Kolumne von Kim Kugelmann, Verbandsreferentin Contentmanagement und Young Professionals beim Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik)

Ich bin dann mal weg

Wer ist Kim Kugelmann?

Montagmorgen im August, ich sitze vor einem halbfertigen Skript für diese Kolumne, die eigentlich schon längst fertig sein sollte. Ich habe zwar ein schlechtes Gewissen, bin aber auch ein bisschen stolz auf mich … Wieso? Ich komme gerade aus einem zweiwöchigen Urlaub, in dem ich mir eigentlich vorgenommen hatte, meine Gedanken in Worte zu fassen, doch dazu kam ich „leider“ nicht.

Ich hatte noch andere Pläne für meinen „Urlaub“, die mehr mit Arbeit zu tun hatten als mit Entspannung – und so geht es wahrscheinlich vielen von Ihnen. Gerade in der Sommerferien-Saison lese ich in Abwesenheitsnotizen immer öfter, dass man im Urlaub sei und die E-Mails daher nur sporadisch lese. Sollte der Laptop im Urlaub nicht eigentlich zu Hause bleiben?

Natürlich gibt es immer Ausnahmen und Erklärungen, weshalb das in manchen Positionen einfacher ist als in anderen: „Das machen ja alle so“ – sollte aber keine Begründung sein, denn damit befeuern wir das Hamsterrad. Deshalb möchte ich mich an eine Problemanalyse und Lösungsansätze machen. Obwohl ich dem (meist selbst gemachten) Leistungsdruck schon zeitweise verfallen bin, möchte ich ihm keinen Raum geben.

Die Problemstellung

Bei der Selbstreflexion habe ich folgende Probleme identifiziert: Meine sehr deutsche Arbeitseinstellung im Sinne von „Viel hilft viel“, also immer erreichbar sein, alles sofort machen – und es gibt sowieso immer etwas zu tun. Dazu kommt unsere sich wandelnde Gesellschaft und Arbeitswelt, denn die Schnelllebigkeit der VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) fördert genau diese Denkmuster: Man weiß nie, was als Nächstes kommt, und „muss“ folglich immer in Bereitschaft sein.

On top gibt es noch die Ambition, alles selbst zu machen, anstatt eine Aufgabe an die KollegInnen abzugeben. Diese Faktoren bringen uns in unseren persönlichen Workaholic-Kreislauf, in dem sich einige unfreiwillig wiederfinden. Folglich ist es Zeit für eine individuelle Analyse und ein bisschen Troubleshooting.

„Social Media ist eine Herausforderung, von einem Business-Kanal kann man sich nicht so leicht verabschieden, und auf aktuelle Geschehnisse muss agil reagiert werden.“

Kim Kugelmann, Verbandsreferentin Contentmanagement und Young Professionals beim Bundesverband Industrie Kommunikation (bvik)

Die Arbeitswelt einer VUCA-Gesellschaft

Die Arbeitsmoral, die auch stark von Netzwerken wie LinkedIn und Co propagiert wird, ist paradox und toxisch. Da liest man einen Beitrag nach dem anderen über Workations, Lunch-Dates und Work-Life-Balance. Gleichzeitig posten diese Leute aber mehrere Beiträge am Tag, inklusive Wochenende – und das bei einem Vollzeitjob, wo oft 120 % gegeben werden müssen.

Wirkliche Pausen zum Abschalten werden zum Luxus. Ab und zu lese ich, wie sich eine Person von LinkedIn „verabschiedet“, um eine Woche Urlaub zu machen. Ich halte mich in meinen Urlauben grundsätzlich von LinkedIn fern, eine der wenigen Grenzen, die mir einzuhalten leichter fällt.

Generell bleibt Social Media aber eine Herausforderung. Von einem Business-Kanal kann man sich nicht so leicht verabschieden und auf aktuelle Geschehnisse muss agil reagiert werden. Man kann diese Ereignisse schlecht planen und Content vorbereiten und möchte die KollegInnen nicht damit belasten – diese haben auch nicht unbedingt den richtigen Bezug zu den Plattformen.

Gute Lösungen gibt es nur bedingt. Vielleicht kann man den Content für zwei Wochen Urlaubszeit mal etwas runterfahren? Es hilft jedenfalls, sich vor Augen zu halten, dass ein Großteil des Leistungsdrucks hausgemacht ist. Beeinflusst durch unrealistische Darstellungen in sozialen Netzwerken und eine antrainierte ungesunde Arbeitsvorstellung. Urlaub und Wochenenden sind erlaubt!

Alles muss man selbst machen

Die naheliegendste Lösung wäre, wie erwähnt, Arbeit zeitweise an KollegInnen abzutreten. Wieso bitten wir also unsere Teams nicht mehr um Unterstützung? Einerseits will ich meinen ohnehin ausgelasteten KollegInnen nicht noch mehr Arbeit zuschieben. Sie würden mich sicherlich gerne unterstützen, aber das eigene Gewissen lässt das oft nicht zu.

Das ist kein Team-Building, sondern Team-Living: Das bvik-Team hat auf dem eigenen Bürogelände am Gaswerk den Sommer gefeiert, trotz diverser Urlaubsüberschneidungen!

Andererseits muss ich mir an die eigene Nase fassen: Als selbst diagnostizierter Sturkopf möchte ich die Aufgaben so erledigt wissen, wie ich es möchte. Der Kontrollverlust bei Arbeitsabgabe ist für mich schwer hinzunehmen. Daran arbeite ich aber – durch das Nichtarbeiten, versteht sich. 😉 Diese Einstellung hat nichts mit der Kompetenz des Teams zu tun, an der habe ich keine Zweifel. Oft hat man aber das Gefühl, bevor man etwas lange erklärt, hat man es schneller selbst gemacht. Es sei gesagt: Das ist ein Irrglaube. Es dauert aus eigener Erfahrung wesentlich länger!

Und nun?

Es gibt nur eine Lösung für meine (und vielleicht Ihre) Symptomatik: Kommunikation. Diese Erkenntnis ist nicht bahnbrechend, und doch bin ich im Kommunizieren sehr schlecht. Wenn man diese Probleme, Zweifel und Arbeitspakete im Team und mit den KollegInnen bespräche, gäbe es (fast) kein Problem mehr. Schließlich weiß ich, dass auf mein Team Verlass ist. Deshalb nehme ich mir vor, zukünftig bewusster und kommunikativer an diese Herausforderungen ranzugehen.

Übrigens …

… habe ich meinen Urlaub sehr genossen und tatsächlich abgeschaltet. Wegen meiner ambitionierten Planung sind dabei ein, zwei Sachen in Verzug geraten, aber nicht essenziell – jeder hat es verkraftet. Mein Team habe ich trotzdem gesehen, ganz freiwillig und ohne Arbeitsbezug. Das spricht für sich und unser hervorragendes Klima. Ich hoffe, dass Sie auch den Sommer nutzen konnten, um einmal abzuschalten und private Erinnerungen zu schaffen!

Kim Kugelmann

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Foto: bvik