
Interview Dr. Katharina Reuter
„Wir sind bereit für die Transformation!“
Foto: Caro Hoene
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft BNW e.V. und Sustainable Economy gGmbH, über die Klimaschutzlücke bis 2030, den ersten Sustainable Economy Summit und Schirmherr Robert Habeck, die Schnippeldisko und ein großes Dankeschön.
tw tagungswirtschaft: In einer Woche beginnt die UN Climate Change Conference der Vereinten Nationen. Werden Sie für die Klimakonferenz COP28 UAE nach Dubai fliegen oder diese digital verfolgen?
Dr. Katharina Reuter: Ich werde nicht nach Dubai fliegen, weil sich der Fokus des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft vor allem auf politische Themen in Deutschland bzw. Europa bezieht und unsere Kapazitäten begrenzt sind. Die Debatten der Klimakonferenz verfolge ich daher von hier aus.
Beim COP in Paris 2015 beschlossen die Vereinten Nationen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Nur reichen die bisherigen Maßnahmen zum Klimaschutz laut dem Bericht des Weltklimarates (IPCC) nicht aus. Was ist zu tun?
Eigentlich wissen wir seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, was zu tun ist: Wir brauchen ein Klimaschutzprogramm, das wirklich ambitionierte Maßnahmen sicherstellt, damit auch Deutschland seine Klimaziele erreicht. Hier ist bei der Ampel noch Luft nach oben. Der regierungseigene Expertenrat zweifelt u. a. den Umfang der im Klimaschutzprogramm prognostizierten CO2-Reduktionen an; das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beziffert die „Klimaschutzlücke“ bis 2030 auf etwa 200 Millionen Tonnen Treibhausgase. Hier braucht die Ampel mehr Maßnahmen – der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft fordert beispielsweise die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen im Verkehrsbereich.
Eine Woche nach der Klimakonferenz findet in Berlin der erste Sustainable Economy Summit statt, zu dem Sie eingeladen haben. Warum braucht es diesen Summit?
Wir brauchen diesen Summit, damit die gemeinsame Botschaft aus der Wirtschaft: „Wir sind bereit für die Transformation!“ auch in der Politik ankommt. Die Konferenz findet mitten im politischen Berlin statt – und von den 400 CEOs der progressiven Unternehmen wird dieses starke Signal ausgehen: „Wir zeigen: Hier sind die Innovationen, hier sind die Lösungen.“
Sustainable Economy Summit
Der Sustainable Economy Summit rückt vom 11. bis 13. Dezember 2023 im Kongress- und Tagungszentrum Axica als zentrale Veranstaltung aus der Wirtschaft für die Wirtschaft und die Politik die sozial-ökologische Transformation in den Fokus. Der Summit, getragen von einem breiten Bündnis transformativer Wirtschaftsverbände, steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Schirmherr ist Dr. Robert Habeck. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) unterstützt die Pilotveranstaltung mit einer Förderung. Im Trägerkreis sind 13 Verbände: Bio Hotels | Bioland e.V., Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V., Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), Bundesverband CarSharing e.V. (bcs) | Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) | Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) | Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) | forum anders reisen e.V. | International Federation for the Economy for the Common Good e.V.
Wenn 13 Verbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft und der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) zum Sustainable Economy Summit einladen, sind die Erwartungen hoch. Welche drei Ziele haben Sie sich gesetzt?
- Starke Partner:innen finden, die – genau wie wir – an diesen neuen Ansatz glauben und ihn gemeinsam mit uns möglich machen, finanzieren und mit Leben füllen.
- Aus der Fülle der Konferenzen herausstechen und ein hochkarätiges Programm bieten.
- Mit der Botschaft auch öffentlich wahrgenommen werden: Wirtschaft und sozial-ökologische Transformation sind ein Dreamteam.
Sie sind für die Organisation des Summits zuständig. Was sind Ihre größten drei Herausforderungen? Wir können keinen Event-Clip vom vergangenen Kongress zeigen, um zu beweisen: Schaut mal, so cool war der Summit letztes Mal. Denn bei unserer Pilotveranstaltung ist alles neu – und damit sind wir auf einen Vertrauensvorschuss angewiesen. Zum Beispiel mit Blick auf politische Entscheidungsträger:innen, die wir im Programm einbinden möchten. Oder mit Blick auf Sponsoring-Partner. Aber natürlich sind auch viele Prozesse rund um Webseite, Ticketportal usw. neu aufzusetzen gewesen – auch das ist, bei begrenzten Ressourcen, eine Herausforderung.
Wie wählen Sie die Themen, Speaker und Formate für den Sustainable Economy Summit aus? Mit den Verbänden im Trägerkreis wurde eine grobe Struktur fürs Programm besprochen und dass auch alle Fachthemen der Verbände im Programm sichtbar sein sollen. Es gibt eine große Sammlung an Ideen für geeignete Speaker:innen – wir haben vereinbart, dass wir den Fokus auf Praxiserfahrungen aus den Unternehmen legen. Einig waren wir uns von Anfang an, dass der Summit auch genug Pausen braucht, Zeit für Gespräche, agile Networking-Formate und innovative Elemente. Wir sind zum Beispiel schon total gespannt, wie unser CEO-Dinner am ersten Abend mit Schnippeldisko verläuft. Die Schnippeldisko ist ein innovatives Format zur Rettung von Gemüse inklusive DJ-Begleitung.

„Einig waren wir uns von Anfang an, dass der Summit auch genug Pausen braucht, Zeit für Gespräche, agile Networking-Formate und innovative Elemente.“
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft BNW e.V. und Sustainable Economy gGmbH
Gibt es Konferenzen oder Events, die Sie im Sinne der Nachhaltigkeit inspirieren? Wenn ja, welche sind das? Mich inspiriert immer, wenn sich die Veranstalter:innen auch bis hin zu den Kleinigkeiten nachhaltig Mühe geben: Leitungswasser in Karaffen, vegan-vegetarisches Catering … besonders begeistert war ich letztens in der Landesvertretung Bremen, wo es sogar sozial-ökologisches Toilettenpapier gibt. Inhaltlich bzw. von der Programmgestaltung sind es einzelne Elemente, die ich als Inspiration mitnehme: Deep-Dive-Formate oder kontrovers besetzte Panels.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert den Sustainable Economy Summit 2023. Wie sieht diese Förderung aus und wie haben Sie diese bekommen? Wir haben für unser innovatives Format einen Projektantrag bei der DBU gestellt – und sind sehr glücklich, dass die Förderung auf Kostenbasis positiv beschieden wurde. Gefördert werden anteilig Kosten in der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz. Damit verbunden ist natürlich ein großer Eigenanteil, den die Sustainable Economy gGmbH selbst einbringt.
Foto: BMWK, Dominik Butzmann
„Neue Denkansätze sind gefragt. Innovationen, Ideen und Austausch sind für eine erfolgreiche Transformation unverzichtbar. Der Sustainable Economy Summit eröffnet den dazu notwendigen Begegnungsraum. Er leistet auf diese Weise einen wichtigen Beitrag: Ob Beschleunigung von Investitionsvorhaben, effizientere Ressourcennutzung oder Erhöhung und Erhalt der Akzeptanz für Nachhaltigkeitsmaßnahmen – all diesen Herausforderungen müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam begegnen. Ich freue mich auf die Gespräche!"
Dr. Robert Habeck, Schirmherr des Sustainable Economy Summit und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Als Schirmherr haben Sie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gewonnen. Wie ist Ihnen das gelungen? Die Transformation der Wirtschaft ist ja ein zentraler Teil der Agenda seines Ministeriums. Dr. Robert Habeck steht wie kein anderer Bundeswirtschaftsminister vor ihm für die zukunftsorientierten Lösungen – daher war er unser Wunsch-Schirmherr. Er unterstützte die Idee des Summits von Anfang an. Mit der Schirmherrschaft unterstreicht das Bundeswirtschaftsministerium auch die notwendige Verbindung von Wirtschaft und Klimaschutz.
Für Ihr Engagement für eine nachhaltige Wirtschaft haben Sie das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten und bei der Verleihung Ihren größten Wunsch geäußert: „(…) dass die Politik den Transformationswillen der Wirtschaft nicht mehr länger unterschätzt und wir endlich mutige politische Leitplanken bekommen.“ Wie müssten diese aussehen? Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen reduzieren Umweltbelastungen, vermeiden unfaire Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette und senken Emissionen. Davon profitiert die ganze Gesellschaft. Die Unternehmen haben aber heute immer noch einen klaren Wettbewerbsnachteil. Deshalb muss es jetzt darum gehen, ein sogenanntes Level Playing Field, also gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, zu schaffen. Konkrete Maßnahmen dafür wären beispielsweise die Ausrichtung des Steuersystems auf Nachhaltigkeit und eine ehrliche Umsetzung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung. Die Pflicht zum Nachhaltigkeitsreporting für Unternehmen geht schon in die richtige Richtung – denn auch Banken und Versicherungen werden künftig die Unternehmen nach ihren Nachhaltigkeitsrisiken fragen.
Bundesverdienstkreuz für Dr. Katharina Reuter
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW) e.V., ist für ihr jahrzehntelanges Wirken im Bereich der nachhaltigen Wirtschaft und ihren großen Einsatz für das Gemeinwohl mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden. Die Berliner Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Franziska Giffey, überreichte den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Foto: Darmer
Der Sustainable Economy Summit will ein Ort sein für „nachhaltige Lösungen – für ökologische und soziale Innovationen aus der Wirtschaft“. Wie bringen Sie Ihre 400 Gäste ins Gespräch und ins gemeinsame Tun? Also, die Schnippeldisko am ersten Abend liefert schon mal die ersten Gesprächsanlässe – wahrscheinlich wird die Diskussion am ersten Tag ohnehin sehr angeregt sein, da es um die Themen Fachkräftemangel und nachhaltige Arbeitswelt geht. Die Teilnehmenden werden immer wieder Innovationen während des Summits erleben (und kosten) können – von True-Price-Kaffee über gemeinwohlorientierte Limonaden bis hin zu zukunftsfesten Weinen. Der Start-up-Pitch wird ebenfalls ein Format sein, das zu Kooperationen im Nachhinein anregt.
Wie nachhaltig ist der Sustainable Economy Summit selbst? Bei der Wahl der Location haben wir extra darauf geachtet, dass schon der Ort, an dem wir tagen, besonders nachhaltig aufgestellt ist. Denn das erleichtert so Einiges, wenn die Location echten Ökostrom, nachhaltiges Catering möglichst in Bio-Qualität und engagierte Partner:innen für Mobiliar und Technik mitdenkt. Die Axica ist hier in Berlin eine tolle Adresse für genau dieses Mit- und Vorausdenken! Wenn wir auf die Planung von möglichen (Druck-)Materialien usw. schauen, ist es gemeinsames Anliegen der Trägerkreisverbände, dass wir möglichst wenige Materialien extra für den Summit produzieren lassen. Wir drucken wahrscheinlich nur die Menü-Karte für das Summit-Dinner, weitere Informationen können wir z.B. über effiziente LED-Aufsteller an die Teilnehmenden bringen. Natürlich interessiert uns auch der CO2-Fußabdruck des Summits!
Die CSR-Agentur 2bdifferent wird für den Summit eine CO2-Bilanz erstellen. Wie vermeiden oder vermindern Sie den Ausstoß von CO2? Oftmals macht die An- und Abreise der Teilnehmenden mehr als 50% des CO2-Fußabdrucks einer Veranstaltung aus. Hier setzen wir auf eine Erfassung der Anreise-Informationen, etwa die Verkehrsmittel und die Entfernung, und hoffen, dass bei der zentralen Lage und guten Erreichbarkeit möglichst viele Teilnehmende mit der Bahn anreisen. Dafür bieten wir auch das DB-Veranstaltungsticket an. Ein weiterer großer Teil der CO2-Emissionen geht meist auf das Konto der Energieerzeugung – hier hat die Axica aber bereits mitgedacht, da sie auf die Nutzung von erneuerbaren Energien setzt. Die Axica ist ein „Unternehmen mit CO2-Ausgleich“, früher hätte man dazu „klimaneutral“ gesagt – aber auch im Wording hat unser Veranstaltungsort die Nase vorn. Weiteres Einsparpotenzial liefern effiziente Heiz- und Kühlsysteme, aber auch ein rein vegan/vegetarisches Catering an den drei Tagen.

Das Sustainable Economy Summit Team v.l.n.r.: Projektkoordinatorin Mareike Lindner, Eventmanagerin Layla Müller, Geschäftsführerin Dr. Katharina Reuter und viele helfende Hände. Foto: Caro Hoene
Lassen Sie uns noch einmal auf den Veranstaltungsort, das Kongress- und Tagungszentrum Axica am Brandenburger Tor, schauen. In Berlin gibt es zahlreiche nachhaltig aufgestellte Locations. Wieso haben Sie die Axica ausgewählt? Die Axica steht wie keine andere Location für Transformation und Wandel – nicht nur architektonisch, sondern das Team um Geschäftsführer Marc Mundstock hat sich auch konsequent auf den Weg zu einem nachhaltigen Veranstaltungsort gemacht. Die Gemeinwohlbilanzierung zeugt beispielsweise von der kontinuierlichen Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung. Die verkehrsgünstige Lage war ebenfalls ein wichtiger Faktor, da die An- und Abreise der Teilnehmenden einen großen Anteil des gesamten CO2-Ausstoßes bei einem Event verursacht.
Wer nicht auf der Gästeliste in der Axica steht, kann das Geschehen auf der Hauptbühne kostenlos im Livestream ansehen. In der Pandemie gehörten digitale Übertragungen dazu, jetzt verzichten viele Veranstalter darauf – Sie nicht. Warum? Die Resonanz seit der Ankündigung des Sustainable Economy Summit ist enorm und die Teilnahme insbesondere auf Social Media stark nachgefragt. Da die Teilnahme in 2023 auf 400 geladene Gäste beschränkt ist, bieten wir einen Livestream von der Hauptbühne an. So können alle Interessierte Lösungen für die sozial-ökologische Transformation im Stream verfolgen und als Inspirationsquelle für die aktive Gestaltung einer nachhaltigen Wirtschaft mitnehmen.
Sie sprechen auf Messen oder Kongressen der Veranstaltungswirtschaft, wie der BOE International in Dortmund oder dem Bestival in Berlin. Wie kann die Veranstaltungswirtschaft zur nachhaltigen Transformation beitragen? Die Veranstaltungswirtschaft war wie keine andere Branche von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Spätestens da hat sich gezeigt, dass nur die Akteur:innen, die die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit in ihr unternehmerisches Denken und Handeln integrieren, eine Zukunft haben werden. Die Branche ist sehr ressourcenintensiv und hat aus diesem Grund eine Vielzahl an Möglichkeiten zur positiven Einflussnahme – von der Umstellung auf erneuerbare Energien über die Mobilität, Mehrweglösungen und vegan/vegetarisches Catering als Standard, um nur einige zu nennen. Wichtig sind ein starkes und wachsendes Netzwerk der nachhaltig agierenden Unternehmen sowie die Schaffung der entsprechenden fairen Rahmenbedingungen seitens der Politik.
Welche Frage hat Ihnen gefehlt? Mir hat die Frage nach meinem Team gefehlt. Denn so ein Mammutprojekt gelingt ja nur, wenn sich viele Kompetenzen ergänzen. An der Stelle möchte ich einfach nur DANKE an das Team hinter der Summit-Organisation sagen, danke für euer Herzblut und euer Engagement!