Interview Ramona Kaden

„Der am meisten zukunftsweisende Trend ist, offen für Neues zu sein.“

Foto: bvik

Foto: bvik

Ramona Kaden, Geschäftsführerin des Bundesverbands Industrie Kommunikation (bvik), über die jüngsten Entwicklungen bei den Marketing-Budgets, Messen als feste Größe im Marketing-Mix und die Chancen, die Automatisierung und KI für die Zukunft bereithalten.

Wer ist Ramona Kaden?

m+a report: Die vom Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik) seit 2011 jährlich durchgeführte Studie „B2B-Marketing-Budgets“ ist für 2025 am 2. September erschienen. Für wen und warum lohnt sich ein Blick in die neue Ausgabe?

Ramona Kaden: Ein oder mehrere Blicke in die Studie lohnen sich für ein vielseitiges Publikum. Natürlich sind die Ergebnisse besonders für Industrie-Marketer relevant, der Branchenvergleich und die Benchmarks werden von unseren Mitgliedern gerne als interne Budget-Verhandlungsgrundlage genutzt. Aber auch Geschäftsführer aus der Industrie können sich damit ein gutes Bild über die wirtschaftliche Lage machen und Kreativagenturen finden wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Entwicklungen ihrer Kunden.

Die vielleicht wichtigste Frage zuerst: Im letzten Jahr sind die Marketingbudgets im Vergleich zu 2023 leicht gestiegen (1,7 Prozent), über drei Viertel der Befragten sind von einem steigenden bzw. gleichbleibenden Budget für die kommenden drei Jahre ausgegangen, trotz Kostendruck. Konnten Sie diesen Trend in diesem Jahr bestätigen?

Tatsächlich sind die Marketingbudgets in diesem Jahr zum ersten Mal seit Erhebungsbeginn leicht gesunken, trotz weiter steigenden Kosten. Die Gründe sind vielfältig, trotzdem bleibt die Grundstimmung aber positiv, 71 Prozent der Befragten gehen weiterhin von gleichbleibenden bis steigenden Budgets in den kommenden Jahren aus.

„Speziell vor dem Hintergrund der Leadgenerierung werden große internationale Leitmessen am meisten genutzt.“

Ramona Kaden, Geschäftsführerin des Bundesverbands Industrie Kommunikation (bvik)

Externes Budget fließt traditionell vor allem in Paid Media, Content-Kreation und/oder externe Veranstaltungen. Ist das auch in diesem Jahr so und welche Bedeutung haben Messen und Business Events allgemein (weiterhin) im Budget-Mix?

Ja auf jeden Fall, gerade für Paid Media und Messen planen fast 90 Prozent der Teilnehmenden externes Budget. Content-Kreation dagegen hat etwas an Budgetrelevanz verloren, sicherlich nicht zuletzt wegen KI-Lösungen, durch die viele Arbeiten leichter intern umgesetzt werden können.

Messen und Events halten seit Jahren stabil mit knapp 40 Prozent die größte Budgetposition. Auch dieses Jahr bestätigen die Zahlen, dass Messen das wichtigste Instrument zur Leadgenerierung im B2B-Marketing sind und bleiben. Gerade große Leitmessen bleiben ganz oben auf der Agenda, gefolgt von Fachmessen und anderen Veranstaltungsformaten.

Advertisement

Beim Tag der Industriekommunikation (TIK) 2025 sprach auch Kai Halter, Vorstandsvorsitzender des bvik, von Messen als Lead-Magneten. Dabei betonte er gleichzeitig die Notwendigkeit professionellen digitalen Marketings für die Sichtbarkeit auf hart umkämpften Märkten. Wie können Unternehmen denn heute diese beiden Welten sinnvoll verzahnen?

Diese Schnittstelle ist immer noch oft eine Herausforderung, wie wir selbst immer wieder bei Messen hören. Die Leadgenerierung und Kundengewinnung müssen dafür immer als Reise gedacht werden und nicht in einzelnen Elementen. Dementsprechend ist ein einheitlicher Auftritt essenziell. Wer eine Marke auf einer Messe kennenlernt, muss dort direkt digitale Anknüpfungspunkte finden, die ihn vom Messestand „virtuell abholen“ und weiter begeistern und genauso andersrum.

Kai Halter, Vorstandsvorsitzender des bvik, beim Tag der Industriekommunikation 2025 in Fürstenfeldbruck. Foto: ClicClic/TIK2025

Gleichzeitig muss auch unternehmensseitig eine ordentliche Datenhaltung gepflegt werden, so dass der potenzielle Kunde zur richtigen Zeit die richtigen Infos erhält. Eine professionelle digitale Präsenz ist heute genauso unverzichtbar wie der Messestand.

In der Studie 2024 zeigte sich, dass rund 80 Prozent des Messebudgets in reine Präsenzmaßnahmen fließen. Wie gut gelingt es Unternehmen aus Ihrer Sicht, diesen Aufwand auch in digitale Reichweite und nachhaltige Sichtbarkeit zu übersetzen?

Ich denke, diese Übersetzung funktioniert tatsächlich gut, aber eben auf anderen Kanälen. Nach der Corona-Pandemie haben sich viele digitale und hybride Formate nicht behaupten können, weshalb die meisten Messen wieder rein in Präsenz stattfinden. Allerdings sind die digitalen Veranstaltungsformen, die noch stattfinden, natürlich auch viel kostengünstiger als das Management eines mehrstöckigen Messestands. Deshalb darf man diese Zahl nicht fehlinterpretieren.

Viele Event-Verlängerungen finden außerdem zusätzlich erfolgreich über Social Media und andere digitale Kanäle statt, die dann aber in andere Budget-Kategorien fließen.

Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen: Welche Messeformate gewinnen aus Marketingsicht an Bedeutung – große Leitmessen, spezialisierte Events oder eher regionale Plattformen? Und woran machen Unternehmen Ihrer Einschätzung nach fest, ob sich eine Messebeteiligung strategisch lohnt?

Speziell vor dem Hintergrund der Leadgenerierung werden große internationale Leitmessen am meisten genutzt. Aber auch kleinere Messen und Fachkongresse schneiden als sehr relevant ab.

Für die interne Planung unserer Mitgliedsunternehmen wird hier die Kosten-Nutzen-Rechnung immer relevanter. Dabei sind auch Messegesellschaften gefragt, die relevanten Daten zu liefern. Hier wird es auf jeden Fall noch einen massiven digitalen Schub gepaart mit KI brauchen, um über reine Besucherzahlen hinweg relevante Daten zu liefern.

Der bvik ist ja regelmäßig mit Messerundgängen unterwegs und analysiert Messeauftritte von Industrieunternehmen. Welche Entwicklungen stechen Ihnen derzeit besonders ins Auge?

Besonders spannend sind hier vor allem die Unterschiede zwischen den Messen. Letztes Jahr bei der Chillventa in Nürnberg zum Beispiel, hatte fast jeder Stand einen Fokus auf die nachhaltige Umsetzung des Standes, bei unserem nächsten Messerundgang ein paar Wochen später schien Nachhaltigkeit gar keine Rolle zu spielen. Die Branchen unterscheiden sich hier also durchaus.

bvik-Messerundgang auf der Chillventa 2024 in Nürnberg am Stand von TEKO. Foto: bvik

Allgemeine Entwicklungen sind aber definitiv erkennbar: Die meisten Unternehmen setzen mittlerweile stark auf Kommunikationsflächen und offene Konzepte mit Fokus auf Austausch und sehr wenig auf Ausstellungsstücke und reine Produktpräsentation. Die Datenerfassung am Messestand wird auch immer digitaler: iPads statt Leadbögen und Sensor-basierte Erfassung von Besucherströmen, u. a. im Cateringbereich.

Die nächsten Messrundgänge des bvik

Messerundgang Fachpack 2025: 24. September, 14:15 bis 17:00 Uhr (Messe Nürnberg)

Messerundgang Blechexpo & Schweisstec 2025: 22. Oktober, 14:00 bis 17:00 Uhr (Messe Stuttgart)

Messerundgang Swissbau 2026: 21. Januar, 11:00 bis 13:00 Uhr (Messe Basel)

Messerundgang Light+Building 2026: 10. März, 14:00 bis 16:30 Uhr (Messe Frankfurt)

Wenn, wie Sie erwähnt haben, der reine Produktfokus auf Messen vielerorts passé ist, sind Messeauftritte also heute stärker an strategischen Marketingzielen ausgerichtet – von der Leadgenerierung bis zur Markenpositionierung. Welche Auswirkungen hat das auf Konzept, konkrete Zielsetzung und Erfolgsmessung solcher Auftritte?

Der Prozess der Messeplanung ist mittlerweile ein anderer. Jede Messe, die ein Unternehmen bespielt, hat einen definierten Fokus, praktisch eine Art „Persona“. Manchmal ist es die Leadgenerierung, manchmal die Bestandskunden- oder Imagepflege oder die Wettbewerbsanalyse. Das Ziel muss immer vorab definiert und der Stand dafür geplant werden.

Dementsprechend werden Messestände auch immer modularer. Viele Unternehmen erzählen uns, dass Sie einen Lagerbestand mit einzelnen Elementen aufrechterhalten, um den Stand strategisch für jede Messe entsprechend umzusetzen. Der Vorteil dabei ist, dass die Materialnutzung nachhaltiger ist und die Stände trotzdem immer den gleichen Look der Marke beibehalten, obwohl sie so flexibel sind.

Foto: bvik

„Generell lebt ein gelungener Messeauftritt von Relevanz, Inszenierung und Nachhaltigkeit.“

Ramona Kaden, Geschäftsführerin des Bundesverbands Industrie Kommunikation (bvik).

Die Erfolgsmessung wird dabei auch zielabhängig immer strikter. Vieles ist dabei wie gesagt mittlerweile datenbasierter. Unser Vorstandsvorsitzender Kai Halter sagt dazu: „Ich versuche, in meinem Team die Denke zu etablieren, dass jeder Marketing-Euro, drei Euro mehr Umsatz bringen muss.“

Was unterscheidet damit aus Ihrer Sicht einen gelungenen Messeauftritt von einem Durchschnittlichen?

Generell lebt ein gelungener Messeauftritt von Relevanz, Inszenierung und Nachhaltigkeit – und zahlt sichtbar auf die Unternehmensziele ein.

Allgemeingültig kann man das sonst aber nicht beantworten, da die Ziele, die mit Messeauftritten und anderen Events erreicht werden, so unterschiedlich sind und damit auch die bestmöglichen Umsetzungen.

bvik-Messerundgang auf der Hannover Messe 2025 in am Stand von SAP. Foto: bvik

Beim TIK 2025 wurde auch die enge Verzahnung von Marketing und Vertrieb als Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit der Industrie betont. Wo sehen Sie in der Praxis aktuell noch die größten Baustellen? Wie verändert der Einsatz von Automatisierung und KI diese Zusammenarbeit zusätzlich?

Marketing und Vertrieb sprechen oft eine unterschiedliche Sprache. Dahinter steckt meistens eine lange Unternehmenshistorie mit gewachsenen Strukturen und teilweise Angst vor Veränderung. KI und Automatisierung können diese Barrieren überwinden, Silos aufbrechen und die Zusammenarbeit deutlich effektiver machen. Wer diese Chance nicht nutzt, verliert im Wettbewerb an Tempo und Nähe zum Kunden.

Und wie präsent ist das Thema künstliche Intelligenz im B2B-Marketing Ihrer Einschätzung nach wirklich? Geht es noch um erste Anwendungen oder ist KI bereits Teil strategischer Marketingplanung?

Hier gibt es tatsächlich noch starke Unterschiede, vor allem auch zwischen Industrie und Agenturen. In der Industrie bestehen noch große Hürden in Sachen Datenschutz, Freigabeschleifen und bürokratischen Abläufen, aber sicherlich auch teilweise noch Angst. Dienstleister dagegen sind meist schon sehr aktiv in der Nutzung und Einbindung in ihre Leistungen.

Silke Lang, Vorstand bvik und Director Marketing Mobile Solutions und Daniel Geßner, Director Global Sales Coordination & Operations, beide Bosch Rexroth AG, sprachen beim TIK 2025 darüber, welches Potenzial in generativen bis prädikativen KI-Modellen stecken und welche Herausforderungen sich sowohl in der Definition des Projekt-Scopes als auch im Projektfortschritt sowie bei der Nutzung der Tools ergeben. Foto: ClicClic/TIK2025

Aber es gibt natürlich auch schon echte Best Cases, die zeigen, welcher Mehrwert aus der Kollaboration von Menschen und Maschine entstehen kann. Unsere bvik-Vorständin Silke Lang hat beim TIK 2025 zum Beispiel gemeinsam mit ihrem Kollegen Daniel Geßner ein „Predictive Intelligence“-Projekt vorgestellt, das akkurate Marktvorhersagen auf vielfältiger Datenbasis treffen kann.

Wie kann Ihr Verband seine Mitglieder bei der Orientierung rund um Zukunftsthemen wie KI, Automation oder datenbasierte Entscheidungen unterstützen? Welche Ihrer Formate haben sich dabei besonders bewährt?

Wie unsere Mitglieder unsere Angebote nutzen, ist natürlich sehr typen- und themenabhängig. Deshalb versuchen wir auch vielfältige Möglichkeiten zu bieten. Bei diesen sehr komplexen Themen bietet sich eine intensivere Weiterbildung an. Deshalb decken wir diese mit unserer B2B-Kompetenz-Werkstatt, in Form von mehrwöchigen Kursen mit Dozent:innen und Expert:innen aus Wissenschaft und B2B-Praxis ab.

Zum Thema KI haben wir aber zum Beispiel auch gerade eine sehr ausführliche Guideline zum rechtskonformen Einsatz gemeinsam mit unserem Mitglied activeMind veröffentlicht. Durch den aktiven Austausch mit unseren Mitgliedern versuchen wir also immer, die aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse zu erkennen und Unterstützung zu bieten. Dazu gehören auch Whitepaper, Webinare, Live-Workshops und immer wieder neue Formate.

Mit einem Blick über die Gegenwart hinaus: Welche Entwicklung im B2B-Marketing halten Sie persönlich für besonders zukunftsweisend – und welche vielleicht auch für überschätzt?

Die KI ist auf jeden Fall gekommen, um zu bleiben. Es gilt also, Ängste und Blockaden zu überwinden und sich mit den Möglichkeiten vertraut zu machen, ohne die komplette Verantwortung abzugeben.

Der am meisten zukunftsweisende Trend ist meiner Meinung nach aber generell offen für Neues zu sein und mit Freude und Optimismus in die Zukunft zu blicken. Die deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen, aber diese lassen sich nur mit Motivation und Innovation bewältigen, nicht mit Kopf in den Sand stecken.

Justine Hein

Share this article

Order eMag