„Rebuilding trust“
Der Handschlag
“This is a time to build trust”, sagt Ursula von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Der Gründer und Vorstandsvorsitzende Klaus Schwab begrüßt die Präsidentin der Europäischen Kommission auf der großen Bühne mit einem Handschlag. Eine Geste mit großer Symbolkraft. Foto: World Economic Forum, Michael Calabrò
“This is a time to build trust”, sagt Ursula von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Der Gründer und Vorstandsvorsitzende Klaus Schwab begrüßt die Präsidentin der Europäischen Kommission auf der großen Bühne mit einem Handschlag. Eine Geste mit großer Symbolkraft. Foto: World Economic Forum, Michael Calabrò
Wenn eine Krise auf die andere folgt, verunsichert uns das. Unser Vertrauen gerät unter Druck und ist gefährdet durch Fehlinformation und Desinformation. Beides stuft das World Economic Forum im Global Risk Report 2024 als das größte Risiko ein. Vertrauen ist ein hochaktuelles Thema und eine Chance für die Veranstaltungswirtschaft: Veranstaltungen gelten als vertrauenswürdigste Informationsquellen und können helfen, Vertrauen (wieder-)herzustellen.
Stapelkrisen und globale Unsicherheiten stellen Regierungen, die Wirtschaft und Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Folgerichtig versammelt das World Economic Forum 2024 vom 15. bis 19. Januar die Mächtigen dieser Welt zum Generalthema “Rebuilding trust”. Das Annual Meeting in Davos soll die kollektive Handlungsfähigkeit der 2.800 Vertreter aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wiederherstellen, indem es den Dialog fördert, die Zusammenarbeit stärkt und Partnerschaften vertieft.
„Wir stehen vor einer zerrissenen Welt und wachsenden gesellschaftlichen Spaltungen, die zu allgegenwärtiger Unsicherheit und Pessimismus führen“, befindet Klaus Schwab. Der Gründer und Vorstandsvorsitzende des World Economic Forums, fügt hinzu: „Wir müssen das Vertrauen in unsere Zukunft wiederherstellen, indem wir über das Krisenmanagement hinausgehen, die Ursachen der gegenwärtigen Probleme angehen und gemeinsam eine vielversprechendere Zukunft aufbauen.“
„Wir müssen das Vertrauen in unsere Zukunft wiederherstellen.“
Klaus Schwab, Gründer und Vorstandsvorsitzender des World Economic Forums
Die sich auftürmenden Krisen führen bei den Menschen zu erhöhten Sorgen, Unsicherheiten und Ängsten, erklärt Professor Martin K.W. Schweer im Interview. Der wissenschaftliche Leiter des Zentrums für Vertrauensforschung (ZfV) an der Universität Vechta ergänzt: „Die Menschen unterscheiden sich jedoch darin, wie sie mit solchen Situationen umgehen. Wenn es im eigenen Erleben kaum noch Sicherheitsanker gibt, kann die Auseinandersetzung mit konstruktiven Lösungen schnell abreißen. Daher ist Vertrauen in solch krisenbeladenen Situationen umso wichtiger, zugleich aber umso stärker gefährdet.“
Veranstaltungen wie das Weltwirtschaftsforum können den so wichtigen Raum für den gemeinsamen Austausch schaffen, meint Schweer, weil hochkomplexe Herausforderungen im direkten Miteinander auf die Ebene des persönlichen Gesprächs gebracht werden. Schweer: „Es entstehen Eindrücke hinsichtlich der Menschen, auf deren gemeinsames Handeln man vertrauen mag.“
Foto: Universität Vechta, Schmidt
Interview Professor Martin K.W. Schweer
„Ohne Vertrauen sind wir handlungsunfähig“
Professor Martin K.W. Schweer ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Vertrauensforschung (ZfV) an der Universität Vechta. Im Interview spricht er über das hochaktuelle Thema Vertrauen und die Kultur des gemeinsamen Miteinanders, eine Chance für Veranstaltungsmanager und zentrale Fragen an die Veranstaltungswirtschaft.
Desinformation gefährdet Vertrauen
Gerade in Krisenzeiten ist unser Vertrauen gefährdet. Die 1.490 befragten Risikoexperten und Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft im Global Risk Report 2024 des World Economic Forums sehen für die nächsten zwei Jahre Fehlinformationen und Desinformation als größtes Risiko an, vor Extremwetterereignissen und sozialer Polarisierung. Im Superwahljahr 2024 gehen knapp drei Milliarden Menschen zur Wahl, sei es in Großbritannien oder den USA, in Bangladesch, Indien, Indonesien, Mexiko oder Pakistan. Ausländische und inländische Akteure würden falsche Informationen und Fake-News-Kampagnen verbreiten, um die gesellschaftlichen und politische Gräben zu vertiefen.
Die sozialen Medien haben der Online-Desinformation zum Durchbruch verholfen, schreibt Spencer Feingold in seinem Beitrag „The four key ways disinformation is spread online“. Der Digital Editor beim World Economic Forum beschreibt eine Ära nie dagewesener Vernetzung, eingeleitet durch die sozialen Medien. Social Engineering stelle den Rahmen für die Falschdarstellung und Manipulation von Ereignissen dar, Trolle, Spam-Bots und Konten mit falscher Identität verstärkten diese; Mikro-Targeting helfe, Zielgruppen zu identifizieren.
Teilnehmer auf dem World Economic Forum 2024 während der Session "Climate Risk @ the Global Collaboration Village" am 16. Januar 2024 im Global-Collaboration-Village-Raum im Kongresszentrum Davos. Foto: World Economic Forum, Sikarin Fon Thanachaiary
Deep tech requires deep trust
Das IBM Institute for Business Value untersucht die technologischen Entwicklungen und unterstreicht in seinem Bericht „5 Trends für 2024“ die Notwendigkeit von Vertrauen. Da das Tempo, die Tiefe und der Umfang der Technologie im Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI) rasant zunehmen, hängen alle fünf Technologietrends von Vertrauen ab“, so der Befund. 2024 sei das Jahr, in dem Führungskräfte ein Gleichgewicht zwischen Technologie und Vertrauen finden müssen. Dabei ist Vertrauen zu einem Unterscheidungsmerkmal geworden: 81 Prozent der Führungskräfte sehen Sicherheit, Gewissheit und Vertrauen als Unterscheidungsmerkmal ihrer Marke an. Das Fazit der Verfasser: „In einer Welt, in der die Nuancen des menschlichen Urteilsvermögens ein Gegengewicht zur Technologie bilden und diese ergänzen, ist Vertrauen die neue Geschäftswährung geworden."
5 Trends for 2024 by IBM: Maschinelle Intelligenz rückt Vertrauen in den Mittelpunkt
Alle fünf Trends für 2024 haben mit Vertrauen zu tun und beziehen sich auf unterschiedliche Bereiche in Unternehmen.
- Trend 1: Organizations move from “plus-AI” to AI plus. Trust in AI – Can we trust generative AI? If so, how much and in which areas?
- Trend 2: People who use AI will replace people who don't. Trust in team – Can we help our workforce trust AI applications as they integrate like new teammates into day-to-day business processes?
- Trend 3: The data conversation moves out of IT and into the C-suite. Trust in data – Can we trust the veracity and security of our own data?
- Trend 4: Operating models bend so they don't break. Trust in operating model – Can we trust our own systems, processes, and strategy?
- Trend 5: Ecosystems are not part of the strategy, they are the strategy. Trust in partners – Can we build and maintain trusted ecosystems as they become increasingly central to customer engagement and value creation?
Veranstaltungen sind vertrauenswürdig
Die neue Währung Vertrauen ist bei Veranstaltungen in Präsenz im Umlauf. Das zeigt der Freeman Trends Report: 2024 Attendee Intent and Behavior. Dafür hat Freeman im November gut 2.094 Personen befragt, die vor Ort oder vor dem Bildschirm in den letzten zwölf Monaten an einer Veranstaltung teilnahmen. Das Ergebnis: Für acht von zehn Befragten sind Veranstaltungen in Präsenz die vertrauenswürdigsten Informationsquellen. Im Zeitalter von künstlicher Intelligenz, von Fehl- und Desinformation überrascht das wenig. Und es ist eine Entwicklung, die sich fortsetzen soll. Im Vergleich zu 2023 vertrauen 2024 deutlich weniger Menschen akademischen Einrichtungen, Webinaren und Vordenkern. Medien, Blogbeiträge und Social-Media-Influencer gehören weiterhin zu den am wenigsten vertrauenswürdigen Quellen. Persönliche Gespräche dagegen gelten als vertrauenswürdig.
Wie vertrauenswürdig sind die folgenden Informationsquellen? 80 % der Befragten geben an, dass der vertrauenswürdigste Kanal unter allen verfügbaren Marketingkanälen persönliche Veranstaltungen sind – eine Tendenz, die weiter zunimmt. Freeman 2023 Benchmark (Personen, die an persönlichen Veranstaltungen teilnehmen n = 5.144) im Vergleich zu Freeman 2024 Benchmark (Personen, die an persönlichen Veranstaltungen teilnehmen n = 2.002) Quelle: Freeman Trends Report: 2024 Attendee Intent and Behavior
„Trust Takes Center Stage“ identifiziert der Fachverband Professional Convention Management Association (PCMA) folglich als einen Trend für 2024. Grund dafür sind die Disruptionen und aktuell die künstliche Intelligenz. „KI könnte das Ende des ‚Sozialen‘ in den sozialen Medien bedeuten“, sagt Stephen Rose im Podcast der PCMA-Mitgliederzeitschrift Convene. „Denn wenn man Inhalte mithilfe von KI erstellen kann – und ich bin sicher, dass wir nur noch sehr kurze Zeit von einem Plug-in für LinkedIn entfernt sind, mit dem man bestimmte Artikel auch kommentieren und liken kann –, dann ist es einfach ein System, das sich ständig selbst dreht”, begründet der Senior Vice President und Head of Global Communication Services bei Siemens seine Gedanken und denkt weiter: „Wenn also der Inhalt von einer Maschine und die Kommentare von einer Maschine erstellt werden, wäre ich viel schneller. Ich könnte am Morgen, bevor ich zum Frühstück gehe, 500 Beiträge kommentieren, weil ich ein KI-Tool dafür habe.“ Das bedeute, dass die soziale und persönliche menschliche Note verschwinden und die Relevanz der Inhalte sinken werde.
‘Technology with Purpose is The Key Word.'
Hosted by Media Editor Magdalina Atanassova at PCMA EMEA in Copenhagen. Stephen Rose, Senior Vice President and Head of Global Communication Services at Siemens, and Albert Ceralez Garcia, Strategic Consultant MCI, Business Intelligence, Social Listening, AI, talk about new technologies and artificial intelligence.
Das Thema beschäftigt auch Colja Dams von der Agenturgruppe Vok Dams mit 19 Standorten weltweit. Auf LinkedIn fragt der CEO: “When AI can fake reality, who can you trust?” Und antwortet selbst: “You can trust Live Events.” Schließlich bieten Veranstaltungen in Präsenz ein realistisches und eindringliches Erlebnis, das die Menschen fühlen können, dem sie vertrauen können. Colja Dams: „In einer Zeit, in der uns die Technik austricksen kann, tritt die Authentizität von Live-Events hervor. Die Verbindungen, Interaktionen und gemeinsamen Momente werden zu einem vertrauenswürdigen Ort der Sicherheit, die in der digitalen Welt nur schwer zu finden ist.“
Vertrauen aufbauen
Einen vertrauenswürdigen Ort schafft Heike Mahmoud im neuen CCH – Congress Center Hamburg. 2023, im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung, sind 56 Veranstaltungen – vom Weltkongress bis zur e-Auto-Präsentation – in ihren 50 Sälen und Räumen gelaufen. Damit das gelingt, braucht es neben der Hardware wie der Architektur die Software, die Teams. „Nur das enge Zusammenspiel von allen Gewerken ermöglicht es, eine Veranstaltung erfolgreich umzusetzen“, erklärt Mahmoud und ergänzt: „Man könnte sagen, das ist doch selbstverständlich, das passiert in jeder Venue, doch: Tut es das wirklich?“
Foto: HMC, Cathrin-Anja Eichinger
Vertrauen baut Heike Mahmoud auf, indem sie in den persönlichen Austausch geht, zuhört und bei Herausforderungen gemeinsam Lösungen sucht.
Für Mahmoud ist Vertrauen hier eine Grundvoraussetzung. Sie vertraut ihrem 38-köpfigen Team und ihren Dienstleistern. Dieses Vertrauen hat sie seit der Revitalisierung des neuen CCH von 240 Millionen Euro aufgebaut, indem sie in den persönlichen Austausch geht, zuhört und bei Herausforderungen gemeinsam Lösungen sucht. Mahmoud: „Wir entwickeln uns zu einer ‚lernenden Organisation‘. Jeder arbeitet daran, noch bessere Lösungen für die Planung und Durchführung in unserem komplexen Gebäude zu entwickeln.“ Das schaffe Vertrauen bei den Kunden, die ihr ihre Veranstaltung anvertrauen. Die Kongresshauschefin beobachtet, dass sich die Kommunikation mit dem Kunden durch die Pandemie sehr verändert hat. „Die heutigen Rahmenbedingungen aus Wirtschaft und Politik erfordern noch mehr Detailwissen und noch bessere Kundenberatung. Wir gehen heute viel mehr in die Kommunikation mit unseren Kunden.“ Mit Blick auf eine Zeit von großer Unsicherheit und sich ständig ändernder Rahmenbedingungen ist Heike Mahmoud überzeugt: Die Veranstaltungswirtschaft ist ein sehr wichtiger Pfeiler für die Weiterentwicklung und Innovationskraft von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.