
Interview Thomas Reiser
„Wir werden mehr über Risikomanagement sprechen“

Foto: ISTH
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Thomas Reiser, Executive Director der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH), über Extremwetterereignisse und die Folgen für die Vergabe seiner internationalen Veranstaltungen.
tw tagungswirtschaft: Klima und Wetter haben einen großen Einfluss auf die Veranstaltungsbranche. Extreme Wetterbedingungen wie Starkregen, Stürme, Hitze und Trockenheit können Kongresse gefährden oder erschweren. Ist das ein Thema, mit dem Sie sich als Veranstalter beschäftigen oder vermehrt beschäftigen werden?
Thomas Reiser: Wir haben das zu einem gewissen Grad immer schon ins Auge gefasst. Wenn wir Destinationen auswählen, überlegen wir uns, welchen absehbaren und potenziellen Gefährdungen wir ausgesetzt sein könnten. Was uns aber mehr Probleme bereitet, sind Gegebenheiten, die wir uns vor ein oder zwei Jahren noch kaum vorstellen konnten, wie zum Beispiel Wasserknappheit in Mitteleuropa oder Stromausfälle wegen starker Hitze. Davor ist man eigentlich nirgendwo mehr sicher. Dazu kommt der entsprechende und notwendige Versicherungsschutz. Und letztlich sind unsere Veranstaltungen ja auch virtuell aufgestellt.
Was erwarten Sie in diesem Kontext von den Destinationen, die Sie für Ihren internationalen ISTH Congress auswählen?
Mehr und mehr. Auf der einen Seite wird Nachhaltigkeit immer mehr Teil der Entscheidungskriterien zu einem Veranstaltungsort – zum Beispiel die Verfügbarkeit und die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln für die Kongressteilnehmer anstatt von Bussen, die Infrastruktur des Kongresszentrums und der Hotels und Konzepte beispielsweise gegen Lebensmittelverschwendung. Auf der anderen Seite werden wir mehr und mehr über Risikomanagement, Reduktionen und so weiter mit unseren Partnern und Destinationen sprechen, denn dieses Risikomanagement kann unsere Organisation ja nicht selbst übernehmen.

„Wir werden mehr und mehr über Risikomanagement mit unseren Partnern und Destinationen sprechen, denn dieses Risikomanagement, kann unsere Organisation ja nicht selbst übernehmen.“
Thomas Reiser, Executive Director der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH)
Verfügen Sie über ein Risikomanagement oder einen Maßnahmenplan für den Fall, dass eine Ihrer Veranstaltungen von einem extremen Wetterereignis wie einer Hitzewelle heimgesucht wird?
Wir sind gerade dabei, einen Maßnahmenplan auszuarbeiten.
War eine Ihrer Veranstaltungen bereits von einem Extremwetterereignis betroffen?
Glücklicherweise sind wir davon noch verschont geblieben. Die schlimmste Situation war, dass die Klimaanlage in einem Konferenzzentrum nicht so kühlen konnte, wie es ideal gewesen wäre.
Könnten in diesem Kontext Temperatur und Wetter zukünftig ein wichtiges Kriterium für Veranstalter werden, das gewisse Regionen ausschließt?
Ja und nein. Wie bereits bemerkt, kann man gewisse Risiken auch nicht mehr in Regionen ausschließen, die bis vor wenigen Jahren noch als ganz sicher galten. Aber natürlich werden wir in der Vergabe noch mehr darauf achten und unsere Destinationen und Partner nach deren Risikomanagement oder Maßnahmenplan auswählen.
ISTH Congress
Zum ISTH-Kongress treffen sich 5.000 bis 7.000 Experten auf dem Gebiet der Thrombose, Hämostase und Gefäßbiologie, um die jüngsten Fortschritte zu präsentieren, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auszutauschen und die neuesten klinischen Anwendungen zur Verbesserung der Patientenversorgung zu diskutieren. Das umfangreiche Programm an Fortbildungsveranstaltungen, Postern und Vorträgen, Ausstellungen der medizinischen Industrie und Networking-Möglichkeiten fördert den wissenschaftlichen Diskurs und Fortschritt. Der ISTH Congress 2023 hat vom 24. bis 28. Juni in Montreal, Kanada, stattgefunden. Der ISTH Congress 2024 geht vom 22. bis 26. Juni nach Bangkok, Thailand.
Der ISTH Congress 2023 vom 24. bis 28. Juni im Palais des Congrés de Montréal. Foto: ISTH
„Das extreme Wetter, von dem im Juli viele Millionen Menschen betroffen waren, ist leider die harte Realität des Klimawandels und ein Vorgeschmack auf die Zukunft“, sagt Prof. Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie. Und weiter: „Die Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, ist dringender als je zuvor. Klimamaßnahmen sind kein Luxus, sondern ein Muss.“ Stimmen Sie ihm zu?
Absolut.
Was unternimmt die International Society on Thrombosis and Haemostasis, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die beim ISTH Congress entstehen?
Es geht uns nicht nur um Treibhausgase, sondern auch um Lebensmittelverschwendung und andere Umweltfragen. Wir versuchen, das holistischer und im Kontext der UN Sustainable Development Goals sehen – zumindest jenen der 17 Nachhaltigkeitsziele, die wir auch beeinflussen können, wie Ziel 5 Gender Equality, Ziel 4 Quality Education, Ziel 8 Decent Work and Economic Growth, Ziel 9 Industry, Innovation and Infrastructure, Ziel 3 Good Health and Wellbeeing. Es geht darum, den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, aber dennoch die anderen, ebenfalls wichtigen Ziele zu verfolgen.
Mission Statement ISTH
Die International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) fördert das Verständnis, die Prävention, die Diagnose und die Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Thrombose und Hämostase. Die Gesellschaft widmet sich der Entwicklung wissenschaftlicher Entdeckungen und klinischer Praktiken, der Förderung junger Fachkräfte und der Ausbildung von Ärzten, Wissenschaftlern und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, wo auch immer sie leben.
Haben Sie noch andere Überlegungen zum Thema?
„It is complicated“ ... Gerade der Tagungsbereich kann die Umwelt stark belasten, aber er fördert auch ungemein den Austausch von wichtigen Informationen, neuen Entwicklungen – wie in unserem Bereich neue Therapieansätze –, die Wirtschaft, die Völkerverständigung usw. Damit tragen internationale Kongresse zu einer wichtigen Weiterentwicklung der Menschheit bei. Ich bin ein großer Verfechter eines Ansatzes, der sich darauf fokussiert, innovative Lösungen zum Klimaschutz – und zu vielen anderen Themen – zu finden, anstatt zu sagen, man müsse mit etwas kategorisch aufhören.