
Circular Collective
Neues DBU-Projekt

Die Partner des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten neuen Projektes „Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft“ beim Kick-off-Meeting im Januar. Bild: tw tagungswirtschaft, Kerstin Wünsch
Die Partner des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten neuen Projektes „Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft“ beim Kick-off-Meeting im Januar. Bild: tw tagungswirtschaft, Kerstin Wünsch
Auf Messen werden Produkte ausgestellt und neue Märkte erschlossen, es entstehen aber auch Müll und Emissionen. Zirkuläre Geschäftsmodelle helfen Abfälle zu reduzieren, zu recyceln und zurückzugewinnen. Wie das geht, untersucht das von der Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft und entwickelt Handlungsempfehlungen für kleinere und mittlere Unternehmen. Das Pilotprojekt „kreislauffähiger Messestand“ ist eingebunden.
Das Messeland Deutschland beheimatet im Jahr 350 bis 380 internationale, nationale und regionale Messen mit rund 16 Millionen Besuchern. Dabei entstehen an den 70 deutschen Messeplätzen Abfälle und Emissionen, was eine große Herausforderung darstellt. Die eng getakteten Messezyklen erschweren die Trennung von Müll und die Wiederverwertung. Von den recycelbaren Materialien wird schätzungsweise nur ein Prozent nach der Messe Stoffkreisläufen zugeführt.
Die Kreislaufwirtschaft ist sehr entscheidend, wenn Deutschland sein Ziel einer Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 erreichen will, weiß Dr. Melanie Kröger aus dem Referat Zirkuläre Wirtschaft und Bioökonomie bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). In Deutschland stammt fast ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen aus der Industrie, wobei davon allein die Produktion von Stahl, Beton, Zement und Kunststoffen für die Hälfte verantwortlich ist. Durch eine verbesserte Ressourceneffizienz, eine hochwertige Wiederverwertung und ein intelligentes Produktdesign könnten die Emissionen in diesen Sektoren um 30 bis 50 Prozent reduzieren werden.
„In der Messewirtschaft findet das Thema Kreislaufwirtschaft bislang jedoch lediglich am Rande Beachtung, und die deutsche Messelandschaft ist nach wie vor von linearem Denken und Handeln geprägt“, beobachtet Kröger. Dabei tragen Messen zu Ressourcenverbrauch und umweltschädlichen Emissionen in Deutschland bei. Kröger: „Die meisten Gegenstände und Materialien werden häufig lediglich für die einmalige Nutzung erstellt und unmittelbar nach Messeende vernichtet.“

Foto: DBU
„Die Circular Economy bietet große Chancen für Innovation“
Dr. Melanie Kröger, Referat Zirkuläre Wirtschaft und Bioökonomie bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), über die Circular Economy und den Klimaschutz, Messen und Materialschlachten, das Projekt Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft, Praxisempfehlungen und zirkuläre Geschäftsmodelle.
Diese Thematik beschäftigt auch Prof. Dr. Kim Werner und Prof. Dr. Kai-Michael Griese an der Hochschule Osnabrück. Die beiden Professoren haben deshalb bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Projekt Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft eingereicht. Mit Erfolg: Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert das Projekt von Dezember 2024 bis November 2026 mit knapp 150.000 Euro. Kai-Michael Griese, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement, umreißt das DBU-Projekt in einem Satz: „Wir wollen zirkuläre Geschäftsmodelle in der Messewirtschaft hinsichtlich deren Ressourceneffizienz und Umweltentlastung in Verbindung mit dem Nexus-Ansatz analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen ableiten.“
Nexus-Ansatz mitdenken
Die Verknüpfung der Kreislaufwirtschaft mit dem Nexus-Ansatz verspricht hierbei neue Lösungen für die nachhaltige Nutzung von Ressourcen. Während die Kreislaufwirtschaft Abfälle durch Reduzierung, Recycling und Rückgewinnung von Materialien vermeiden will, setzt das Nexus-Konzept bei den Verflechtungen zwischen den Ressourcen an.

Der Messewirtschaft-Nexus bedeutet, dass die kreislauforientierte Messewirtschaft eng mit der Wasser-, Energie- und Rohstoffsicherheit verbunden ist. Grafik: Hochschule Osnabrück
Der Messewirtschaft-Nexus bedeutet, dass die kreislauforientierte Messewirtschaft eng mit der Wasser-, Energie- und Rohstoffsicherheit verbunden ist. Maßnahmen in einem Bereich können Auswirkungen auf einen der anderen oder beide Bereiche haben, beispielsweise werden Energie und Wasser benötigt, um Plastik zu recyceln. „Beide Konzepte sind bisher getrennt voneinander entwickelt worden. In unserem Projekt möchten wir die Potenziale und Synergien beider Konzepte nutzen“, betont Prof. Dr. Kim Werner, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Veranstaltungsmanagement, an der Hochschule Osnabrück.
Neue Geschäftsmodelle entwickeln
„Das Konzept der Kreislaufwirtschaft hilft Abfälle und Emissionen zu reduzieren, der zunehmenden Verknappung natürlicher Ressourcen entgegenzuwirken, innovative kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu entwickeln und vor allem Arbeitsplätze zu schaffen sowie langfristig Kosten für Veranstaltungen deutlich zu senken“, erklärt Kai-Michael Griese die Relevanz der Kreislaufwirtschaft, die im Gegensatz zum gegenwärtigen, linearen Wirtschaftsmodell stehe: der Wegwerfwirtschaft. Dass die beiden Kollegen ihr Augenmerk auf das Thema Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft richten, ist auch durch die Ziele des Europäischen Green Deal aus den Jahren 2019 und 2020 bedingt. „Mit dem Projekt wollen wir die Ziele des europäischen Green Deals unterstützen und nicht nur die Abfallwirtschaft, sondern gleich zu Beginn der Produktionskette beim Design von Messen ansetzen“, sagt Kim Werner. Das Projekt soll die Potenziale einer kreislauffähigen Messewirtschaft verdeutlichen: langlebigere und innovativere Materialien und Produkte, Kostenreduzierungen und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit, einen hohen Innovationsgrad und einen positiven Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zur Schonung von Ressourcen. „Der Vorteil ist, dass man in der Messewirtschaft ganz konkret – z.B. anhand eines Messestands – die Potenziale der Kreislaufwirtschaft aufzeigen kann“, weiß Kim Werner. Wichtig ist ihr, dass alle relevanten Akteure miteinbezogen werden.

Foto: Hochschule Osnabrück
„Auf Veranstaltungen kommen Menschen zusammen. Das birgt ein sehr hohes Potenzial, dass wir als Branche vielen Menschen zeigen, wie es anders gehen kann und wie wir gemeinsam zu einer nachhaltigeren Zukunft – nicht nur unserer Branche, sondern der Gesellschaft – beitragen können.“
Prof. Dr. Kim Werner, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Veranstaltungsmanagement, an der Hochschule Osnabrück
Barrieren abbauen
Dafür hat Werner erste Gespräche mit Messebauern geführt. Sie ergaben, dass nur wenige Kunden die initialen Kosten für zirkuläre Messestände tragen wollten. Zudem stünde der Zeitdruck bei Messeplanungen der langfristigen Planung für Kreislaufkonzepte – zumindest beim ersten Mal – entgegen. „Die Einführung eines zirkulären Konzeptes bedeutet einen hohen Aufwand, da alle Prozesse, Systemkomponenten, zugekaufte Teile und Services sowohl im Unternehmen als auch bei den Partnern detailliert auf Zirkularität geprüft werden müssen“, fasst Kim Werner zusammen. Sie schlussfolgert: „Diese Komplexität und das Fehlen der dafür nötigen Kompetenzen in den Unternehmen wirken als enorme Barriere.“ Im Rahmen des Projektes sollen Hindernisse identifiziert und überwunden werden.
Die Arbeitspakete
Das zweijährige DBU-Projekt hat zwei Arbeitspakete. In Arbeitspaket eins wird bis Februar 2026 die Bedeutung von zirkulären Geschäftsmodellen in der Messewirtschaft analysiert. Das geschieht durch eine Literatur- und Best-Case-Analyse, eine empirische Analyse mit der Befragung von Experten der Kreislaufwirtschaft zu Erfolgsfaktoren in der Messewirtschaft und einer Stakeholder-Analyse zur Einstellung zur Kreislaufwirtschaft von relevanten Gruppen wie den Konsumenten und Messebesuchern, Ausstellern, Messegesellschaften, Messeagenturen und -bauern und dem AUMA – Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft.
Das Arbeitspaket zwei sieht bis November 2026 Konzeptideen vor. In Phase eins erfolgt eine Stoffstrom-Analyse zur Erfassung von Stoff- und Materialströmen für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Diskutiert wird: Welche Materialien werden wo und mit welchem Energieaufwand für den Bau eines Messestandes benötigt und welche Mengen an Abfall, Emissionen, aber auch wiederverwertbare Materialien und Produkte fallen dabei an? Wie können nicht-zirkuläre Materialien in einen Kreislauf zurückgeführt werden? Im Sinne des Nexus-Ansatzes werden die Wasser-, Energie- und Lebensmittelnutzung gesondert betrachtet. In Phase zwei erarbeitet eine Agentur kreative Vorschläge zur Umsetzung, die beim Werkstattgespräch auf ihre Machbarkeit hin diskutiert und gegebenenfalls nachgebessert werden. In Phase drei fließen die Ergebnisse aller Analysen und der Fallstudienbetrachtung in Handlungsempfehlungen und in einen Leitfaden ein. Die Ergebnisse werden veröffentlicht und auf Fachveranstaltungen und Konferenzen vorgestellt. Damit der Transfer von der Wissenschaft zur Wirtschaft gelingt, ist die Orientierung an den konkreten Bedürfnissen der Verantwortlichen der Messewirtschaft elementar, weiß Professor Griese: „Unsere Ergebnisse müssen immer ein konkretes vorliegendes Praxisproblem lösen. Entsprechend ist es wichtig, die Akteure aus der Praxis sehr eng im Forschungsprozess zu integrieren.“

Foto: Hochschule Osnabrück
„Unsere Ergebnisse müssen immer ein konkretes, vorliegendes Praxisproblem lösen. Entsprechend ist es wichtig, die Akteure aus der Praxis sehr eng im Forschungsprozess zu integrieren.“
Prof. Dr. Kai-Michael Griese, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement, an der Hochschule Osnabrück
Partner aus der Praxis
Professorin Werner bekräftigt: „Wir führen das Projekt gemeinsam und sehr eng mit unseren Praxispartnern durch. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Know-how arbeiten wir an konkreten Lösungsvorschlägen, die sofort umsetzbar sind und die Praxis der Messewirtschaft nachhaltig verändern können.“ Die Praxispartner sind der AUMA – Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und die Mitglieder des Circular Collectives aus der CSR-Agentur 2bdifferent, die Messearchitekten imb troschke und die tw tagungswirtschaft. Ihr Pilotprojekt Kreislauffähiger Messestand will bis zur IMEX 2026 einen Messestand nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft realisieren.
Der kreislauffähige Messestand
Die CSR-Agentur 2bdifferent, die Messearchitekten imb troschke und die tw tagungswirtschaft der dfv Mediengruppe planen den tw-Stand auf der IMEX in Frankfurt bis zum Jahr 2026 nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Das Projekt begleitet die Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Veranstaltungsmanagement. Ansprechpartnerin ist Prof. Dr. Kim Werner. Betrachtet werden alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial und ökonomisch) und ihre Handlungsfelder. Das Projekt ist als Pilot für die Veranstaltungswirtschaft gedacht, transparent angelegt und wird crossmedial aufbereitet. Ansprechpartner sind Dr. Christoph Soukup und Jürgen May von 2bdifferent, Andrea Walburg von imb troschke, Simone Hammer und Kerstin Wünsch von der tw tagungswirtschaft.
Jürgen May, Gründer und Geschäftsführer von 2bdifferent, macht sich dafür stark, die veranstaltende Industrie einzubeziehen. „Wir müssen einen Dreiklang erzeugen, in dem die Kooperation zwischen den Messebauern, den Unternehmen, die die Aufträge vergeben, und den Messegesellschaften angemessen berücksichtigt wird.“ Ebenso müssten, so sein Kollege und Kreislaufexperte Dr. Christoph Soukup, die EU-Ziele zur Kreislaufwirtschaft beachtet und die EU-Regulatorik im Auge behalten werden. Messearchitektin Andrea Walburg weiß, dass viele Akteure von Ausschreibungen überfordert sind. Sie und die anderen Projektpartner teilen das Anliegen von Barbara-Maria Lüder, Managerin Recht, Steuern, Technik, Nachhaltigkeit beim AUMA: „Schlanke Umsetzungsvorschläge konzipieren und die Motivation bei den Praktikern für die Kreislaufwirtschaft erhöhen.“ Projektgeberin Dr. Melanie Kröger unterstützt die Einbeziehung von Praktikern. Schließlich zeichnen sich erfolgreiche DBU-Projekte durch ihre Innovationskraft, praktische Umsetzbarkeit und nachhaltige Wirkung aus. Kröger: „Im Idealfall gelingt im Rahmen eines DBU-Projektes erstmalig die praktische Umsetzung einer innovativen, umweltentlastenden Lösung.“