
Interview Heike Mahmoud
„Ich bin eine globale Netzwerkerin“
Foto: Estrel Berlin
Foto: Estrel Berlin
Heike Mahmoud, Chief Operating Officer (COO) und Prokuristin des Estrel Berlin, über eine kurze Einarbeitungszeit, die neue „Estrel Welt“, ihren Ursprung für mehr Empathie und Kraft, neue Wege zu gehen, sowie berufliche Stationen, die sie geprägt haben.
tw tagungswirtschaft: Frau Mahmoud, Sie sind nach Ihrer Position als COO des CCH – Congress Center Hamburg wieder nach Berlin zurückgekehrt. Was fiel Ihnen an Veränderungen im MICE-Markt der Hauptstadt vor acht Monaten zuerst auf?
Heike Mahmoud: Berlin hat sich weiterentwickelt. Die deutsche Hauptstadt hat noch viel mehr Möglichkeiten und Angebote für Business Event Planner. Neue Hotels, unterschiedlichste Locations in Art, Größe und mit sehr modernem Ambiente. Es gab viele Investitionen in der Branche.
Was mir besonders aufgefallen ist: Die Netzwerke der Branche sind aktiver geworden, sie arbeiten noch enger zusammen. So zum Beispiel das Berlin Event Netzwerk (BEN) e.V., welches sich aus dem früheren Partneragenturen e.V. von visitBerlin entwickelt hat. Mitgliederzahl 220, Tendenz steigend. Was besonders auffällt, ist die Nähe der Branche zur Politik. Die Business Events Industry wird gehört, es werden Veränderungen vorgenommen, um mehr Kongress- und Event-Kunden für Berlin zu begeistern. Auch das Thema Nachhaltigkeit ist allerorts zu sehen. Es besteht eine hohe Dynamik und das Kundenpotenzial ist internationaler geworden. Berlin ist ein globaler Hotspot.
Hatten Sie die berühmten 100 Tage Einarbeitungszeit, oder fiel dieser Zeitraum aufgrund vielfältiger Aufgaben dann doch etwas kürzer aus?
Meine Einarbeitungszeit fiel sehr kurz aus, da ich das Unternehmen Estrel aus meiner früheren Tätigkeit kenne. Ein weiterer Punkt: Berlin ist „meine Stadt“. Nach 18 Jahren internationaler Vermarktung der deutschen Hauptstadt und Leitung des Berlin Convention Bureaus kann ich auf ein bestehendes Netzwerk zurückgreifen. Und nicht zuletzt kann ich meine vielfältigen Erfahrungen von der Baustelle und der Eröffnung des CCH – Congress Center Hamburg jetzt in Berlin einsetzen. Das ist ein großes Plus und hilft mir, die internationale Vermarktung des neuen Estrel Towers zusammen mit meinem Team voranzutreiben.

Foto: Estrel Berlin
„Herzstück unseres Businessmodells ist das Kongress- und Eventgeschäft hauptsächlich mit Großveranstaltungen im Estrel Convention Center mit 30.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche.“
Heike Mahmoud, COO, Estrel Berlin
Die Arbeitsvielfalt im Estrel Berlin ist beachtlich. Wir haben zurzeit 550 Mitarbeitende aus 23 Ländern. Als Chief Operating Officer (COO) und Mitglied der Geschäftsleitung arbeite ich sehr eng mit der geschäftsführenden Direktorin Ute Jacobs und dem Eigentümer des Estrels Maxim Streletzki zusammen. Das Estrel, Europas größter Hotel-, Congress- und Entertainment-Komplex mit 30.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche und 1.125 Hotelzimmern, wird durch den Estrel Tower ergänzt. Die neue „Estrel Welt“ entsteht.
Welche beruflichen Stationen haben Sie bisher am meisten geprägt – und womit?
Die Gründung des Berlin Convention Office (BCO) im Jahr 2001 und der Aufbau plus Entwicklung Berlins als internationale Kongress- und Event-Metropole haben mich geprägt. In den 18 Jahren meines Wirkens als Direktorin des BCO konnte ich, zusammen mit einem sehr engagierten Team, Großartiges erreichen! Angefangen mit zwei Mitarbeiterinnen und einer Studentin, waren es bis 2018 knapp 20 Mitarbeitende. Der Aufbau von internationalen Netzwerken, wie BestCities Global Alliance, und die Etablierung von Berlin-Repräsentanzen für die MICE-Branche in New York, London sowie São Paulo haben meine Aufgaben begleitet. Die sehr enge Zusammenarbeit mit dem German Convention Bureau sowie die aktive Mitgliedschaft in verschiedensten Branchenverbänden war selbstverständlich. All diese Maßnahmen waren wichtig, um Berlin auf der internationalen Kongresslandkarte zu platzieren, und das hat Berlin u.a. auch so erfolgreich gemacht.
Sicher hat auch Hamburg Spuren hinterlassen …
Meine Aufgabe in Hamburg, die Wiedereröffnung des neuen CCH – Congress Center Hamburg, war ein weiterer wichtiger Schritt in meiner Karriere. Ein Congress Center wie das CCH zu leiten, schärfte noch mal den Blick auf ganz andere Aspekte unserer Branche. Als Veranstaltungsort betreut man die Kunden noch intensiver, man ist noch mehr in die Planung und Umsetzung des Kongresses oder der Events eingebunden. Dies ermöglicht einen intensiven Austausch mit den Kunden, das Team ist wichtiger Teil der Veranstaltung und lösungsorientiert dabei. Gleichzeitig muss man die Wirtschaftlichkeit im Blick behalten.
Meine sechseinhalb Jahre in Hamburg hatten nicht nur Bauverzögerungen und die Corona-Pandemie im Gepäck, sondern besonders die Eröffnungsphase des neuen CCH. Die erfolgreiche Neuplatzierung des CCH im nationalen und internationalen Markt hat Hamburg gestärkt. Es war eine großartige Erfahrung – aber nicht nur das: Das Netzwerk und die Menschen der Hansestadt haben mich ebenfalls geprägt. Ich habe viele wunderbare Menschen kennengelernt, welche weiterhin zu meiner Community zählen.
Im Estrel Berlin ist das Haus zum Teil auch der eigene Veranstalter hochkarätiger Vorstellungen für Entertainment und Shows. Wie viel mehr Verantwortung tragen Sie jetzt, um eine ökonomisch sinnvolle Auslastung mit entsprechenden Margen zu erreichen?
Im Estrel Berlin legen wir den Fokus auf verschiedene Säulen. Herzstück unseres Businessmodells ist hierbei das Kongress- und Eventgeschäft hauptsächlich mit Großveranstaltungen im Estrel Convention Center mit 30.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche. Ergänzt wird diese mit unseren Hotelkapazitäten von 1.125 Zimmern. Aufgrund der Größe des Estrels können wir Parallelveranstaltungen gleichzeitig ausrichten.
Der Entertainmentbereich mit dem Estrel Showtheater ist eine weitere Säule unseres Erfolgs. Die Doppelgänger-Show „Stars in Concert“ läuft parallel und unsere Kunden profitieren davon, entweder die Show exklusiv zu buchen oder einzelne Künstler für ihre Abendveranstaltungen mit einzubinden. Das ist einmalig in Europa.

Das Estrel Berlin: Der größte Hotel- und Veranstaltungs-Komplex in Deutschland ist auch architektonisch ein Blickfang. Foto: imago images, Jürgen Ritter
Welche Anteile haben im Estrel Kultur- und Businessveranstaltungen am Gesamt-Umsatzvolumen (in Prozent)?
Die Businessveranstaltungen, nationale und internationale Kongresse von Verbänden sowie unterschiedlichste Formate von Produktpräsentationen der Unternehmen bilden unser Kerngeschäft. Wir konzentrieren uns auf Veranstaltungen, welche viel Fläche, ein tolles Ambiente, gepaart mit professionellem Inhouse-Service, wünschen. Somit haben das Estrel Congress Center sowie das Estrel Hotel mit über 90 Prozent Anteil an unserem Umsatzvolumen.
Welche Highlights sind für 2025 und 2026 bereits fest geplant?
Wir setzen in diesem Jahr mit unseren Kunden viele neue Veranstaltungsformate um.
Unser Unternehmen erfährt auch gerade ein Re-Branding, einen neuen Markenauftritt, welcher gerade schrittweise umgesetzt wird.
Unser Fokus liegt in diesem und auch im kommenden Jahr auf dem Estrel Tower, welcher seine endgültige Höhe von 176 Metern gerade erreicht hat. Das Richtfest haben wir am 3. März 2025 mit fast 500 Gästen aus Politik und allen Beteiligten der Großbaustelle, wie Architekten und Mitarbeitenden aller am Bau beteiligten Firmen, gefeiert. Das war ein weiterer Meilenstein! Die Eröffnung dieses imposanten Bauwerks planen wir für Sommer 2026. Der Estrel Tower wird unser bisheriges Portfolio hervorragend ergänzen.

Mit einem Richtfest feierte Berlins erster Wolkenkratzer einen weiteren bedeutenden Baufortschritt: die Fertigstellung des Rohbaus sowie die Errichtung des Dachstuhls. Foto: Estrel Berlin
Wie entwickelt sich das Buchungsverhalten externer Veranstaltungsplaner?
Das Estrel Berlin ist eine Erfolgsgeschichte. In 2024 haben wir unser 30-jähriges Bestehen gefeiert. Über drei Jahrzehnte arbeiten wir mit unseren Kunden zusammen und freuen uns sehr, dass wir einen hohen Anteil von Stammkunden verzeichnen können. Parallel dazu haben wir unsere Sales- und Marketingmaßnahmen stetig ausgebaut und erweitert. Wir sehen zunehmend Anfragen aus den internationalen Märkten, was uns natürlich besonders freut.
Im Sommer 2026 soll der Estrel Tower eröffnet werden. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit diesem Mammut-Projekt?
Der Estrel Tower wird nicht nur eine Erweiterung der „Estrel Welt“ und somit unseres Angebotes für unsere Kunden und Gäste, sondern wir werden neue Zielgruppen ansprechen können. Wir befinden uns im Berliner Stadtteil Neukölln, einem der fünf definierten Zukunftsorte Berlins. Wir wollen ein Ort sein, wo Menschen zusammenkommen, an innovativen Projekten arbeiten und netzwerken können. Ein offener Raum für Berlinerinnen und Berliner und die Gäste der Stadt. Das Interesse ist bisher sehr groß und wir können es kaum erwarten, unsere Gäste im Sommer nächsten Jahres willkommen zu heißen. Der Estrel Tower wird auch ein neues Wahrzeichen Berlins werden. Er ist durch seine Höhe der erste Wolkenkratzer der deutschen Hauptstadt.

Richtfest Estrel Tower am 3. März 2025, v. l.: Heike Mahmoud (COO Estrel Berlin); Franziska Giffey (Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe), Carolin Meltendorf (Pressesprecherin Berlin Partner) und Gonca Dietrich (Opening Manger Estrel Tower). Foto: Estrel Berlin
Prognostisch gefragt: Wie wird sich der Neubau auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten im Hotel Estrel auswirken?
Zu unseren 1.125 Zimmern im Estrel Hotel werden weitere 522 Hotelzimmer im Estrel Tower hinzukommen. Diese Kapazitäten benötigen wir dringend, da wir den Bedarf an Hotelzimmern bei unseren Veranstaltungen im Estrel Congress Center in der Vergangenheit oft nicht decken konnten, d.h. andere Hotels in der Umgebung haben von unseren Veranstaltungen profitiert.
Trotz der Größe werden wir kurze Wege haben, denn beide Gebäude werden mit einem Tunnel verbunden. Somit bieten wir unseren Kunden und Gästen eine „Estrel-Welt“, welche einmalig in Europa ist. Wir sind für die Zukunft sehr gut aufgestellt, und durch die zusätzlichen Eventflächen im Estrel Tower, ca. 3.900 qm im Erdgeschoß und auf den oberen Etagen im Tower, können wir sehr flexibel, je nach Kundenwünschen, die Angebote gestalten. Der Estrel Tower wird unser Kundenportfolio nochmals erweitern und wir werden auch neue Veranstaltungsformate entwickeln und anbieten. Neu wird auch sein, dass wir auch Incentive-Kunden für unser neues Produkt begeistern wollen.
Wie wird der Estrel Tower auch auf den Tagungsmarkt der Bundeshauptstadt ausstrahlen?
Das Estrel Berlin mit dem neuen Estrel Tower wird eine absolute Bereicherung des Tagungsangebotes der deutschen Hauptstadt sein. Wir arbeiten jetzt schon sehr eng mit dem Berlin Convention Office, dem Berlin Event Network und der Berliner MICE-Branche zusammen. Wir werden gemeinsam innovativer, stärken das Berlin-Angebot und unterstützen auch den weiteren Ausbau Berlins als nachhaltige Kongress- und Eventdestination, denn der Estrel Tower strebt die LEED-Zertifizierung in Platin an.
Grafik: Estrel Berlin

Sie sind in der Branche sehr gut vernetzt, unter anderem Gründungsmitglied der She Means Community, auch Mitglied bei Rotary International und Advisory Board Member. Hilft das unmittelbar, gänzlich neue Kontakte zu knüpfen?
Ich bin eine globale Netzwerkerin und Menschen zusammenzubringen/zu verbinden, liegt in meiner DNA. Mitglied in verschiedenen internationalen Verbänden und Netzwerken zu sein, erweitert mein Know-how, stärkt meine Empathie und gibt mir die Kraft, neue Wege zu gehen.
Die Business Events Industry ist eine Branche, welche durch die Vernetzung und den Austausch Großes bewirken kann – wir brauchen nur auf unsere Kongresse und Veranstaltungen zu schauen. Hier findet Know-how-Transfer und Innovation statt. Teil von diesen Entwicklungen zu sein, heißt für mich, Teil der Zukunft zu sein.
Spüren Sie nach den Bundestagswahlen im Februar 2025 eine gewisse Aufbruchstimmung in der Bundeshauptstadt?
Der neue Koalitionsvertrag liegt jetzt vor, dem sollten wir die gleiche Chance geben wie dem Koalitionsvertrag der alten Regierung. Die zukünftige Bundesregierung hat viele Themen aufgerufen, die die Wirtschaft und die Zukunft unseres Landes stärken sollen. Wir brauchen diese Neuausrichtung auch. Berlin kann damit nur gewinnen.