Foto: HTW Berlin
Editorial

Kerstin Wünsch
Chefredakteurin tw tagungswirtschaft kerstin.wuensch@dfv.de
Learnings von Burning Man
70.000 Gestrandete und ein Toter. Das ist die traurige Bestandsaufnahme zum Festival Burning Man 2023. Am ersten Septemberwochenende fegt ein nie dagewesener Starkregen durch Nevada, überflutet Las Vegas und weiter nördlich das Festivalgelände in der Black-Rock-Wüste. Die Behörden erklären das Gelände zur Notunterkunft und sperren die Zufahrtsstraße. Die Besucher müssen dort ausharren und mit ihren Vorräten haushalten. In kurzen Abständen informieren die Veranstalter in ihrem 2023 Wet Playa Survival Guide.
Von diesem Extremwetter-Ereignis erfahre ich in der Tagesschau und fühle mit den Teilnehmern und Veranstaltern mit. Während ich mich frage, was das für Folgen für Veranstaltungen hat, tauschen sich andere bereits auf LinkedIn aus. Eventprofessionals diskutieren eine neue Realität mit extremen Wetterlagen, Klimawandel, Risikomanagement und die Konsultation von Meteorologen. Konsens ist, dass nicht nur Veranstaltungen unter freiem Himmel betroffen sind, sondern alle. Schließlich müssen die Menschen sicher von A nach B und zurück nach A kommen und dürfen vor Ort nicht ihre Gesundheit gefährden.
Starkregen, Stürme, Hitze und Trockenheit gefährden Events, weshalb Thomas Reiser, Executive Director der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH), Extremwetter zu einem gewissen Grad immer schon bei der Destinationswahl für den ISTH Congress im Auge hat. „Was uns aber mehr Probleme bereitet, sind Gegebenheiten, die wir uns vor ein oder zwei Jahren noch kaum vorstellen konnten, wie zum Beispiel Wasserknappheit in Mitteleuropa oder Stromausfälle wegen starker Hitze“, sagt Thomas Reiser im Interview. „Davor ist man eigentlich nirgendwo mehr sicher.“ Er wird mehr und mehr über Risikomanagement sprechen.

„Wir werden mehr und mehr über Risikomanagement mit unseren Partnern und Destinationen sprechen.“
Thomas Reiser, Executive Director der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH)
Daran tut Reiser gut, denn die mit der globalen Erwärmung einhergehenden Extremwetter stellen nach Ansicht der Weltorganisation für Meteorologie einen neuen Normalzustand dar. „Das ist die neue Normalität und kommt nicht überraschend”, bemerkt dazu Alvaro Silva, Klimaexperte bei der Genfer Organisation. Und weiter: „Die Häufigkeit und Intensität vieler Extremereignisse, wie Hitzewellen und Starkniederschläge, haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Es besteht eine große Gewissheit, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel durch Treibhausgasemissionen die Hauptursache ist.“
Extremwetter erfahren
Eine Extremwetter-Erfahrung macht Gorazd Čad im August in Slowenien. Sein Land erlebt verheerende Überschwemmungen und Erdrutsche und muss die EU und die Nato um technische Hilfsgüter zur Beseitigung der Schäden bitten. Der Gründer der MICE-Fachmesse Conventa in Ljubljana nimmt an, dass solche Naturkatastrophen häufiger auftreten werden. Čad: „Wir dürfen die Situation nicht unterschätzen. Ich hoffe, wir haben in diesem Sommer unsere Lektion gelernt.“
Dieser Sommer geht als einer der wärmsten in die Aufzeichnungen der Meteorologen ein und der Juli als der wärmste Monat. Die hohen Temperaturen fördern Extremwetter. Dass die Kongressindustrie ausgesprochen klimasensibel ist und folglich an ihrer Klimaresistenz arbeiten muss, liegt auf der Hand. Das Forschungsprojekt „Klimaangepasste Events durch resiliente Wertschöpfungsketten – ein Pilotprojekt in Bad Essen“ hat seine Arbeit aufgenommen und entwickelt einen Werkzeugkoffer mit Maßnahmen und einem Risikomanagement.
Nur ist die Arbeit damit nicht getan: Als Branche müssen wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Hier interessiert mich, ob und wie Extremwetter die Art und Weise beeinflusst, wie wir über den Klimawandel fühlen, denken und dann handeln. Helfen uns diese Ereignisse, unsere psychologische Distanz zu überwinden? Sie beschreibt die Entfernung eines Objektes in einer zeitlichen, räumlichen oder sozialen Dimension. Während sich der Klimawandel für uns also abstrakt und vage anfühlen kann, können wir extreme Wetterereignisse körperlich erfahren. Und ich frage mich: Wird das zu einer Verhaltensänderung im Veranstaltungsmanagement führen?
Der September leitet nicht nur die Hochsaison für Kongresse ein, sondern die Halbzeit für die Agenda 2030 für globale Nachhaltigkeit. Die 193 Mitgliedsländer sind weit davon entfernt, die 17 Sustainable Development Goals (SDG) zu erreichen, darunter SDG 13 mit Maßnahmen zum Klimaschutz. Die Global Week to #Act4SDGs will hier aktivieren. Zur Online-Veranstaltung „Unite to act“ am 18./19. September 2023 erhalten Eventprofessionals einen Einblick in die Nachhaltigkeitsziele und nachhaltiges Eventmanagement mit Referenten von Race to Zero, ISO, Paris24 und dem Internationalen Olympischen Komitee. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn es nicht auch um die Learnings von Burning Man gehen wird. Sehen wir uns?