Interview Patrick Rothkopf
„Wir haben alle eine Gesamtverantwortung“
Patrick Rothkopf: Ich bin der Meinung, dass wir alle eine Gesamtverantwortung haben, mit Energie insgesamt sparsamer umzugehen. Und da zählt jede eingesparte Kilowattstunde. Foto: DEHOGA
Patrick Rothkopf: Ich bin der Meinung, dass wir alle eine Gesamtverantwortung haben, mit Energie insgesamt sparsamer umzugehen. Und da zählt jede eingesparte Kilowattstunde. Foto: DEHOGA
Patrick Rothkopf ist Präsident des DEHOGA Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des neuen Bundesausschusses für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit des DEHOGA Bundesverbandes. Im Interview spricht er über die Energiekampagne Gastgewerbe, dramatische Energiekosten, die richtige Raumtemperatur und einen starken Schub für die Energiewende.
tw tagungswirtschaft: Im vergangenen Winter hieß es in der Corona-Pandemie: Lüften, um die Viruslast zu senken. Diesen Winter wird es wohl heißen: Fenster schließen, um den Energieverbrauch zu senken. Eine echte Zwickmühle, oder? Patrick Rothkopf: Ja und nein. Auf den ersten Blick scheinen diese Ratschläge wohl widersprüchlich. Doch für ein gesundes Raumklima und eine gute Raumtemperatur ist regelmäßiges und vor allem effizientes Lüften immer wichtig. Das sogenannte Stoßlüften durch komplette Öffnung des Fensters ist also auch während der Energiekrise unerlässlich und noch dazu die beste Maßnahme, um die Virenlast in einem Raum schnell zu senken. Zum Beispiel wird eine Stoßlüftung von vier bis sechs Minuten in den Monaten Dezember bis Februar empfohlen. Lüftungsdauer sowie wertvolle Hinweise, wie sich Lüften und Energiesparen nicht ausschließen, finden Sie im Energie-Sparblatt „Lüftung und Klima“ der Energiekampagne Gastgewerbe des DEHOGA Bundesverbandes, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Was raten Sie Event-Professionals, wenn sie Veranstaltungen in den Wintermonaten planen?
Wir gehen im Moment davon aus, dass die Energieversorgung für die nächsten Wochen und Monate gewährleistet ist. Ob dies bis Februar oder März 2023 der Fall sein wird, ist von vielen Faktoren abhängig, die wir nicht beurteilen können. Die Verträge sollten auf jeden Fall sorgfältig geprüft und gegebenenfalls nachverhandelt werden.
Sie sind Umwelt- und Energieexperte des DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). Können Sie sagen, wie hoch der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten in Hotels vor der Energiekrise war und wie hoch er jetzt ist?
Nach dem „Betriebsvergleich Hotellerie und Gastronomie Deutschland 2019“ der BBG Consulting lag der Anteil der Gesamtenergiekosten am Jahresnettoumsatz 2019 in der Hotellerie bundesweit durchschnittlich zwischen 4,4 % und 7,9 %, je nach Betriebsart und Umsatzgröße. Nach einer DEHOGA-Umfrage von Ende August/Anfang September 2022 verzeichnen aktuell bereits 49,5 % der Betriebe in der Hotellerie einen Anteil von mehr als 10 % Energiekosten am Jahresnettoumsatz. Bei 9,5 % der Betriebe liegt dieser Anteil sogar bei mehr als 20 %. Dies zeigt, wie dramatisch die Energiekostensituation in den Betrieben heute schon ist.
Die neu gewählte Spitze des DEHOGA-Bundesausschusses für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit besteht aus Patrick Rothkopf (Mitte), Hotel Restaurant Rothkopf in Euskirchen, Jasmin Ohlendorf, Renthof Kassel in Kassel, und Klaus-Günther Wiesler, Seehotel Wiesler in Titisee-Neustadt. Foto: DEHOGA
Den Handlungsempfehlungen zur Senkung der Energiekosten im Rahmen der DEHOGA-Energiekampagne zufolge lassen sich 10 % der Energiekosten durch kleine Änderungen im Betriebsablauf sparen. Welche sind das?
Mögliche organisatorische Änderungen sind vielfältig und haben unterschiedliches Potenzial zur Energieeinsparung. Wichtige Maßnahmen sind zum Beispiel: die richtige Einstellung der Temperaturen in den verschiedenen Räumen, denn jedes Grad Raumtemperatur weniger spart etwa 6 % Ihrer Heizkosten. Dasselbe gilt für die Einstellung der Kühlung, die in der Regel bei 7°C und tiefgekühlt bei minus 18°C liegt: Bei Abweichungen von je 1°C zu tief eingestellter Kühltemperatur werden circa 4 % bis 6 % mehr Energie benötigt. Zudem ermöglicht neben dem sparsameren Wechsel von Handtüchern und Bettwäsche insbesondere der gezielte Einsatz von Minibars große Stromersparnisse. Oft sind Minibars für 5 % bis 10 % des gesamten Energieverbrauchs eines Hotels verantwortlich und ein Einsetzen oder Einschalten nur auf ausdrücklichen Wunsch der Gäste kann da Wunder wirken.
Energieverbrauch senken, Energiekosten sparen
Drei Tools aus der DEHOGA Energiekampagne
DEHOGA Fördermittelwegweiser: Der Fördermittelwegweiser sammelt und sortiert für die Gastrobranche relevante, aktuelle Förderprogramme des Bundes zu Themen wie Bauen und Sanieren, Energieberatung, Erneuerbare Energien, Gebäudetechnik und Prozesse, Mobilität und Logistik sowie Ressourcen.
DEHOGA Wirtschaftlichkeitsrechner: Die Wirtschaftlichkeitsrechner zeigen, ob sich eine Energieeffizienzmaßnahme wirtschaftlich lohnt. Die Rechner gibt es zum Heizungstausch, LED-Beleuchtung, Photovoltaik und Solarthermie.
EnergieCheck-App: Mit der EnergieCheck-App von co2online lassen sich die Verbräuche im Blick behalten und regelmäßig die Stände von Wasser-, Strom- oder Wärmezähler auslesen.
Was braucht es, damit die Belegschaft mitzieht?
Hier braucht es erfahrungsgemäß erst einmal Antworten auf das „Warum“ von Veränderungen. Wir empfehlen ein oder mehrere Teammeetings, bei denen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv einbezogen werden und noch eigene Ideen einbringen können. Dabei ist eine Bottom-up-Herangehensweise in der Regel erfolgreicher, als Top-down-Anweisungen zu erteilen. Vielleicht kann man besonders gute Ideen, die im Betrieb auch umgesetzt werden, prämieren.
Und die Kunden – seien es die Gäste in Hotels oder die Teilnehmer von Tagungen?
Hierbei ist die Frage, wie man das Thema ehrlich und authentisch bei Kontakt mit den Gästen aktiv und positiv kommunizieren kann, etwa bei der Buchung, in der Social-Media-Kommunikation, an der Rezeption, in der Lobby, im Zimmer oder in Tagungsunterlagen. Also nicht dogmatisch oder belehrend, sondern immer einladend und informativ agieren, um damit Gäste und Teilnehmer von Tagungen aktiv mitwirken zu lassen. Bestenfalls nehmen diese noch etwas mit, das sie wiederum an andere weitergeben können.
Was erwidern Sie jenen Menschen, die meinen: „Das bringt doch nichts!“? Kleinvieh macht auch Mist. Die Summe daraus kann man kalkulieren. Die korrekte Umsetzung diverser Maßnahmen führt zu substanziellen Einsparungen, die sich zum Ende des Monats schwarz auf weiß auf der Nebenkostenabrechnung wiederfinden. Für mich ist die Vorstellung hilfreich, was passiert, wenn alle mitmachen und dann die gesparten Energiemengen in die Höhe schnellen. Wer es aber immer noch nicht glaubt, kann gerne die Wirtschaftlichkeitsrechner auf unserer Webseite der Energiekampagne Gastgewerbe nutzen, um die Einsparungen konkret für das eigene Unternehmen durchzurechnen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir alle eine Gesamtverantwortung haben, mit Energie insgesamt sparsamer umzugehen. Und da zählt jede eingesparte Kilowattstunde.
20 Maßnahmen zur schnellen Senkung von Energiekosten
Der DEHOGA hat aus den Handlungsempfehlungen der Energiekampagne 20 Einsparmaßnahmen zusammengestellt, die schnell und kostengünstig umgesetzt werden können. Durch kleine Umorganisationen im täglichen Betriebsablauf können bis zu 10 % der Gesamtenergiekosten eingespart werden, mit minimalen technischen Maßnahmen weitere 10 %.
Nehmen wir die Raumtemperatur: Wie hoch sollte sie in Sälen und Räumen für Veranstaltungen sein und wie hoch in Gästezimmern?
Für Gäste- sowie Aufenthaltsräume gilt ein genereller Richtwert von 20°C, sofern sie benutzt werden. Bei Nichtnutzung von einigen Tagen sollte die Temperatur auf 15°C abgesenkt werden. Bei längerer Nichtnutzung kann sie sogar noch weiter gesenkt werden. Nicht zu vergessen: Die Reduzierung der Temperatur um 1°C spart bis zu 6 Prozent Energie ein.
„Nicht zu vergessen: Die Reduzierung der Temperatur um 1°C spart bis zu 6 Prozent Energie ein.“
Patrick Rothkopf, Vorsitzender des Bundesausschusses für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit des DEHOGA Bundesverbandes
Weitere 10 % der Energiekosten lassen sich durch kleinere, technische Maßnahmen erzielen. Welche drei sind die wirksamsten?
Das sind elektronische Thermostatventile mit Fenster-auf-Erkennung als niedrigschwellige technologische Neuerungen. Solche Modelle gibt es bereits für unter 20 Euro. Sie regeln automatisch die Heizung herunter, sobald ein Fenster offen ist. Die Einsparung an Energie ist variabel, aber eine effektive Form der Heizungssteuerung. Wichtig ist die Wartung der Heizung. Bevor die Heizperiode beginnt und der Winter kommt, sollten Sie eine/n Installateur/in mit einem Heizungscheck und ggf. einer Reinigung Ihres Heizkessels beauftragen. So schützen Sie sich vor unerwünschten Ausfällen und erhöhtem Brennstoffbedarf Ihrer Heizungsanlage, da ein stark verschmutzter Heizkessel bis zu 20 Prozent mehr Energie verbraucht. Zu einer effektiven Stromeinsparung führt auch eine konsequente Umrüstung auf LED-Leuchtmittel. Sie können etwa 60 % bis 95 % der Energie gegenüber herkömmlichen Glühbirnen einsparen.
Wie kommt es, dass diese Maßnahmen zur Energieeffizienz nicht längst erfolgt sind und viele Betriebe nicht nur ihr Budget belastet haben, sondern die Umwelt?
Dafür gibt es sicherlich viele Gründe. Zum einen war bisher aus finanziellen Gründen kein Anreiz gegeben, Energieeffizienz besonders ernst zu nehmen, da unsere Energiepreise in Deutschland im Vergleich niedrig waren. Die Motivation des Energiesparens scheint gleichzeitig für die meisten Betriebe nicht groß genug gewesen zu sein, erstmalige Mehrkosten auf sich zu nehmen, selbst wenn diese sich, abhängig von der ergriffenen Maßnahme, früher oder später auch finanziell lohnen würden. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass viele Betriebe in Deutschland bereits mit gutem Beispiel vorangegangen sind und demonstrieren, wie Umwelt- und Klimaschutz im Hotel- oder Gastronomiebetrieb funktioniert. Dazu haben wir auf unserer Website viele Erklärvideos für unsere Betriebe mit Best-Practice-Beispielen eingestellt.
Erklärvideos zur Energiekampagne mit Best-Practice-Beispielen
In den Kurzvideos werden Energieeffizienzmaßnahmen erklärt, z.B. Strom und Wärme mit dem Blockheizkraftwerk (BHKW); Raumluftqualität und effiziente Klimatisierung durch eine Lüftungsanlage; Energiesparen durch intelligente Gebäudedämmung; Photovoltaik und Elektromobilität im Gastgewerbe
Können sich auch Externe mit ihren Energiefragen an Sie wenden, oder ist das Ihren DEHOGA-Mitgliedern vorbehalten?
Die DEHOGA-Energiekampagne richtet sich an alle gastgewerblichen Betriebe in Deutschland und wird, wie gesagt, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Teilweise bieten die DEHOGA-Landesverbände eigene individuelle Energieberatungen für unsere Mitglieder an.
Braucht es die Energiekrise, damit wir die Energiewende hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft schaffen?
Natürlich sollte es nicht erst eine Energiekrise benötigen, um die Wende hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Aber es ist zu erwarten, dass die deutlich verkürzte Amortisierungszeit von Investitionen in energieeffiziente Technik wie zum Beispiel in eine Wärmepumpe oder andere technische Neuerungen aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise für einen starken Schub der Energiewende im Gaststättengewerbe sorgen wird.