Substitution von Aufgabenfeldern

Kann KI den Eventmanager ersetzen?

Smart Guiding Systeme auf der Future of Festivals 2021 in Berlin. Foto: Sensape

Smart Guiding Systeme auf der Future of Festivals 2021 in Berlin. Foto: Sensape

Spätestens seit der Veröffentlichung der Betaversion der Sprach-KI ChatGPT ist das Thema künstliche Intelligenz zurück auf der Hauptbühne. Utopisten versprechen sich viel, Dystopisten warnen vor unvorhersehbaren Auswirkungen. Ein Überblick, was künstliche Intelligenz ist, wie sie im Eventmanagement eingesetzt werden kann und ob wir uns Sorgen vor der Austauschbarkeit machen müssen.

Wer überlegt, künstliche Intelligenz im Eventmanagement einzusetzen, sollte zunächst die Technik dahinter verstehen. Tiefgehende Ausführungen füllen inzwischen ganze Bände an Fachbüchern bis hin zu akademischen Karrieren. Allgemein wird KI in drei Typen unterschieden, die aufeinander aufbauen. Zunächst wird in Artificial Narrow Intelligence, Artificial General Intelligence und Artificial Super Intelligence unterschieden. Die Narrow Intelligence ist bereits massentauglich auf dem Markt. Verwender kennen sie etwa aus Sprachassistenten wie Alexa und Siri. Sie ist hauptsächlich auf einem Gebiet trainiert und kann nicht disziplinübergreifend agieren. Das heißt, die KI für Sprachassistenz ist gut darin, Menschen zu verstehen, aber kann nicht die Funktion eines Recommendation Engines übernehmen, der basierend auf einem Datensatz passende Filme für den Abend, Musik je nach Stimmung oder Produkt passend zur Lebenssituation vorschlagen kann. Lassen Sie sich hier nicht davon verwirren, dass Sprachassistenten auch als Schnittstelle zwischen KI-Anwendungen und uns als Mensch fungieren könnten.

Die General und Super Intelligence gehen noch einen Schritt weiter. Sie sind theoretisch in der Lage, menschliche Intelligenz nachzubilden und selbstständig disziplinübergreifend mit Problemstellungen umzugehen. Die Super Intelligence übersteigt dabei menschliche Fähigkeiten. Für diese beiden Formen fehlt derzeit allerdings noch die Rechenleistung. Um eine Sekunde an neuronaler Aktivität zu simulieren, hat der leistungsstarke IBM Watson 40 Minuten Rechenzeit benötigt. Für General und Super Intelligence müssten zudem Tausende Narrow Intelligence-Anwendungen zusammengeschaltet werden, was den Aufwand dahinter deutlich macht.

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Was ist denn jetzt eigentlich KI?

Bleibt die Frage: Was ist denn jetzt eigentlich KI? Künstliche Intelligenz ist eine Software, die in der Lage ist, ohne weitere Instruktionen mit einer Aufgabenstellung umzugehen. Die Performance hängt dabei von der Qualität der Trainingsdaten und der im Einsatz verfügbaren Daten ab. Diese Daten werden dann in Wahrscheinlichkeitsmodelle eingespeist. Namen dafür sind etwa Maschinelles Lernen oder Neuronale Netze. Am Beispiel von Gesichtserkennung lässt sich gut erklären, was das für Ausgaben von KI-Anwendungen heißt. Die KI kann nicht sagen, wer genau sich hinter dem aufgenommenen Gesicht verbirgt. Sie wird die Wahrscheinlichkeit ermitteln, wer auf dem Bild zu sehen ist. Es kann so also zu Fehlern kommen, wie bereits Fälle aus den USA mit farbigen Bevölkerungsteilen zeigen.

„KIs besitzen aktuell keine Intelligenz, wie wir sie im menschlichen Sinne verstehen. Sie sind nur sehr gut darin, diese nachzuahmen.“

Thorben Grosser, VP of Product Marketing & Events bei eventmobi

Die Veröffentlichung von ChatGPT im November hat nun neue Zugkraft in das Thema AI gebracht. Diesen und ähnlichen Technologien wird eine disruptive Kraft zugeschrieben, wie sie etwa die Einführung von Google oder dem iPhone zugeschrieben werden. Dabei bringen ChatGPT und Bard (Googles Variante) eine neue Art mit, wie wir googlen. Anstatt Suchwörter einzutippen, stellen wir einfach eine Frage. Statt mühsam die Ergebnisse nach vertrauensvollen Quellen zu durchsuchen, antwortet die KI ganz selbstverständlich. Vielleicht sagen wir demnächst nicht einmal mehr „googeln“. Ganz fertig sind die Tools aber noch nicht. Die Chatbot-KI, die von ChatGPT abgeleitet und bei der Suchmaschine Bing implementiert wurde, reagierte auf kritische Fragen zynisch, beschimpfte Journalisten von Associated Press gar als Hitler.

Anwendungen für den Eventbereich

Wie lassen sich solche Anwendungen nun in den Eventbereich übertragen? Ein wissenschaftlicher Artikel entwickelte bereits 2019 Szenarien, welchen Einfluss KI auf Eventerfahrungen haben wird. Dabei wurde ein Kernwert herausgestellt. Künstliche Intelligenz hilft dabei, Eventerfahrungen weiter zu individualisieren, also auf einzelne Besucher direkt zuzuschneiden.

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Gesichtserkennung kann in der Teilnehmerregistrierung bei Konferenzen oder Tagungen eingesetzt werden. Mittels Fragebögen, die vor der Veranstaltung verschickt werden, können individualisierte Routen auf einer Messe erstellt werden. Leitfrage hierbei: Welche Interessen zeigt der Besucher und welche Buyer sollten deshalb auf die Route gelegt werden? Dieser Datensatz kann genauso gut dafür verwendet werden, Matches zwischen einzelnen Teilnehmern für Netzwerkveranstaltungen zu generieren. Inzwischen werden auch Supermärkte ohne Personal und traditionelle Kasse getestet. Diese Systeme könnten auch auf Veranstaltungen für Kioske verwendet werden. Registrierte Teilnehmer brauchen vor Ort nicht mehr bezahlen. Sie würden im Nachgang eine Rechnung erhalten.

Auf Veranstaltungen gesammelte Daten können für die Auswertung des Erfolgs einer Veranstaltung für zukünftige Verbesserungen genutzt werden. Welche Emotionen wurden an welchen Ständen ermittelt? Wie lange konnten bestimme Programmpunkte Besuchermengen zum verweilen motivieren? Die Fragestellungen und KPIs sind dabei eigentlich Altbekannte. Neue Tools, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, helfen dabei, schneller zum Ergebnis zu kommen.

Ist der Eventmanager austauschbar?

Hier stellt sich die Frage der Austauschbarkeit von Eventmanagern. ChatGPT kann etwa auf die richtigen Fragen hin eine ganz gute Anleitung schreiben, wie gute Events organisiert werden. Die KI kann genauso dabei helfen, kreative Copys zu schreiben. Oder Hostess-Aufgaben auf Messen ersetzen. Damit KI aber funktioniert, wird ein nicht unerheblicher Einsatz von Technik nötig. Diese ist komplex. Erfordert nicht nur Netzwerk-Planung. Der Einsatz verschiebt also die Kompetenzschwelle nach oben, die Eventmanager von morgen benötigen.

„Der Einsatz von künstlicher Intelligenz bietet viele Chancen im Eventwesen. So können personalisierte Erfahrungen geschaffen und somit die Teilnehmerzufriedenheit gesteigert werden.“

Hanna Luise Schubert, Senior Marketing und PR-Managerin bei Sensape

Vielleicht benutzen Sie schon jetzt KI, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. DeepL ist zum Beispiel ein Übersetzer, der auf Grundlage einer KI funktioniert. Grammarly unterstützt ebenfalls beim Erstellen von Texten, die nach Muttersprachlern klingen sollen. Auch Sprachassistenten wie Siri und Alexa basieren auf KI. Spotifys hat eine künstliche Intelligenz, die automatische Playlists auf uns zugeschnitten erstellt. Google Maps schlägt auf Grundlage einer KI je nach Tageszeit Routen entsprechend unserer Gewohnheiten vor.

Künstliche Intelligenz verspricht viel. Und richtig trainiert, wird sie das Versprechen vielleicht sogar einlösen. Doch ist sie stets ein Tool. Sie automatisiert, erleichtert, nimmt Aufgaben ab. Das Aufgabenprofil im Eventmanagement besteht darüber hinaus vor allem im Organisationstalent und der Fähigkeit, intuitiv an den Stellen einzugreifen, die den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung behindern könnten. Dazu gehört nicht nur, Probleme zu erkennen, sondern auch richtige Entscheidungen zur Behebung zu treffen. Diese Fähigkeit basiert weniger auf Expertise als auf praktischer Erfahrung. Und hier greift die USP professioneller Eventmanager. Die Hysterie vor der Austauschbarkeit für Eventmanager scheint jedenfalls deutlich übertrieben. Eher stellt sich die Frage: Wie kann KI so in Ihren Arbeitsalltag integriert werden, dass Sie mehr Zeit für andere Aufgaben bekommen?

Maxi Neßmann

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