Interview Ellen Schmid
„Nachhaltigkeit von Anfang an mitdenken“
Ellen Schmid ist Deputy Head of Sustainability @ UEFA Euro 2024 Host City Stuttgart. Foto: Willy Löbl
Ellen Schmid ist Deputy Head of Sustainability @ UEFA Euro 2024 Host City Stuttgart. Foto: Willy Löbl
Ellen Schmid ist bis Jahresende Deputy Head of Sustainability @ UEFA Euro 2024 Host City Stuttgart. Im Interview spricht sie über die EURO 2024 ESG Strategy, die Fan Zones und Klima-Anpassungsmaßnahmen und hat zwei Tipps für das Team der UEFA EURO 2028 parat.
tw tagungswirtschaft: Getreu dem Motto „Die ganze Stadt ein Stadion“ bestimmte die UEFA EURO 2024 den Sommer in der Host City Stuttgart. Teilen Sie mit uns Ihren „Once-in-a-lifetime“-Moment?
Ellen Schmid: Das war der erste Abend mit der Übertragung des Eröffnungsspiels Deutschland-Schottland. Unsere Fan Zone Schlossplatz mit Public-Viewing-Area war bis zur Kapazitätsgrenze von 30.000 Besuchern ausgelastet. Die Fans, die nicht mehr auf den Schlossplatz gelassen werden konnten, feierten in den umliegenden Kneipen, auf den anderen Plätzen unserer Fan Zones und in der City. Somit wurde gleich am ersten Turniertag „die ganze Stadt ein Stadion“ – die Stimmung war super und alles lief zum Glück friedlich ab. Das war ein perfekter Auftakt, so wie wir es uns gewünscht hatten.
Seit Oktober 2022 sind Sie Deputy Head of Sustainability @ UEFA Euro 2024. Was sind Ihre Aufgaben (gewesen)?
Die Aufgabenstellung, die wir im Team mit meinen Kolleginnen Eva Berlin und Annika Schwegat umgesetzt haben, war sehr vielfältig. Zu den Hauptaufgaben gehörte die Erstellung von Nachhaltigkeitskonzepten, die wir in Abstimmung mit der EURO 2024 GmbH ständig fortgeschrieben haben. Ein weiterer wichtiger Punkt war, die Beratung und Sensibilisierung der beteiligten Ressorts zur nachhaltigen Umsetzung, die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen, um die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu optimieren. Vor Ort haben wir während den Veranstaltungstagen gemeinsam mit einem Team aus Hostessen und Volunteers dafür gesorgt, dass die geplanten Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch entsprechend umgesetzt wurden.
In Stuttgart orientierte sich das Nachhaltigkeitskonzept an der EURO 2024 ESG Strategy der UEFA im Einklang mit den Sustainable Development Goals der United Nations. Ganz grob: Welche Nachhaltigkeitsfelder sah das vor?
Eingeteilt in die drei ESG-Bereiche Environmental, Social, Governance haben wir uns auf folgende Themengebiete fokussiert: Klimaschutz, nachhaltige Infrastruktur und Kreislaufwirtschaft im Umweltbereich, Schutz der Menschenrechte, Vielfalt und Inklusion, Gesundheit und Wohlbefinden im sozialen Bereich und Transparenz, nachhaltige Beschaffung, Aus- und Weiterbildung und Kommunikation im Governance-Bereich. Ebenso haben wir uns als in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft an der ISO DIN 20121 Nachhaltiges Event-Management orientiert.
Foto: Privat
„Die vier Stuttgarter Fan Zones wurden mit Ökostrom versorgt. Ein Abfallkonzept half Plastik- und Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Lieferanten und Dienstleister wurden nach Nachhaltigkeitskriterien ausgesucht.“
Ellen Schmid, Deputy Head of Sustainability @ UEFA Euro 2024 Host City Stuttgart
Stuttgart hatte als einzige der zehn deutschen Host Cities vier Fan Zones: am Schlossplatz, am Marktplatz, am Karlsplatz und am Schillerplatz. Wie haben Sie hier für Nachhaltigkeit gesorgt?
Die vier Stuttgarter Fan Zones befanden sich auf vier benachbarten Plätzen in der Innenstadt und waren fußläufig voneinander entfernt. Hier ein paar Beispiele unserer Nachhaltigkeitsmaßnahmen: Die Fan Zones wurden mit Ökostrom versorgt, zudem haben wir ein professionelles Abfallkonzept erstellen lassen und umgesetzt. Dabei ging es uns vor allem darum, Plastik- und Lebensmittelabfälle in unseren Fan Zones zu reduzieren. Bei der Auswahl der Lieferanten und Dienstleister wurde auf Nachhaltigkeitskriterien geachtet. Durch die barrierearme Gestaltung unserer Fan Zones konnten alle teilhaben. Angefangen bei Podesten und ausreichend Sanitärbereichen für Behinderte, Einsatz von Deaf-Performern bei unseren Konzerten, Audio-Deskription der Spiele und Einsatz einer induktiven Höranlage, Speisekarten mit Vorlese-Funktion bis hin zu verschiedenen Hilfsangeboten für Menschen mit Behinderung. Mit verschiedenen Klima-Anpassungsmaßnahmen wie z. B. schattigen und begrünten Sitzgelegenheiten, Trinkwasser- und Sonnencremespendern auf allen Plätzen der Fan Zone konnten wir angenehme Aufenthaltsmöglichkeiten auch bei sommerlichen Temperaturen schaffen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart haben wir einen Safer Space eingerichtet als Rückzugsort und Anlaufstelle nach Diskriminierungsvorfällen. Im Vorfeld wurden die Mitarbeitenden der Fan Zones mit einem eigens dafür produzierten Videofilm unter Einbindung unserer Host City-Botschafter Cacau, Elisabeth Seitz und Niko Kappel entsprechend geschult.
Zum Motto „Nachhaltigkeit geht uns alle an!“ sollten sich die Mitarbeiter, Volunteers und Besucher mit dem Thema auseinandersetzen und ihr Handeln überdenken. Wie sind Sie vorgegangen?
Das gesamte Projektteam wurde zum Thema Nachhaltigkeit bereits im Vorfeld umfassend geschult. Ziel war, dass nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Fans und Besuchenden der Host City Stuttgart inspiriert und motiviert werden, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und ihr eigenes Handeln zu überdenken. Das Motto lautete: „Nachhaltigkeit geht uns alle an! Und die Host City Stuttgart geht mit gutem Beispiel voran.“ Die Besucher unserer Fan Zones wurden durch vielfältige sportliche Mitmach-Angebote zu mehr Bewegung motiviert und über verschiedene Nachhaltigkeitsthemen informiert. Im Fan Zone TV wurden ebenso vor den Übertragungen nachhaltige Inhalte wie Infos zur Abfalltrennung, den Safer Space und Hitzeschutzhinweise gespielt.
100 Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur UEFA EURO 2024
Zur UEFA EURO 2024 ist ein Leitfaden aus den zehn deutschen Host Cities mit 100 Nachhaltigkeitsmaßnahmen entstanden. Sie umfassen die übergreifenden Nachhaltigkeitsmaßnahmen in den Fan Zones, die Highlights aus den zehn Host Cities und Maßnahmen der Bundesregierung.
Die UEFA EURO 2028 wird im Vereinigten Königreich mit England, Schottland, Nordirland und Wales und in der Republik Irland ausgetragen. Welche zwei Nachhaltigkeits-Hacks haben Sie für Ihre Nachfolger?
Ich empfehle, den Bereich Nachhaltigkeit in den Planungen von Anfang an mitzudenken und mit möglichst hoher Priorität im Projekt-Team anzusiedeln. Wichtig ist dabei vor allem, die Nachhaltigkeitsthemen ressortübergreifend zu entwickeln und damit alle Projektbeteiligten im Vorfeld für die damit verbundenen Aufgaben zu sensibilisieren.
Bevor Sie ins Nachhaltigkeitsteam der Host City Stuttgart wechselten, waren Sie im Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart im Marketing tätig. Wie geht es für Sie beruflich weiter?
Aktuell sind wir im Projekt-Team noch mit der Nachbereitung des Turniers beschäftigt.
Ich wurde vom Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, das auch unter dem Dach der in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft angesiedelt ist, in das UEFA-EURO-2024-Team entsendet. Ab 2025 kehre ich wieder in die Liederhalle zurück.
„Stuttgart hat an internationaler Bekanntheit gewonnen“
Karina Grützner, Leiterin Stuttgart Convention Bureau, über die Wirkung der UEFA EURO 2024 auf Stuttgart als Destination für Business Events.
Karina Grützner posiert mit Fritzle, dem Maskottchen des VfB Stuttgart 1893. Foto: Stuttgart-Marketing
Stuttgart hat sich während der UEFA EURO 2024 als attraktive gastfreundliche Destination präsentiert. Unter dem Motto ‚Die ganze Stadt ein Stadion‘ verantwortete Stuttgart-Marketing vor und während des Fußballturniers das Marketing der Host City Stuttgart. Über 1.000 Quadratmeter Banner, 150 Flaggen und 40 digitale Flächen hießen die Gäste willkommen. Public Viewing auf dem Schlossplatz, vier thematisch gestaltete Fan Zones, Konzerte und ein Kulturprogramm verwandelten Stuttgart in einen Ort, der Fußball lebte.
Dies spiegelt sich in der Bilanz wider: Die Hochrechnung ergab vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 rund 200.000 durch die EM generierte Übernachtungen und rund eine Million Tagesgäste. Die Hotellerie war zufrieden und die Nachfrage nach touristischen Angeboten war hoch.
Besonders gefreut hat mich, dass zwei Nationalmannschaften ein Hotel in der Region Stuttgart als Team Base Camp auswählten: Im Waldhotel Stuttgart nächtigten die Schweizer, im Schlosshotel Monrepos in Ludwigsburg die Belgier. Durch die internationale Berichterstattung und den vielfältigen Social-Media-Content hat Stuttgart garantiert an internationaler Bekanntheit gewonnen. Der Fokus auf Nachhaltigkeit zog sich durch alle Maßnahmen. Besonders beliebt waren die Gratis-Sonnencreme, die kostenfrei bereitgestellten „Zigarettenboxen to-go für die Reste nach dem Rauchen“ und das erweiterte ÖPNV-Angebot zum Stadion. Ein weiterer Höhepunkt war die Modernisierung der MHP-Arena, die nun zu den modernsten Stadien in Europa zählt. Diese Neuerung hat Stuttgarts Eventkapazitäten erweitert und bietet viele Möglichkeiten für Events jeder Art.