Circular Collective
Die Prüfung der Dienstleister
Die Fachmesse IMEX findet vom 14. bis 16. Mai 2024 in den Hallen 8 und 9 der Messe Frankfurt statt. Beim Supplier & Service Provider Check schaffen es die Frankfurter fast bis in die Spitzengruppe. Das liegt nicht zuletzt an der Solaranlage auf Halle 12. Foto: Messe Frankfurt
Die Fachmesse IMEX findet vom 14. bis 16. Mai 2024 in den Hallen 8 und 9 der Messe Frankfurt statt. Beim Supplier & Service Provider Check schaffen es die Frankfurter fast bis in die Spitzengruppe. Das liegt nicht zuletzt an der Solaranlage auf Halle 12. Foto: Messe Frankfurt
Auf den Basis-Check der tw tagungswirtschaft zur eigenen Nachhaltigkeitsperformance folgt der Supplier & Service Provider Check. Die Dienstleister und Lieferanten werden in fünf Handlungsfeldern wie ökologische und soziale Nachhaltigkeit überprüft. Die Ergebnisse zeigen, wo die Unternehmen stehen, wo Nachholbedarf und damit Handlungsbedarf besteht.
Beim Projekt Kreislauffähiger Stand geht es von der Prozessphase eins mit dem Basis-Check, in dem die tw tagungswirtschaft als Auftraggeberin des Messestands auf der Fachmesse IMEX zum Thema Nachhaltigkeit befragt wurde, in die Prozessphase zwei mit dem Supplier & Service Provider Check (SSPC). Der Supplier & Service Provider Check prüft nun die Lieferanten und Dienstleister der tw tagungswirtschaft.
Entwickelt hat das Modul zur Lieferanten- und Dienstleisterprüfung die CSR-Agentur 2bdifferent. Anhand eines digitalen Fragebogens überprüft der Supplier & Service Provider Check die Lieferanten und Dienstleister hinsichtlich ihrer grundlegenden Werte, Ziele und Prinzipien sowie die operativen Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Dieser Prozess dient dazu, sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen verantwortungsvoll mit vorhandenen Ressourcen umgehen und Nachhaltigkeit ganzheitlich in ihre betrieblichen Abläufe integrieren. Der SSPC kann als eigenständiges Modul eingesetzt werden oder als Teil der Ausschreibungsstruktur eines auftraggebenden Unternehmens. Die Lieferanten und Dienstleister erhalten die Möglichkeit, über ihre Unternehmen hinsichtlich ökologischer und sozialer Standards zu berichten. Alle Aktivitäten müssen mit Nachweisen, wie beispielsweise anerkannten Umweltmanagementsystemen in der Art EMAS oder ISO, Beschaffungsrichtlinien oder einem Code of Conduct belegt werden. Fehlt ein Nachweis, bedeutet das „Nicht vorhanden“. „Ziel des SSPC ist es, potenziellen Dienstleistern und Lieferanten in der Veranstaltungswirtschaft dabei zu helfen, ihre betriebliche Performance in puncto Nachhaltigkeit transparent zu machen“, sagt Jürgen May, Gründer und Geschäftsführer von 2bdifferent. Für ihn ist der Supplier & Service Provider ein Startpunkt: „Es geht darum, den Status zu ermitteln und gemeinsam besser zu werden.“
Der kreislauffähige Messestand
Die CSR-Agentur 2bdifferent, die Messearchitekten imb troschke und die tw tagungswirtschaft der dfv Mediengruppe planen den tw-Stand auf der IMEX 2024 in Frankfurt nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Das Projekt begleitet die Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Veranstaltungsmanagement. Ansprechpartnerin ist Prof. Dr. Kim Werner. Betrachtet werden alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial und ökonomisch) und ihre Handlungsfelder. Das Projekt ist als Pilot für die Veranstaltungswirtschaft gedacht, transparent angelegt und wird von 2023 bis 2026 crossmedial aufbereitet. Ansprechpartner sind Dr. Christoph Soukup und Jürgen May von 2bdifferent, Andrea Walburg von imb troschke, Simone Hammer und Kerstin Wünsch von der tw tagungswirtschaft.
Die Fragen und Handlungsfelder
Der Supplier & Service Provider Check umfasst diese fünf Handlungsfelder: Generelles Nachhaltigkeitsmanagement, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit, Lieferantenmanagement sowie Kommunikation und Reporting. Insgesamt sind 21 Fragen zu beantworten und zu jeder Antwort Nachweise zu hinterlegen beziehungsweise eine Ansprechperson zu benennen.
Die fünf Handlungsfelder und ihre Unterpunkte
- Generelles Nachhaltigkeitsmanagement
a. Leitbild
b. Code of Conduct für Mitarbeitende
c. Erklärung zu Anti-Korruption und Bestechungsvermeidung
d. Erklärung zu fairen Arbeitsbedingungen
e. Erklärung zu Menschenrechten
f. Erklärung zur Ablehnung von Zwangs- und Kinderarbeit
g. Diversity Management
h. Whistleblowing
i. Unterzeichner des United Nations Global Compact
j. Nachhaltigkeitsbeauftragte/r
2. Lieferantenmanagement
a. Einkaufsrichtlinien
b. Lieferantenkodex
c. Auditierung
3. Soziale Nachhaltigkeit
a. Gesundheits- und Sicherheitspolitik
b. Arbeitsschutzzertifikate
4. Ökologische Nachhaltigkeit
a. Politik zu Umweltzielen
b. Umweltmanagementsystem
c. Abfallvermeidungskonzept
5. Kommunikation und Reporting
a. Nachhaltigkeitsbericht
Der Ablauf in acht Schritten
Die Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeitsperformance der Dienstleister und Lieferanten werden mit der Auftraggeberin, hier die tw tagungswirtschaft, abgestimmt. 2bdifferent stellt einen erklärenden Begleittext bereit, ein PDF mit einer Übersicht über alle Fragen zur Vorbereitung und den Link zum Online-Fragebogen. Die tw tagungswirtschaft, hier Simone Hammer aus dem Sales und Marketing und als Standverantwortliche, versendet alle Unterlagen an ihre Lieferanten und Dienstleister. Dafür hat sie vorab eine Gewerke-Übersicht in einer Excel-Tabelle erstellt.
Der Supplier & Service Provider Check verläuft in acht Schritten. Grafik: 2bdifferent
2bdifferent überführt die Antworten in den Supplier & Service Provider Check und überprüft diese auf Plausibilität. Die Auswertung der Daten fließt in einen Feedback-Bericht ein, der die Stärken und Schwächen der Liefer- und Produktionsunternehmen beschreibt. Das auftraggebende Unternehmen erhält Einsicht in die Ergebnisse seiner Lieferanten und Dienstleister und kann diese in die Entscheidung über die Beauftragung einbeziehen. Das Ergebnis kann wiederum den Lieferanten und Dienstleistern zur Verfügung gestellt werden. Mittels dieser für beide Seiten, Auftraggeber und Auftragnehmer, transparenten Methode können gemeinsam Zielbilder und Maßnahmen für die Zusammenarbeit entwickelt werden.
Die Ergebnisse des SSPC
Während die Antworten der IMEX Group als Messeveranstalter noch ausstehen, liegen die Daten zum Gelände der Messe Frankfurt Venue GmbH vor. Schließlich findet die IMEX in den Hallen 8 und 9 der Messe Frankfurt statt. In der Auswertung „Supplier & Service Provider Check für die tw – tagungswirtschaft“ kommen die Frankfurter auf 200 von 300 Punkten. Damit erreichen sie Level C, also das Mittelfeld, das von 167 bis 211 Punkte reicht. Nur zwölf Punkte fehlen ihnen zum Level B, der Spitzengruppe. In Sachen Generelles Nachhaltigkeitsmanagement ist die Messe Frankfurt vorbildlich und kommt auf Level A. Sie erhält jeweils einen Haken für ihr Leitbild, ihren Code of Conduct für Mitarbeitende, für ihre Erklärungen zu Anti-Korruption und Bestechungsvermeidung, faire Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und zur Ablehnung von Zwangs- und Kinderarbeit. Erfüllt sind auch die Kriterien Diversity Management, Whistleblowing, Unterzeichnung des United Nations Global Compact und eines/r Nachhaltigkeitsbeauftragten, wobei die Messe Frankfurt statt diesem/r auf ein interdisziplinäres Sustainability Management und Sustainability Board setzt. Ebenfalls auf Level A steht die Messe Frankfurt bei der ökologischen Nachhaltigkeit mit einer Politik zu Umweltzielen, einem Umweltmanagementsystem und einem Abfallvermeidungskonzept.
In den fünf Handlungsfeldern lassen sich maximal 300 Punkte erzielen. Die Punktzahl zeigt an, wo das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit steht. Verschiedene Level helfen bei der Einordnung und beim Vergleich: Level A = Top-Performer: 300 bis 272 Punkte, Level B = Spitzengruppe: 271 bis 212 Punkte, Level C = Mittelfeld: 211 bis 167 Punkte, Level D = Nachholbedarf: 166 bis 122 Punkte, Level F = Kritische Zone: 121 bis 0 Punkte. Grafik: 2bdifferent
Keine volle Punktzahl gibt es für das Lieferantenmanagement, weil nachhaltigkeitsfokussierte Einkaufsrichtlinien und Lieferantenkodizes nicht vorgelegt wurden. Entsprechende Klauseln seien in den Lieferanten- und Dienstleisterverträgen vorhanden und weitere Maßnahmen in Bearbeitung, doch gibt die Messe Frankfurt zu bedenken, dass interne Dokumente nicht geteilt werden können. Bei Kommunikation und Reporting mangelt es an einem Nachhaltigkeitsbericht. Hier merken die Frankfurter an, dass eine gesetzliche Berichtspflicht erst ab 2026 für das Geschäftsjahr 2025 besteht. Das Fazit fällt positiv aus: „Die Messe Frankfurt Venue GmbH erfüllt die nachhaltigen Anforderungen der tw – tagungswirtschaft – Verlagsbereich Deutscher Fachverlag GmbH an das Projekt Messestand IMEX.“ In der Begründung ist zu lesen, dass die wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte hinsichtlich eines verantwortungsvollen Umgangs mit Mensch, Umwelt und Gesellschaft erfüllt sind. Handlungsbedarf besteht für die Messe Frankfurt im Bereich Lieferantenmanagement und in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Fehlende Nachweise
Die anderen Dienstleister und Lieferanten der tw tagungswirtschaft erreichen insgesamt weniger Punkte und landen auf Level D oder E, d.h. sie haben Nachholbedarf oder finden sich im kritischen Bereich wieder. Damit erfüllen sie die nachhaltigen Anforderungen der tw – tagungswirtschaft an das Projekt Messestand IMEX nur teilweise – oder unzureichend.
Foto: 2bdifferent
Die Messearchitekten imb troschke kommen beispielsweise im Nachhaltigkeitsmanagement auf Level C, also ins Mittelfeld wie die Messe Frankfurt, doch es gibt Nachholbedarf im Lieferantenmanagement, in der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit sowie bei Kommunikation und Reporting. Hier adressiert CSR-Berater May ein Problem aus seiner Berufspraxis. „Es werden viele Aktivitäten in den Handlungsfeldern Ökologische Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit und Lieferantenmanagement in dem Verhaltenskodex der imb troschke umschrieben. Allerdings fehlen die geforderten Nachweise zu den entsprechenden Prozessen im betrieblichen Umfeld“, erklärt Jürgen May und ergänzt: „Damit geht es den Messearchitekten wie vielen, gerade kleineren und mittelständischen Unternehmen: Sie machen viel, doch dokumentieren es nicht.“ Er gibt ein Beispiel: „Wenn Sie bei Ihren Lieferanten zwar darauf achten, dass es keine Kinderarbeit gibt, das aber nicht dokumentieren, ist das problematisch. Damit fehlt der Nachweis – und der wird immer mehr verlangt.“ Der Supplier & Service Provider Check ist da streng. Wenn ein Nachweis fehlt, kommt das einem „Nein“, einem Nichtvorhanden gleich. Andrea Walburg hat die Ergebnisse des Supplier & Service Provider Checks eingesehen. Der geschäftsführenden Gesellschafterin von imb troschke ist klar geworden, welche Berichtspflichten für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung erwartet werden. „Bis dato wusste ich nicht, was genau und in welchem Umfang wir dokumentieren müssen. Die Bewertung ist nachvollziehbar und transparent. Wenn nicht vorhanden, dann keine Punkte. Daraus werden wir nun für die Zukunft lernen.“
„Der Supplier & Service Provider Check hat mir aufgezeigt, was wir noch dokumentieren müssen, um in unseren Nachhaltigkeitsbestrebungen auch formal ernst genommen zu werden.“
Andrea Walburg, geschäftsführende Gesellschafterin von imb troschke
Die Messearchitekten konzentrieren sich bereits seit langer Zeit auf nachhaltiges Agieren, haben ihre Prozesse durchdacht, mit Lieferanten gesprochen und Materialien geprüft. Damit erfüllen sie viele der Anforderungen. „Bisher haben wir keine Notwendigkeit gesehen, all diese Dinge in Form von Berichten zu dokumentieren“, erklärt Walburg und ergänzt: „Dieses Tun ist für alle Mitarbeitenden in unserem Unternehmen selbstverständlich und Teil unserer täglichen Arbeit. Alle handelnden Personen stehen hierzu in permanenter Kommunikation und treiben die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft voran.“ Manche Anforderungen hinterfragt sie aber auch, etwa das Arbeitsschutz-Zertifikat nach einer ISO-Norm. Da kann sie keinen Mehrwert erkennen. Schließlich ist ihr Unternehmen gesetzlich verpflichtet, eine arbeitsschutztechnische und arbeitsmedizinische Betreuung sicherzustellen, der imb troschke ordnungsgemäß nachkommt. Walburg: „Wir haben ein großes Eigeninteresse, jeden Mitarbeitenden gesund und motiviert in unserem Unternehmen zu halten.“ Aus dem Supplier & Service Provider Check nimmt sie neue To-Dos mit. „Der Supplier & Service Provider Check hat mir aufgezeigt, was wir noch dokumentieren müssen, um in unseren Nachhaltigkeitsbestrebungen auch formal ernst genommen zu werden“, sagt Walburg. Wichtig ist ihr der Austausch von Erfahrungen und Erklärungen. „Dafür ist unser Projekt Circular Collective einfach wunderbar“, befindet Andrea Walburg und fügt hinzu: „Ich verstehe es als einen Prozess, der für uns und viele andere Klarheit, Empfehlungen und Handlungsanweisungen für eine nachhaltige Unternehmenskommunikation bringen wird.“ Simone Hammer von der tw tagungswirtschaft hat sich die Ergebnisse auch angesehen und sagt: „Ich bin erstmals damit konfrontiert. Wir stellen seit Jahren auf der Messe IMEX aus, haben aber unsere Anbieter und Dienstleister noch nie auf Nachhaltigkeit hin geprüft.“ Die Marketingfrau will sich mit jedem Einzelnen an den Tisch setzen und sehen, wo und wie Verbesserungen möglich sind. Hammer: „Wir verstehen uns als Partner und sind an einer langfristigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert. Das heißt aber nicht, dass Probleme unter den Tisch fallen. Jetzt, da wir die Probleme erkannt haben, gehen wir sie an.“ Ihr ist klar, dass das nicht über Nacht geht – weder in den Partnerbetrieben noch im eigenen Haus. Das Kreislaufprojekt ist deshalb auf drei Jahre angelegt, von 2024 bis 2026. Wichtig ist Simone Hammer: „Wir wollen weiter mit unseren Dienstleistern arbeiten und gemeinsam besser werden.“ Dabei beschäftigt sie eine grundsätzliche Frage, die über den Supplier & Service Provider Check hinausgeht: „Kann man alle in die gleiche Pflicht nehmen – also das kleine und mittlere Unternehmen wie den Konzern? Wie macht man es fair?“