Energetische Sanierung
Der Anfang zur Klimaneutralität
Am 18. April 2023 konnte die Festhalle Ilmenau nach einer denkmalgerechten Generalsanierung wiedereröffnen. Foto: Ruge + Messerschmidt
Am 18. April 2023 konnte die Festhalle Ilmenau nach einer denkmalgerechten Generalsanierung wiedereröffnen. Foto: Ruge + Messerschmidt
Keine Energiewende ohne Wärmewende. Für die erste Sitzungswoche des Bundestags Anfang September steht die zweite und dritte Lesung der Gebäudeenergiegesetz-Novelle auf der Tagesordnung, die so schnell wie möglich verabschiedet werden soll. Die Änderungen betreffen sowohl Wohngebäude als auch Nichtwohngebäude wie Veranstaltungshäuser. Der Modernisierungsstau ist enorm, Förderungen des Bundes sollen Abhilfe schaffen.
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein. Dazu wurden zuletzt im Juni 2021 stärkere Klimaschutzziele beschlossen. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht vor, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 Prozent, bis 2040 um mindestens 88 Prozent im Vergleich zu 1990 schrittweise zu reduzieren. Wichtiger Zusatz im Gesetz: „Klimaschutzziele können erhöht, aber nicht abgesenkt werden.“ Um diese Ziele einzuhalten, sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen in der Pflicht: Der Bereich, in dem in Deutschland sogar die meisten CO2-Emissionen durch Energieverbrauch sowie verbaute sogenannte graue Emissionen für Bau und möglichen Rückbau verursacht werden, ist der Gebäudesektor. Damit kommt ihm für den Klimaschutz eine besondere Rolle zu.

Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz wurden im Jahr 2020 etwa 16 Prozent der Treibhausgasemissionen dem Gebäudesektor zugeordnet. Betrachtet man zusätzlich die Emissionen zum Betrieb und die Errichtung von Gebäuden, die in den Sektoren Energiewirtschaft und Industrie anfallen, gehen nach dem Verursacherprinzip 40 Prozent der Treibhausgasemissionen auf Gebäude zurück. So der dena Gebäudereport 2022 nach Daten vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), 2020. Bild: dena Gebäudereport 2022
Bis zum Jahr 2030 reduziert sich die im KSG festgelegte zulässige Jahresemissionsmenge im Gebäudebereich von aktuell 102 auf 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. So drängt die Energiewende, und mit ihr die Wärmewende. Denn der größte Teil des Endenergiebedarfs in Gebäuden verbucht die Bereitstellung von Raumwärme sowie Warmwasser. Wie im Verkehr überlässt man hier momentan noch fossilen Ressourcen das Feld, allem voran dem Erdöl und -gas. Zurzeit werden gerade einmal 17,4 Prozent des Wärmebedarfs aus regenerativer Energie gedeckt. Dies soll sich allerdings ab nächstem Jahr ändern.
Die Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hat im aktuellen Entwurf das erklärte Ziel, den Anteil Erneuerbarer Wärme auf 65 Prozent zu erhöhen. „Der Erneuerbare-Energien-Ausbau ist das Fundament für alles andere“, sagt Simon Müller, Direktor des Denk- und Politiklabors Agora Energiewende. Die Visionen über die Transformation in der Energiewende leben von der Prämisse, dass es dereinst gelingt, genügend elektrische regenerative Energie – auch zum Heizen – zu erzeugen. In der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause des Bundestages soll Anfang September (erneut) die Reform des Heizungsgesetzes auf der Tagesordnung stehen. Wird die GEG-Novelle wie geplant verabschiedet, soll es bis auf wenige Ausnahmen ab dem 1. Januar 2024 ein Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen geben und Wärme zu einem großen Teil von erneuerbaren Energien geliefert werden, von „grünem“ Strom und Wärmepumpen.
Klimaneutralität in Veranstaltungshäusern
Davon betroffen sind neben Wohngebäuden auch Nichtwohngebäude, zu denen 220.000 deutschlandweit in den Bereich Freizeit, Sport und Kultur zählen. Für die im Europäischen Verband für Veranstaltungszentren e.V. (EVVC) organisierten Mitglieder hat der Fachverband Anfang dieses Jahres ein Papier mit elf konkreten Maßnahmen und Leitlinien verfasst, um sich zukünftig klimaneutral aufzustellen. „Wir wollen proaktiv die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen unterstützen und früher als von der Bundesregierung geplant vor 2045 klimaneutral sein“, erklärt Prof. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist DBU Zentrum für Umweltkommunikation sowie EVVC-Vorstand für CSR und Nachhaltigkeit.
Konkret bedeutet das, dass bis 2030 flächendeckend Angebote für klimaneutrale Veranstaltungen durch Mitglieder und Partner des EVVC zur Verfügung stehen und bereits bis 2040, fünf Jahre früher als Deutschland und zehn Jahre vor Europa, alle im Fachverband organisierten Veranstaltungszentren klimaneutral sein sollen. Damit drängt die Zeit für Veranstaltungshäuser, deren energetischer Zustand noch nicht optimal ist. Nach Angaben des EVVC wurde ein großer Teil von ihnen in den 1960er bis 1980er Jahren erbaut und eine Modernisierung sei nicht nur aus gesetzlichen Vorgaben erforderlich, sondern auch aus gestalterischen Gründen und um den technischen Anforderungen seitens der Kunden nachzukommen.
Foto: Hochschule Osnabrück
„Wir wollen proaktiv die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen unterstützen und früher als von der Bundesregierung geplant vor 2045 klimaneutral sein.“
Prof. Markus Große Ophoff, Fachlicher Leiter und Prokurist DBU Zentrum für Umweltkommunikation sowie EVVC-Vorstand für CSR und Nachhaltigkeit
Veranstaltungszentren als Anlaufstellen in den jeweiligen Städten stehen etwa zu 95 Prozent unter kommunaler Trägerschaft. Sie emittieren jährlich aufgrund ihrer Nutzungsintensität und der Anzahl der Besuchenden etwa 300 000 Tonnen CO2, die durch entsprechende energetische Maßnahmen zu 40 Prozent reduziert werden könnten. Dabei kommt eine energetische Sanierung nicht nur dem Klimaschutz zugute, zu dem sich viele Kommunen in Deutschland bereits eigene Ziele gesetzt haben. Neben der Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge und der wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Region, lassen sich mit einer Sanierung langfristig Kosteneinsparungen erzielen: In jedem Jahr zahlen deutsche Städte, Landkreise und Gemeinden in Summe 3,4 Milliarden Euro allein für die Strom- und Wärmeversorgung ihrer Liegenschaften.
Die drei Hebel
Eine nötige energetische Sanierung setzt an den drei Hebeln für weniger Treibhausgase im Gebäudesektor an: Die wirksamsten Möglichkeiten, die Emissionen in Gebäuden zu verringern, sind die Verbesserung der Energieeffizienz, die Nutzung von weniger kohlenstoffintensiven Energiequellen und die Förderung umweltfreundlicher Baupraktiken. Die Energieeffizienz im Gebäudebetrieb lässt sich durch eine Dämmung der Fassaden und den Einbau von Fenstern und Türen mit geringem Wärmeverlust in Richtung zum Passivhausstandard, einem Austausch der Anlagentechnik sowie einer Optimierung der Steuerung der Gebäudetechnik erreichen. Erneuerbare Energien lassen sich für die Wärmeversorgung beispielsweise durch den Einbau von Wärmepumpen, den Ausbau von Wärmenetzen und mit einer Stromversorgung durch Photovoltaik oder Solarthermie einbinden. Zudem sollten anstelle von Neubauten vorhandene Gebäude genutzt werden und für deren Sanierung kreislauffähige Materialien und Konstruktionen zum Einsatz kommen.
Durch die erforderliche Multifunktionalität oder auch dem zu berücksichtigenden Denkmalschutz von Veranstaltungshäusern können technische Besonderheiten entstehen, die bei einer Sanierung berücksichtigt werden müssen. Der eng getaktete Veranstaltungskalender gibt Zeiträume vor, in denen einzelne Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, wenn eine Komplettsanierung (noch) nicht vonnöten ist. Ansonsten ist eine Schließung der Halle notwendig. Komplexe Maßnahmen, die einen Planungsvorlauf benötigen und immer auch personelle und monetäre Ressourcen binden. Der Sanierungsstau wird nach einer Befragung der EVVC-Mitglieder auf Werte von 300.000 bis zu 50 Millionen Euro pro Halle geschätzt.
Je nach Zustand des Gebäudes, der Größe und Beschaffenheit sind die entsprechenden Bedarfe zu ermitteln, die in einen zeitlich angepassten und speziell angefertigten Sanierungsfahrplan resultieren. Der erste Schritt für Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen, um die von ihnen genutzten Gebäude, technischen Anlagen und Geräte energieeffizient zu betreiben, ist die Durchführung einer professionellen Energieberatung. Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) führt dazu eine Energieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes, in der sich qualifizierte Berater:innen mit nötiger Fachkenntnis zu energieeffizientem Bauen und Sanieren finden lassen. Entsprechend ihrer Qualifikation sind die Expert:innen antragsberechtigt für die jeweiligen Förderprogramme des Bundes, die Beratung selbst kann ebenso gefördert werden.
Förderprogramme des Bundes
- Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme (EBN); Zuschuss Fördersatz: max. 80% der förderfähigen Ausgaben Modul 1: Energieaudit DIN EN 16247 Modul 2: Energieberatung Sanierungskonzept gemäß DIN V 18599 Modul 3: Contracting-Orientierungsberatung
- Bundesförderung für effiziente Gebäude – Fachplanung und Baubegleitung; (BAFA und KfW) Zuschuss Fördersatz: max. 50% der förderfähigen Kosten
- Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM); (BAFA) Zuschuss Fördersatz: 15 % für Maßnahmen an der Gebäudehülle, Anlagentechnik, Heizungsoptimierung; 10 - 25 % für Maßnahmen an der Heizungsanlage; 50 % Fachplanung und Baubegleitung
- Bundesförderung für effiziente Gebäude – Nichtwohngebäude (BEG NWG); (KfW (263)) Kredit mit Tilgungszuschuss Fördersatz: zinsvergünstigter Kredit mit max. 20% Tilgungszuschuss, auch Denkmal separat möglich
- Bundesförderung Serielle Sanierung; (BAFA) Zuschuss Fördersatz: max. 60% im Modul I, max. 55% im Modul II, max. 20% im Modul III
- Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW); (BAFA, KfW, VDI) Zuschuss und Kredit Fördersatz: unterschiedlich, je nach Modul und Unternehmensgröße
Weitere Informationen: Förderwegweiser Energieeffizienz des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
Dass eine Instandhaltung mit gleichzeitiger Modernisierung eine kontinuierliche Aufgabe ist, zeigt ein Blick auf die Messe Frankfurt. Das kürzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominierte Unternehmen hat bereits im Zeitraum von 2005 bis 2007 mit der energetischen Sanierung begonnen. Hauptaugenmerk wurde dabei auf den Austausch der „Energiefresser“ wie Lüftungsgeräte, Pumpen, Kältemaschinen oder Beleuchtung nach Ablauf ihrer Lebenszeit gelegt. Zuletzt wurde im Jahr 2019 die neue Messehalle 6 fertiggestellt, die seit 1963 zum Bestand des Messegeländes zählt. Sechs Jahre zuvor wurde im ersten Schritt die Fassade erneuert, gedämmt und eine brandschutztechnische Sanierung durchgeführt. Im Anschluss daran wurde die Halle komplett entkernt und revitalisiert.

Die Halle 6 der Messe Frankfurt bei ihrer Entkernung. Foto: Messe Frankfurt GmbH, Jean-Luc Valentin
Unter anderem wurde im Zuge der Sanierung die Ebene 6.3 als Technikebene ausgebaut, um dem größeren Flächenbedarf der Haustechnik gerecht zu werden. Besonderer Fokus lag auf der Klimatisierung der Halle. Das vorhandene Entrauchungssystem wurde in die neue Lüftungstechnik integriert, um die Investitionskosten zu reduzieren. Diese beliefen sich auf etwa 35 Millionen Euro für das Projekt, das nach dem KfW-Standard 70 gefördert wurde. Um die energetische Mindesteffizienz dieser Förderung zu erreichen, mussten neben der Modernisierung der Haus- und Elektrotechnik, bei der u.a. alle Schaltschränke und Verkabelungen erneuert sowie alle Lichtbänder auf LED umgestellt wurden, auch die Glasfassaden an der Ost- und Westseite neugestaltet werden.
Aber auch kleinere energetische Sanierungsmaßnahmen können einen erheblichen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch haben. Im Rahmen der Sanierung des historischen Kuppelsaals des Hannover Congress Centrums (HCC) im Jahr 2015 wurden die sieben Kronleuchter mit 11.000 Kristallelementen nach Vorgaben der oberen Denkmalschutzbehörde des Bundes komplett auf ein LED-System mit insgesamt 1.120 Leuchtmitteln umgerüstet. Die Herausforderung bestand darin, das geeignete Leuchtmittel zu finden, das die Optik im Idealfall erhält und sich dimmen lässt. Die Kosten beliefen sich auf 110.000 Euro, das Projekt wurde von der DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert. Nach Angaben des HCC konnte mit den neuen Leuchtmitteln eine Stromeinsparung von 93%, also etwa 53.000 Euro gegenüber den Beleuchtungskosten mit den herkömmlichen Birnen erzielt werden. Damit habe sich der CO2-Ausstoß um 124 Tonnen pro Jahr verringert.
Gleichzeitig wächst die Anzahl anderer erfolgreich umgesetzter Sanierungsprojekte, die zeigen, welche Möglichkeiten beim klimafreundlichen Sanieren bestehen, kontinuierlich. Durch den Einsatz innovativer Technologien, ganzheitlicher Ansätze mit Hilfe von Expert:innen und dem Engagement der Kommunen mit ambitionierten Förderungsinstrumenten, kann sich die Veranstaltungsbranche auf den Weg Richtung Klimaneutralität machen. Voraussetzung dafür ist eine Planungssicherheit durch den Gesetzgeber.