
Interview Andreas Heckmann
„Wir kratzen nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist.“
Andreas Heckmann, Chief Customer Officer bei Cvent, auf der ersten Cvent Accelerate in Berlin. Foto: Cvent
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Andreas Heckmann ist seit April Chief Customer Officer beim Technologie-Anbieter Cvent. Im Interview spricht er über das Wachstum des deutschen Marktes, künstliche Intelligenz, die Kraft der menschlichen Verbindung und das „Golden age of events“.
tw tagungswirtschaft: Sie sind in Deutschland geboren und leben in den USA. Zur ersten Cvent Accelerate in Berlin freuten Sie sich auf gutes deutsches Brot. Haben Sie es bekommen?
Andreas Heckmann: Absolut! Ich freute mich sehr darauf, bei unserer ersten deutschsprachigen Cvent Accelerate in Berlin frische, knusprige Brötchen und herzhaftes Vollkornbrot zu bekommen. Und ich muss sagen, weder die Backwaren noch die Veranstaltung haben enttäuscht! Selbst wenn es in den USA zunehmend handwerklich ambitionierte Bäcker gibt, gewisse Sachen bieten nach wie vor nur deutsche Bäckereien. Am besten hat mir das sprichwörtliche Brotbrechen mit unseren Teilnehmern gefallen. Es fühlte sich also in mehrerlei Hinsicht wie eine Heimkehr an!
Nicht nur das Bäckerhandwerk in Deutschland steht unter Druck. Die Wirtschaftsflaute hält an und die Stimmung der Unternehmen verschlechtert sich laut ifo Geschäftsklimaindex im September. Und doch: In Ihrer Keynote zur Cvent Accelerate am 26. September 2024 gaben Sie einen positiven Ausblick für das Eventgeschäft und sagten: „Der Markt in Deutschland wird wachsen.“ Was stimmt Sie zuversichtlich?
Trotz deutlichem wirtschaftlichem Gegenwind in einigen Sektoren ist der Ausblick für die Veranstaltungsbranche sehr positiv. Wir sehen eine deutliche Wiederbelebung der Nachfrage nach und Investitionen in Präsenzveranstaltungen. Organisationen verstehen den Wert von persönlichen Erfahrungen. Angesichts eines übersättigten Online- und Digitalmarktes ist es oft kosteneffektiver und authentischer, persönlich mit Kunden, Partnern und Interessenten in Kontakt zu treten. In Deutschland hebt das Meeting & Event Barometer 2023/2024 die Erholung der Veranstaltungsindustrie mit einem beeindruckenden Wachstum von fast 25 % im Jahr 2023 hervor. Es ist nicht nur die Anzahl der Veranstaltungen gestiegen, sondern auch die der Teilnehmer. 2023 besuchten mehr als 300 Millionen Menschen bundesweit Präsenzveranstaltungen, ein Anstieg von fast 70 % gegenüber dem Vorjahr. Unsere eigenen Daten bestätigen das: In Cvents Top Meeting Destinations 2024 rangieren gleich drei deutsche Städte unter den Top 10 in Europa: Berlin, Frankfurt und München.
In den USA veranstalten Sie die große User-Konferenz Cvent Connect, in Großbritannien die Cvent Connect Europe, in Singapur, Sydney, Dubai und Berlin die Cvent Accelerate. Wieso setzen Sie auf Berlin? Zumal das Tagungsland „D“ – anders als andere Länder – noch nicht sein Vor-Corona-Niveau erreicht hat …
Deutschland ist eine globale Wirtschaftsmacht und ein Zentrum für Innovation, was es für uns zu einer Schlüsselregion macht. Wir sehen auf der einen Seite ein immenses Wachstumspotenzial und auf der anderen Seite spezielle Bedürfnisse des deutschsprachigen Marktes. Der deutsche Markt ist zwar noch nicht vollständig auf das Niveau von vor der Pandemie zurückgekehrt, aber die Branchenprognosen sind durchweg positiv. Wir wollen unseren Kunden dabei helfen, an der Spitze dieser Erholung zu stehen und die weiterhin steigende Nachfrage nach Veranstaltungen für sich zu nutzen. Die Ausrichtung lokaler Events wie Cvent Accelerate und ein deutsches Team vor Ort spielen dabei eine zentrale Rolle.
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„Technologie ist die Antwort.“
Andreas Heckmann, Chief Customer Officer bei Cvent
Wegen der hohen Preise wird der ROI (Return on Investment) für Veranstalter noch wichtiger. Hat sich die erste Cvent Accelerate im Estrel Berlin für Sie gerechnet?
Ein klares Ja! Die Cvent Accelerate Berlin hat es uns ermöglicht, mit mehr als 250 wichtigen Entscheidungsträgern und Branchenführern in Kontakt zu treten. Wir konnten Beziehungen vertiefen, Industry-Best-Practices teilen und in Gesprächen herausarbeiten, wie wir den Teilnehmern noch besser helfen können, erfolgreich zu sein. Darüber hinaus erhielten wir wertvolle Einblicke in ihre täglichen Herausforderungen. Das ermöglicht uns, bessere Inhalte zu erstellen und unsere Produkte nachhaltig zu verbessern. Es war uns auch sehr wichtig, das Engagement von Cvent für den deutschen Markt zu unterstreichen und unseren Anspruch als wichtiger Partner bei der Unterstützung des Wachstums der MICE-Branche zu erfüllen. Ich glaube, wir können mit Recht behaupten, dass uns dies gelungen ist.
Die Cvent Accelerate will die größte Konferenz für Event, Marketing und Hospitality Professionals in Deutschland werden. Wie wollen Sie das schaffen?
Unser Ziel ist es, die Konferenz stetig zu vergrößern. Dafür werden wir uns auf drei Faktoren konzentrieren: Erstens Hyperlokalisierung: Wir passen unseren Content, aber auch unseren Austausch unter Experten sowie Networking Sessions so an, dass sie den Herausforderungen der deutschen bzw. deutschsprachigen Event- und Hospitality-Profis gerecht werden. Zweitens Innovation: Die Event-Landschaft verändert sich schneller denn je. Wir werden den Teilnehmern das Wissen und die Tools zur Verfügung stellen, um diese neuen Technologien für ihren Vorteil zu nutzen und dauerhaft erfolgreich zu sein. Drittens der Aufbau von Communities: Unser Ziel ist es, ein Industrie-Netzwerk zu fördern, das Verbindung und Weiterbildung lange nach dem Ende einer Konferenz stärkt, mit Zugang zu On-Demand-Sitzungen, Whitepapers, Webinaren. Dies schließt auch lokale Partnerschaften ein, die uns helfen, unsere Kundenbasis und Präsenz in Deutschland zu stärken.
Obwohl Cvent ein Tech-Anbieter ist, haben Sie in Berlin auf einen Live-Stream verzichtet. Wieso?
Obwohl wir bei Cvent Accelerate live keine virtuelle Komponente angeboten haben, haben wir danach den Zugang zu einem Großteil der Sessions ermöglicht. Diese sind über den Cvent Attendee Hub bis 15. Januar 2025 verfügbar. Für die Cvent Accelerate Berlin haben wir uns bewusst für einen reinen Präsenzevent entschieden. Die Teilnehmer sollten sich vollständig mit dem Inhalt auseinandersetzen, netzwerken und starke Verbindungen aufbauen können. Wir haben aber ein Auge darauf: Wenn die Accelerate wächst, werden wir das Format möglicherweise erweitern, damit wir unser regionales Publikum bestmöglich erreichen. Bei Cvent sind sowohl virtuelle als auch hybride Formate ein wichtiger Bestandteil unseres Eventportfolios. Es ist wichtig, das Eventformat zu wählen, das die Ansprüche und Ziele am besten unterstützt. Der Wert von Live-Streams wird deutlich bei großen Konferenzen wie Cvent Connect und Cvent Connect Europe mit etlichen Tausend virtuellen Teilnehmern.
Gibt es bereits einen Save-the-Date für die Cvent Accelerate Berlin 2025?
Unser Termin für Cvent Accelerate Berlin 2025 steht noch nicht fest. Wir hoffen, ihn bald bekannt geben zu können.
Über Cvent
Cvent ist ein führender Anbieter von Meeting-, Event- und Hospitality-Technologie. Das 1999 gegründete Unternehmen kommt auf 5.000 Mitarbeiter und hat für seine 22.300 Kunden weltweit 7,1 Mio. Events unterstützt. Cvent ist eine Plattform für Event-Marketing und -Management und ein globaler Marktplatz. Das Unternehmen bietet Softwarelösungen für Event Professionals wie die Online-Registrierung, Auswahl von Hotels und Veranstaltungsorten, virtuelle und Vor-Ort-Lösungen sowie die Einbindung von Teilnehmern. Venues nutzen die Beschaffungsplattformen von Cvent, um mehr Eventgeschäft zu gewinnen.
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Sie beobachten, dass nur 30 Prozent der MICE-Anfragen seitens der Hotels und Venues beantwortet werden, weshalb das Geld in der Hospitality auf der Straße liege. Wie lässt sich das Geld aufheben?
Die Kombination aus Personalengpässen in den Venues und der steigenden Nachfrage nach Veranstaltungen hat eine herausfordernde Dynamik zwischen Eventplanern und Hospitality-Profis geschaffen. Beide Seiten möchten ihr Geschäft mit weniger Ressourcen ausbauen. Wir sehen, dass die Hotels, die Technologie für ihre Prozesse einsetzen, mehr Zeit haben, Beziehungen aufzubauen, um wiederkehrendes MICE-Geschäft zu generieren und treue Kunden zu gewinnen. Planer wählen eher Venues, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis haben. Daher kommt dem Verständnis der individuellen Kundenbedürfnisse sowie Investitionen in die Kundenbeziehungen immer mehr Bedeutung zu. Digitale Tools wie virtuelle Begehungen oder 3D-Diagramme sorgen dafür, dass Planer ihre Veranstaltungen aus der Ferne visualisieren können, was den Entscheidungsprozess beschleunigt und die Planungskosten geringhält. Cvents neue Suite KI-gesteuerter Tools ermöglicht es Venues, viel schneller und effizienter auf RFPs zu reagieren, indem Teile des Prozesses automatisiert werden, beispielsweise benutzerdefinierter Antworten. Das reduziert Zeit und Kosten.
Zur Cvent Accelerate haben die Teilnehmer neue Technologien entdeckt. Welche neuen Technologien sollten Event Professionals auf dem Schirm haben?
Laut Feedback unserer Teilnehmer waren unsere KI-Innovationen und die Tech-Touren die Highlights. Angesichts des Hypes um KI ist dies keine Überraschung, aber bei Cvent konzentrieren wir uns wirklich auf die praktischen KI-Anwendungen, die nahtlos in unsere bestehenden Tools integriert sind. Sie machen diese leistungsfähiger und ermöglichen es unseren Kunden, die KI in ihrem Alltag ohne Trainingsaufwand zu nutzen. Wir haben mehr als 20 KI-gestützte Initiativen vorgestellt – vom KI-Schreib- und Diagrammassistenten bis hin zu Chatbots und Event-Intelligence. Unsere Tech-Touren geben unseren Teilnehmern ein tiefes Verständnis für die Onsite-Event-Tech-Journey; von der Registrierung und dem RFID-Scannen bis hin zur Lead-Erfassung, Echtzeit-Eventdaten und Post-Event-Umfragen.

Auf der Cvent-Accelerate-Konferenz kommen die KI-Innovationen und die Tech-Touren bei den Teilnehmern besonders gut an. Foto: Cvent
Wie stehen Sie zu künstlicher Intelligenz im Eventmanagement?
KI hat das Potenzial, das Eventmanagement zu revolutionieren, Prozesse effizienter zu gestalten, Teilnehmererlebnisse zu verbessern und durch Datenanalyse tiefere Einblicke zu gewähren. Doch ohne die praktische Anwendung von KI wird sie nie unseren hohen Erwartungen gerecht werden. Obwohl ich selbst technologiebegeistert bin, stehe ich dem Hype, den man allerorten wahrnehmen kann, durchaus kritisch gegenüber. Am Ende muss KI einen echten Mehrwert bringen. KI kann bei personalisierten Empfehlungen helfen, Teilnehmer mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen und Routineaufgaben zu automatisieren. Eventplaner können sich dadurch auf die strategischen und kreativen Aspekte konzentrieren – und KI kann sie dann bei der Umsetzung unterstützen. Darüber hinaus geben KI-gesteuerte Analysen Einblicke in das Verhalten und die Präferenzen der Teilnehmer und können den Veranstaltern helfen, datenbasierte Entscheidungen zu treffen, um ihre Veranstaltungen kontinuierlich zu verbessern.
Für Sie ist Technologie eine transformative Kraft, die zu mehr Leistung führt. Haben Sie ein konkretes Beispiel – und wie aufgeschlossen sind die Deutschen dafür?
In der deutschen Event-Community gibt es eine wachsende Bereitschaft, Lösungen zu akzeptieren, die nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch den Event-ROI nachweisen. Erfolgsgeschichten von Kunden wie Proske zeigen, dass deutsche Unternehmen den Wert integrierter Plattformen zunehmend erkennen und bereit sind, Technologien zu übernehmen, die Effizienz steigern, greifbare Ergebnisse liefern und Wachstum fördern. Proske setzte zuvor auf eine maßgeschneiderte Event-Tech-Lösung, die ihren Bedürfnissen entsprach, der aber die Skalierbarkeit und Automatisierung für Wachstum fehlten. Manuelle Prozesse führten zu Ineffizienzen und einem höheren Risiko von Fehlern. Es gibt etliche solcher Beispiele, und es besteht kein Zweifel, dass der deutsche Markt für Technologie offen ist. Ich sehe hier den Ball in unserem Spielfeld. Wir werden hart daran arbeiten, dass immer mehr Firmen diesen Mehrwert erkennen und diese Technologie gewinnbringend für sich nutzen.
Dieses Jahr feiert Cvent sein 25-jähriges Jubiläum. Seit 1999 hat das US-amerikanische Unternehmen 22.300 Kunden in mehr als 100 Ländern bei 7,1 Mio. Events unterstützt. Das heißt: Sie haben einen Einblick in das Event Business weltweit. Welche drei Trends und Entwicklungen machen Sie aus?
KI-Momentum: Die generative KI verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten, denken und handeln, und erleichtert es, Aufgaben zu automatisieren, überzeugende Inhalte zu erstellen, Daten zu analysieren und mehr. Dieser Trend wird sicher sehr schnell weiterwachsen. Event-Technologen: Mit der Integration von Technologie in Veranstaltungen verbindet diese aufstrebende Position Veranstaltungsplanungsexpertise mit einem tiefen Verständnis des Technologie-Ökosystems. Es wird eine sehr gefragte Qualifikation und spezialisierte Position sein. Wir sehen bereits in vielen Unternehmen Event-Technologie-Management – oder sogar Executive-Positionen. Inklusion: Barrierefreiheit ist ein grundlegender Aspekt der verantwortungsvollen und inklusiven Veranstaltungsplanung, sowohl persönlich als auch online. Fast 87 Millionen Europäer leben mit Behinderungen, und mit dem Inkrafttreten des Europäischen Barrierefreiheitsgesetzes am 28. Juni 2025 gilt es, digitale Inhalte so zu priorisieren, dass sie für alle Menschen zugänglich sind.

„Wir werden eine Entwicklung sehen, wo ein Event nicht einfach nur einen Beginn und ein Ende hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass Events in Zukunft miteinander verkettet sein werden und mit der gesamten Kundenerfahrung verschmelzen werden.“
Andreas Heckmann, Chief Customer Officer bei Cvent
Während Cvent-Gründer und CEO Reggie Aggarwal in den letzten 25 Jahren sein Unternehmen aufgebaut hat, haben Sie Karriere bei SAP gemacht. Wie hat er Sie überzeugt, von SAP zu Cvent zu wechseln?
Während meiner beruflichen Laufbahn habe ich Energie und Inspiration aus dem Kontakt mit Menschen geschöpft. Veranstaltungen mit Kunden und Kollegen oder jährliche Offsite-Strategietagungen mit meinem Team waren immer die absoluten Highlights. Ich habe Hunderte von Kundenevents und interne Events durchgeführt oder beauftragt, und bin zutiefst davon überzeugt, dass nichts die Kraft der menschlichen Verbindung übertrifft. Als sich die Möglichkeit bei Cvent ergab, war das die Gelegenheit, meinen Hang zu technischen Innovationen mit meiner Leidenschaft für Events und Kundenbeziehungen in Einklang zu bringen. Durch meine globale Rolle bei SAP habe ich viel internationale Erfahrung und Verständnis für lokale Anforderungen an Unternehmenssoftware erlangt – und der Zeitpunkt bei Cvent einzusteigen, hätte nicht besser sein können. Mein Ziel ist es, die internationale Expansion von Cvent voranzutreiben, unsere regionale Expertise zu stärken und eine passende Struktur für unsere wachsende globale Kundenbasis zu schaffen. Cvent steht an der Schwelle zu weitaus größerem Wachstum. Ich freue mich, ein Teil davon sein zu können.
Für Reggie Aggarwal leben wir im „Golden age of events“. Stimmen Sie ihm zu?
Ja. Die Macht und der Einfluss von Veranstaltungen haben aufgrund der beschleunigten Digitalisierung erheblich zugenommen. Wir haben jetzt mehr Möglichkeiten als je zuvor, unsere Teilnehmer zu binden und ein breiteres Publikum zu erreichen. Veranstaltungen in Präsenz stehen zwar wieder im Vordergrund, aber hybride und virtuelle Formate sind für diese neue Veranstaltungslandschaft unerlässlich, während Innovationen in der KI die Effizienz weiter optimieren und Branchenexperten befähigen, reichere und ansprechendere Erlebnisse zu schaffen. Ich sage voraus, dass wir eine Entwicklung sehen werden, wo ein Event nicht nur ein Beginn und ein Ende hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass Events in Zukunft miteinander verkettet sein und mit der gesamten Kundenerfahrung verschmelzen werden. Meiner Meinung nach kratzen wir bislang nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist.