wirklichen Überblick darüber haben? Das kann und muss man erst Schritt für Schritt aufbauen.
Doch Vorsicht, meint Soukup: Einen Messestand wie den der tw tagungswirtschaft, der zur IMEX 2025 zum fünften Mal eingesetzt wird und durch den Wiedereinsatz seine CO2-Bilanz automatisch verbessert, den würde man nicht einstampfen, weil Materialien nicht alle und nicht durchgängig diesen Kriterien entsprechen. „Eines der edelsten Prinzipien intelligenter Kreislaufwirtschaft ist: Nutzen, was bereits da ist!“, erinnert er. Vielmehr sollten diese Prinzipien im Umgang mit Materialien für weitere Standbauprojekte angewendet werden, in denen zusätzliches Material eingebracht wird. Die Auswahl solcher Materialien ist aber noch immer kein Selbstläufer. So ist zum Beispiel PVC bekanntermaßen ein schwieriges Material, weil es so gut wie keine Recyclingfähigkeit aufweist und eben auch Gifte enthält. Gleichzeitig sind viele Produkte, besonders auch im Messebau, auf PVC basiert. Hier – funktionierende – Alternativen zu finden, ist immer noch mit Arbeit verbunden und manchmal auch noch nicht erfolgreich.
Kleine Materialkunde
- PVC (Polyvinylchlorid): PVC wird oft in Bannern und als Verkleidungsmaterial verwendet. Es enthält jedoch Phthalate, die gesundheitsschädlich sein können. Bei der Herstellung und Entsorgung können schädliche Chemikalien freigesetzt werden.
- Schaumstoffe wie Polystyrol: Oft in der Konstruktion von temporären Displays und Verpackungen verwendet, sind diese Materialien schwer zu recyceln und können bei unsachgemäßer Entsorgung zur Umweltverschmutzung beitragen.
- Bestimmte Arten von Klebstoffen und Lacken: Produkte, die hohe Mengen an flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) enthalten, können sowohl für die Umwelt als auch für die Gesundheit der Arbeiter schädlich sein.
- Verbundwerkstoffe: Materialien, die aus unterschiedlichen Komponenten bestehen, können schwierig zu recyceln sein, da sie nicht leicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden können. Z.B. Dibond hat eine Kernschicht aus Polyethylen, die zwischen zwei Aluminiumplatten eingeklemmt ist.
- Einwegmaterialien: Jegliches Material, das für den einmaligen Gebrauch konzipiert ist, ohne die Möglichkeit der Wiederverwendung oder des Recyclings, kann als negativ betrachtet werden, besonders wenn es aus nicht-nachhaltigen Quellen stammt.
- Acryl (Plexiglas): Wird häufig für Schilder und Displays verwendet. Acryl ist schwer recycelbar und produziert bei der Herstellung und Entsorgung schädliche Emissionen.
- Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK): Wird manchmal für strukturelle Elemente oder Möbel verwendet. GFK ist schwer zu recyceln und involviert in der Herstellung oft den Einsatz von Harzen und Lösungsmitteln, die umweltschädlich sein können.
Quelle: 2bdifferent
Bedeutung der Regionalität
Wie bei den Materialien gilt es bei der Regionalität genau hinzusehen. Soukup bringt ein Beispiel aus der Bauwirtschaft: Für Kies, beispielsweise für die Betonherstellung, ist ein über 50 Kilometer langer Transportweg, je nach Gegend, schon nicht mehr regional. Für Zement hingegen, mit nur etwas mehr als 30 Produktionsbetrieben in ganz Deutschland, ist ein Weg von 200 oder mehr Kilometern ins Betonwerk möglich, ohne die Regionalität zu verlieren. Nicht nur bei der Material-, auch bei der Lieferanten- und Partnerwahl gewinnt Regionalität an Bedeutung, wenn man die Abläufe in Kreisläufen organisieren will. Dass die Messearchitekten von imb troschke im hessischen Mörfelden-Walldorf und damit keine 20 Kilometer von Frankfurt am Main angesiedelt sind, ist im Fall der Fachmesse IMEX auf der Messe Frankfurt ideal. „Wir sind ein Unternehmen mit Sitz in der Peripherie der Messestadt Frankfurt“, informiert Andrea Walburg und fügt hinzu: „Wir setzen auf kurze Wege, langfristige Partnerschaften und auf lokales Netzwerk.“ Partnerschaften und regionale Netzwerke unterstützen Kreisläufe. Die Ausleihe von Dingen bei Partnerunternehmen vor Ort ist ein weiterer Ansatz. Dienstleister wie TrashGalore, die gebrauchten Materialien zu neuer Nutzung verhelfen, können ihr Angebot nur realisieren, wenn genügend Material da ist, für das Nachsorge getroffen werden muss. „Bei einem optimierten Stand wie der tw tagungswirtschaft jedoch fällt zu wenig an Material ab, als dass sich ein Einsatz lohnen würde“, befindet Soukup und fügt hinzu: „Hier könnte wieder durch Konsolidierung über mehrere Auftraggeber ein sinnvolles Volumen entstehen. Auch dafür braucht es eine regionale Kollaboration.“ Die Koordination könnte ein Messeveranstalter oder ein Messegelände übernehmen, d.h. der kontinuierliche Verbesserungsprozess muss über das Team kreislauffähiger Messestand hinaus erfolgen.
Der kreislauffähige Messestand
Die CSR-Agentur 2bdifferent, die Messearchitekten imb troschke und die tw tagungswirtschaft der dfv Mediengruppe planen den tw-Stand auf der IMEX 2024 in Frankfurt nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Das Projekt begleitet die Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Veranstaltungsmanagement. Ansprechpartnerin ist Prof. Dr. Kim Werner. Betrachtet werden alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial und ökonomisch) und ihre Handlungsfelder. Das Projekt ist als Pilot für die Veranstaltungswirtschaft gedacht, transparent angelegt und wird von 2023 bis 2026 crossmedial aufbereitet. Ansprechpartner sind Dr. Christoph Soukup und Jürgen May von 2bdifferent, Andrea Walburg von imb troschke, Simone Hammer und Kerstin Wünsch von der tw tagungswirtschaft.