
Sustainable Events Conference (SECON)
Von To-Dos zu How-To-Dos
Foto: GCB/EVVC, Philip Gunkel
Foto: GCB/EVVC, Philip Gunkel
Nachhaltigkeit und Digitalisierung: zwei Megatrends, die sich oft noch wie Fremde begegnen. Die SECON 2025 will zeigen, wie sie gemeinsam zur Erfolgsstory werden – mit smarten Lösungen, handfesten Best Practices und einer Portion Zukunftsgeist.
„Man muss aushalten, dass der Wandel nicht sofort geschieht“, sagt Jan Quaing, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) im Projekt nachhaltig.digital., beim Literatur-Café zur Eröffnungssession der Sustainable Events Conference 2025. Der Co-Autor des Buches „Doppelte Transformation gestalten: Ein Praxisleitfaden zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ bespricht mit Autorenkollege Dr. Holger Feist und Moderatorin Katie Gallus, wie das Verschmelzen von Nachhaltigkeit und Digitalisierung neue Horizonte für Gesellschaft und Wirtschaft eröffnet – und wie beide Bereiche voneinander profitieren und gemeinsam die Zukunft gestalten können.
Bislang würden diese zwei zentralen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen nur selten in ihrer Wechselwirkung betrachtet, erklärt Feist und zieht den Vergleich mit einander am Fuße eines Berges gegenüberliegenden Dörfern. Um das logistische Problem einer Bergtour zu bewältigen, gelte es, eine gemeinsame Sprache zu finden: in Form von belastbaren Zahlen, Big Data, die mithilfe digitaler Technologien wie künstlicher Intelligenz beherrscht werden können. Obwohl (noch) sehr energieintensiv, sei insbesondere KI unverzichtbar, um der Mammutaufgabe Klimawandel zu begegnen, Emissionen langfristig zu reduzieren und zentrale Sektoren wie Energie, Landwirtschaft oder Mobilität nachhaltiger und effizienter zu gestalten.

Foto: tw tagungswirtschaft
Zur „Transformation der Energieversorgung des Veranstaltungsortes“ lädt Gastgeber Michael Stober die Teilnehmenden der SECON zu einer Exkursion über das Gelände des Landguts Stober ein. Eingebettet in eine weitläufige Parklandschaft am Groß Behnitzer See, nur wenige Kilometer von Berlin entfernt, hat Stober das Anwesen im Jahr 2000 erworben und seither über 31 Millionen Euro „auf den Sand gesetzt“ und in Renovierungen, Sanierungen, Um- und Anbauten sowie die Infrastruktur investiert. Heute bietet das Landgut über 30 individuell gestaltete Tagungsräume – von kompakten Salons bis zu großzügigen Sälen mit einer Kapazität von bis zu 750 Personen in Innenräumen und bis zu 4.000 Personen im Freien. Das angeschlossene Bio-Hotel umfasst rund 300 Zimmer, ausgestattet mit natürlichen Materialien wie COCO-MAT-Betten und für deren Sanitäranlagen Regenwasser aufbereitet wird. Die Motivation für einen nachhaltigen Veranstaltungsort ist Stober zufolge ganz einfach: im Betrieb möglichst kostengünstig zu agieren. So spare das Hotel durch die Nutzung des Regenwassers 75 Prozent Wasserkosten gegenüber einem nicht nachhaltigen Hotel ein. Zwei separate 500-kW-Hackschnitzelanlagen decken den Wärmebedarf für die rund 15.000 Quadratmeter große beheizbare Fläche und verursachen jährliche Heizkosten von 75.000 Euro. Strom für den Eigenbedarf liefern 900 Photovoltaik-Module, die sich bereits nach vier Jahren amortisiert hätten. Seit 2013 erstellt das Landgut eine Klimabilanz und „kompensiert“ nicht-vermeidbare Emissionen in einem benachbarten, 20 Hektar großen Waldgebiet. Mit diesen und weiteren geplanten Maßnahmen wie einem 2MW-Stromspreicher rückt der Landgut-Besitzer seinem Ziel näher: in Zukunft nicht nur bilanziell komplett autark zu sein.
Die sogenannte Twin Transformation ist das Stichwort und inhaltliche Herzstück der SECON 2025, zu der das GCB German Convention Bureau und der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC) für 24. bis 25. Februar eingeladen haben. Bereits seit über einem Jahrzehnt engagieren sich die beiden Partner mit einer gemeinsam organisierten Konferenz für eine nachhaltigere Veranstaltungswirtschaft. Aus der „greenmeetings und events Konferenz“ wurde im Jahr 2023 die grundlegend neu aufgestellte „Sustainable Events Conference – Shaping the Future“. Zu ihrer zweiten Auflage in diesem Jahr sind etwa 150 Teilnehmer:innen der Einladung auf das Landgut Stober im brandenburgischen Nauen gefolgt. Unter ihnen sind Nachhaltigkeitsmanager und -beraterinnen, Tourismus‑ und Destination Manager, Catering- und Food-Service-Expertinnen, Digitalisierungs- und Innovationsspezialistinnen, Wissenschaftlerinnen oder Vertreter von Branchenverbänden wie der Hospitality Sales & Marketing Association Deutschland (HSMA), dem Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA), VPLT – Der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik sowie der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Kurzum: Viele der Akteur:innen, die die nachhaltige Entwicklung in der deutschsprachigen Veranstaltungsbranche vorantreiben möchten.

Foto: GCB, Patrick Kuschfeld
Auf der Bühne im „Salon Conrad“ über dem komplett sanierten ehemaligen Rinderstall ist man sicher, dass seit der letzten SECON „nichts mehr so ist, wie es war“, sagt Matthias Schultze, Geschäftsführer des German Convention Bureaus, bei seiner Begrüßung. Die künstliche Intelligenz hat mit ChatGPT Einzug gehalten und sich, obwohl noch nicht ihr ganzes Potenzial abzuschätzen ist, in den letzten beiden Jahren von einer technologischen Innovation fast schon zum Alltagswerkzeug in ihren DMOs, Messegesellschaften oder Hotels entwickelt. Solche Technologien nutzen, um (endlich) die Nachhaltigkeitsziele in der Branche zu erreichen? „Wir brauchen Beispiele, wir brauchen Best Practices“, meint Schultze.
Einfach machen!
Diese sollen die Teilnehmer:innen bei den anderthalbstündigen, parallelen Sessions zu Mobilität, Emissionsmessung, Venue Energy, Food & Food Waste Guidance oder Smart Production & Abfallmanagement erhalten. Zwei der fünf Themen können im Laufe der Veranstaltung besucht und tiefgreifend diskutiert werden. Dass Nachhaltigkeit und die Reduktion von Treibhausgasen nach wie zu den Hauptaufgaben zählen, erklärt Lena Buhleier in der bis auf den letzten Platz belegten Session zur Emissionsmessung. Die Senior Sustainability Consultant bei ClimatePartner betont dabei, dass der Kampf gegen die Klimaerwärmung längst „keine moralische Verpflichtung mehr“ sei. In Zeiten, in denen die Emissionen weiter ansteigen, die jährlichen Kosten für Schäden durch den Klimawandel (etwa 38 Billionen Dollar) weltweit ein Sechsfaches der Investitionen zu ihrer Begrenzung (etwa 6 Billionen Dollar) betragen und Versicherungspolicen und Steuern für Klimarisiken angehoben werden, gehe es vielmehr um eine finanzielle Verbindlichkeit. Dabei gilt: Wer Emissionen vermeiden will, muss zuerst wissen, wobei wie viele Emissionen sowohl beim Corporate Carbon Footprint als auch beim Event Carbon Footprint konkret anfallen. Auf die Frage, wer sich bereits mit der Emissionsmessung beschäftigt, bleiben die Reaktionen im Raum jedoch spärlich.

Twin transformation capability framework: Der Prozess der Twin Transformation kann mit der Metamorphose einer Larve zu einem Schmetterling verglichen werden. Der starke Körper hält den Schmetterling zusammen, sodass er sich zum Fliegen auf alle vier Flügel stützt. In ähnlicher Weise können Organisationen nur dann zur Zwillingstransformation „abheben“, wenn die relevanten dynamischen Zwillingstransformationsfähigkeiten in allen vier Fähigkeitskategorien entwickelt und umgesetzt wurden. Grafik: A.-S. Christmann et al.: The Twin Transformation Butterfly (2024)
Zu groß scheinen bisher die Herausforderungen wie knappe zeitliche und personelle Ressourcen, fehlende gesetzliche Vorgaben, die komplexe Datenerhebung mit mangelnder Standardisierung oder die Heterogenität der vielen einmaligen Veranstaltungen. Einen Schritt weiter müssen diejenigen Kapitalgesellschaften oder ihnen gleichgestellte Gesellschaften sein, die aufgrund ihrer Bilanzsumme, Nettoumsatzerlöse oder Beschäftigtenzahl ab diesem Jahr gesetzlich CSR-berichtspflichtig sind. So wie etwa der Audiotechnikspezialist D&B Group, für den Robert Trebus als Global Director of Sustainability tätig ist und der im Februar zum Fachvorstand Nachhaltigkeit beim VPLT ernannt worden ist. Der CSRD-Berichtsumfang beinhaltet „mehr als nur den Fußabdruck“, berichtet Trebus. 1.078 Datenpunkte würden dafür jeweils bei den verschiedenen Organisationen der Unternehmensgruppe anfallen, die von den einzelnen Nachhaltigkeitsbeauftragten von sämtlichen Stakeholdern mittels Umfragen und Interviews gesammelt werden. „Das kann man nicht mehr mit Excel machen“, weiß Trebus. Da all diese Daten in der ESRS-Matrix (European Sustainability Reporting Standards) sorgfältig dokumentiert werden müssen, komme man ohne Digitalisierung nicht mehr aus. Zwei Jahre lang hätten seine Mitarbeiter:innen dafür geschult werden und das Organisationsmodell in ein ESG-Cockpit eingebaut werden müssen. Das Resultat ist eine cloudbasierte Lösung, bei der der Data Owner nur diejenigen Felder eingeblendet sieht, für die er oder sie verantwortlich ist.

Lena Buhleier, Senior Sustainability Consultant bei ClimatePartner, bringt den Teilnehmenden bei der Session Emissionsmessung die drei Qualitätsstufen der Emissionsdaten für die CO2-Bilanzierung näher. Foto: GCB/EVVC, Philip Gunkel
Auf ihrer Grundlage hat der Hersteller von Beschallungssystemen im letzten Jahr ein kostenfreies Tool für Veranstalter, Locations und Lieferanten jeder Größenordnung veröffentlicht. SustainSymphony heißt die eigene „Software as a Service“-Lösung, die speziell auf die Datenstruktur der dynamischen Live-Eventlandschaft zugeschnitten sei. Die Anwender:innen müssen hierbei keine Pflichtfelder ausfüllen. Viel wichtiger sei es, die Prozesse kennenzulernen und zu erfahren, wer überhaupt Daten in entsprechender Qualität zur Verfügung stellen kann. Unabhängig von der Größe der Organisation oder dem individuellen Erfahrungsgrad könnten User so einfach Event-bezogene Emissionen für eine Veranstaltung berechnen lassen und ihr Nachhaltigkeitsmanagement effizienter gestalten.
Reduktion fördert Innovation
Möglichst wenig komplexe Lösungen bevorzugen ebenfalls die Referent:innen zu Nachhaltigkeit in den Handlungsfeldern Smart Production und Abfallmanagement. Eine Herausforderung in letzterem besteht darin, die Abfallströme zu erfassen und zu messen. Das, was nicht messbar ist, kann schließlich auch nicht effektiv verwaltet werden. Marcus Stadler, Umweltberater bei Stadler concept GmbH, erklärt anhand der Abfallpyramide, wie Ziele für die Abfallbewirtschaftung wie Recycling- und Verwertungsraten oder Reduzierung festgelegt und anschließend umgesetzt werden können. Dabei zeigt sich auch hier, dass Nachhaltigkeit in erster Linie ein wirtschaftliches Thema ist. Prominentes Beispiel aus der Messewirtschaft: der Mietteppich.

„1. Schleppste rein, schleppste raus, 2. Machste Dreck, machste weg.“
Jörg Zeißig, CEO bei Holtmann+, fwd: Fachvorstand und Präsident der IFES – International Federation of Exhibition and Event
Schon ab der vierten Nutzung, rechnet Stadler vor, seien Mietfliesen finanziell lohnender als eine Neuanschaffung für jeden Einsatz. Bereits ab der dritten Nutzung würden sie sich CO2-bilanziell rechnen und direkt nach der ersten hinsichtlich der Abfallmengen. Um in einem solchen Kontext nachhaltige Entscheidungen treffen zu können, sind genaue Kenntnisse zu Materialzusammensetzungen, deren Nachhaltigkeitsbewertung, zu Produktions- und Entsorgungsbedingungen und der gesamten Lieferkette sowie zur geltenden (Abfall-)Gesetzgebung notwendig. Teppiche aus Kunststoff lassen sich zum Beispiel wegen schmutzanfälligen Produktionsprozessen aktuell nur downcyceln – ein Problem für die angestrebte Kreislaufwirtschaft im Messewesen, das sich bald lösen lässt, wie die Expertenrunde versichert. Um Abfallmanagement als festen Teil in die eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu integrieren, sei nicht entscheidend, alle Antworten zu kennen – aber die richtigen Fragen zu stellen. „Das komplexe Thema Nachhaltigkeit darf nicht nerven“, betont Jörg Zeißig, CEO bei Holtmann+, der den Teilnehmenden die Better Stands Initiative vorstellt. Sie zielt darauf ab, die Aussteller und die von ihnen beauftragten Unternehmen zu ermutigen, von Einweg-Messeständen wegzukommen und stattdessen wiederverwendbare und schließlich wiederverwertbare Strukturen einzusetzen. Externe Auditoren bewerten die Stände in zehn Kategorien und stufen sie in die Qualitätsklassen Bronze, Silber und Gold ein. Wer zunächst Bronze erhält, strebe im zweiten Anlauf eine höhere Stufe an. Laut Zeißig könnten dabei bis zu 67 Prozent Abfall eingespart werden. Ähnliche Erfolge kann man im Hotel Berlin, Berlin, feiern, freut sich Sustainability Managerin Xiao Zhu. In der Hotelküche sorgt dort das Winnow System dafür, dass mittels Kamera und Waage schnell und einfach erfasst wird, wie viele welcher Lebensmittel genau weggeworfen werden und warum. So könne man KI-gestützt schnell potenzielle Bereiche zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen erkennen. Gleichzeitig macht das Hotel seine Gäste mit „Monster“-Postern darauf aufmerksam, Tellerabfälle zu reduzieren, gibt übrige Lebensmittel an Foodsharing-Stellen oder spendet Kaffeesatz an eine örtliche Baumschule. „Ihr seid dabei, macht weiter!“, appelliert Ilona Jarabek, Präsidentin des EVVC und Geschäftsführerin Musik- und Kongresshalle Lübeck, im Hinblick auf die vielen weiteren nachhaltigen Beispielmaßnahmen, von denen sowohl die Referent:innen als auch die Teilnehmenden in den ausführlichen Gesprächsrunden zu berichten wissen. Und genau darum geht es auch bei der SECON: um das Anfangen, das Am-Ball-Bleiben, den Spaß an Herausforderungen und den gemeinsamen Fortschritt.