Circular Collective

Weil Verantwortung nicht aufhört

Auch in diesem Jahr lädt das Circular Collective zur IMEX Frankfurt zu zwei Meet-ups an den Messestand von tw tagungswirtschaft & m+a report (G110 in Halle 8) ein: Das Projektteam ist am Mittwoch, 21. Mai 2025 vor Ort und freut sich über zahlreiche Interessierte. Foto: tw tagungswirtschaft

Auch in diesem Jahr lädt das Circular Collective zur IMEX Frankfurt zu zwei Meet-ups an den Messestand von tw tagungswirtschaft & m+a report (G110 in Halle 8) ein: Das Projektteam ist am Mittwoch, 21. Mai 2025 vor Ort und freut sich über zahlreiche Interessierte. Foto: tw tagungswirtschaft

„Ein Messestand, der bleibt, weil er weitergeht. 99 Prozent unseres Messestandes leben weiter, nur 6 Kilogramm Abfall entstehen. Wir glauben an eine Zukunft, die weniger verbraucht – und mehr bewirkt“, steht auf den Seitenwänden des tw-Messeauftritts bei der IMEX 2025 in Frankfurt. Die bedeutende MICE-Messe ist Ort und Zeitpunkt für das Circular Collective, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Denn was 2023 hier mit einem ersten gemeinsamen Treffen der Projektpartner:innen – noch ohne gemeinsamen Namen – zur Bestandsaufnahme und zur Planung der ersten Schritte begann, wird inzwischen in jedem Jahr gemeinsam reflektiert: 2024, 2025 und 2026 dienen als feste Markierungspunkte für die Evaluation des Entwicklungsstands. Von Beginn an wollte der Zusammenschluss der CSR-Agentur 2bdifferent, des Messearchitekten imb troschke und der Fachpublikation tw tagungswirtschaft unter wissenschaftlicher Begleitung durch die Hochschule Osnabrück Wege zu einer nachhaltigen Messe- und Kongresswirtschaft finden und aufzeigen.

Projektstart für das Circular Collective auf der IMEX 2023: Kick-off-Meeting mit Simone Hammer, Kerstin Wünsch, Christoph Soukup, Andrea Walburg, Justine Hein und Jürgen May (von links). Foto: imb troschke

Nach wie vor gilt dabei Kreislaufwirtschaft als Chance für mehr Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche. Im Gegensatz zum gegenwärtigen linearen Wirtschaftsmodell setzt sie auf das Verlangsamen und Verringern von Stoffströmen und das Schließen von Kreisläufen. Dadurch hilft sie, Abfälle und Emissionen zu reduzieren, der zunehmenden Verknappung natürlicher Ressourcen entgegenzuwirken, Innovationen für kreislauforientierte Geschäftsmodelle voranzutreiben – mit positiven Effekten für Umwelt, Wirtschaft und Beschäftigung. In verschiedenen Projektschritten rücken dafür alle drei Säulen der Nachhaltigkeit sowie ihre entsprechenden Handlungsfelder in den Fokus.

Der Stand 2023

Wichtige Meilensteine im Projekt sind sowohl der Basis-Check als auch der Supplier & Service Provider Check (SSPC) zur Erfassung des Status quo für 2023. Der knapp 30 Quadratmeter große tw-Stand landet in der Basis-Auswertung von 2bdifferent im Mittelfeld bei den Themen Managementsysteme, Projekt- und Eventteam, Beschaffung Produkte/Dienstleistungen, Messebau, Food und Beverage (Messe- und Sideevents, Crewcatering), Print und Give-aways, CO2-Bilanzierung (Event Carbon Footprint) und Kommunikation. Vor allem im Bereich der betrieblichen Nachhaltigkeit, beim Nachhaltigkeitsprogramm der eventspezifischen Vertragslieferanten und Dienstleister, bei der Nachhaltigkeit von Food und Beverage sowie der CO2-Bilanzierung zeigt sich zum Start Gelegenheit zur Verbesserung.

Die Handlungsfelder

Abfallmanagement
Mobilitäten (Crew, Service Provider, Besucher etc.)
Berechnung CO2-Fußabdruck
NH-Kriterien zur Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen
Catering
Personaldienstleister
Digitale/hybride Aspekte
Side Events
Druck/Print
Soziale Aspekte/Inklusion/Barriere­freiheit/Diversität Technik/Media
Energie
Teilnehmer-Management
Gastgeschenke/Merchandising
Unterbringung
Kommunikation (intern/extern)
Veranstaltungsort
Messebau
Wasser

Die Messebauplanung und Materialauswahl hingegen ist dank der Vorarbeit des Messearchitekten imb troschke schon stark aufgestellt. Bei einem Materialeinsatz von 1,8 Tonnen sind 2023 insgesamt nur 19,2 Kilogramm Müll angefallen – in Form von Teppich, Molton, Abdeckfolie, Gaffa Tape, Klebeband und Schrauben. Den Nachhol- und Optimierungsbedarf für 2024 deckt wiederum der SSPC auf, mit dem die am Messestand beteiligten Unternehmen auf ihre grundlegenden Werte, Ziele und Prinzipien sowie die operativen Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales geprüft werden. Für den tw-Stand betrifft dies die Messe Frankfurt Venue GmbH als Location, die IMEX Group als Veranstalter, die Messearchitekten und Caterer.

Als kritische Punkte stellen sich hierbei häufig die konkreten Nachweise zu den Aktivitäten in den Handlungsfeldern ökologische Nachhaltigkeit, soziale Nachhaltigkeit und Lieferantenmanagement heraus. Sie bringen die essenzielle Transparenz und Glaubwürdigkeit in die Nachhaltigkeitsbemühungen der Dienstleister, Aussteller und Auftraggeber, wie das Projektteam erkennt. Während ein Framework wie das SSPC den Fokus auf die strategische Steuerung nachhaltiger Veranstaltungsplanung legt, liefern Instrumente wie der Circular Scan und eine Stoffstrombilanz eine konkrete Datengrundlage, um Materialflüsse sichtbar zu machen.

Der Kreislaufexperte im Circular Collective und bei der CSR-Agentur 2bdifferent Dr. Christoph Soukup erklärt zum Meet-up 2024 das Sankey-Diagramm des Stands der tw tagungswirtschaft auf der IMEX 2023: Links fließen Materialien proportional zu ihrer Menge in verschiedenen Strahlstärken in den tw-Messestand ein. Rechts gehen der dünne Strahl mit einem Abfallanteil von einem Prozent und der dicke Strahl mit einem hohen Anteil an Wiederverwertung mit 99 Prozent ab. Foto: tw tagungswirtschaft

Aus diesem Grund erfasst das Projektteam vor der IMEX 2024 alle Primär- und Sekundärmaterialien – bis zum letzten Zentimeter Klebeband. Die systematische Bilanz ist Voraussetzung für eine zirkuläre Bewertung des Messeauftritts. Ziel ist es, Rückschlüsse auf den Materialkreislauf zu ziehen: Welche Materialien lassen sich wiederverwenden, welche sind sortenrein trennbar, und wo bestehen stoffliche Verbünde, die bislang kaum recycelbar sind? Messearchitektin Andrea Walburg, geschäftsführende Gesellschafterin von imb troschke, führt akribisch Buch über den Verbrauch der verbauten Materialien, die Bewertung übernimmt Kreislaufexperte Dr. Christoph Soukup von 2bdifferent.

Der Stand 2024

Das Ergebnis: Nur ein Prozent der verwendeten Materialien ist Abfall. Für Walburg ist das Ansporn, diesen Wert beim Messeauftritt auf der IMEX 2024 sogar noch zu unterbieten: In der Planung ersetzt sie den Teppich durch eine Bodenplatte aus dem Fundus, ebenfalls war die neue Bespannung der Standvorderseite bereits vorher für einen anderen Kunden im Einsatz und wird ebenfalls für die IMEX 2025 genutzt. „Uns ist es gelungen, die 19,2 Kilogramm Müll, die 2023 noch entstanden sind, 2024 noch mal zu minimieren – und zwar auf sechs Kilogramm“, so die Messearchitektin. Nach der IMEX 2024 erhebt das Team die Aktivitätsdaten des Auftritts der tw tagungswirtschaft, um die tatsächlich erzeugten CO2e-Emissionen zu messen.

Clemens Arnold, Co-Geschäftsführer bei 2bdifferent, ist im Circular Collective für die CO2-Bilanzierung verantwortlich. Foto: tw tagungswirtschaft

Clemens Arnold, Co-Geschäftsführer bei 2bdifferent, berechnet und bilanziert alle Emissionen, die bei der Planung, Produktion und Umsetzung der Messebeteiligung in den CO2e-relevanten Handlungsfeldern entstehen. Diesen Event Carbon Footprint kalkuliert er nach einer Methodik des Green House Gas (GHG) Protocol Standards. Die jeweiligen Treibhausgase, die durch Messebau, Mietmöbel, Catering, Messestandort, Speaker, Reinigungsdienstleistungen, An- und Abreise der Besucher:innen, Logistik und Übernachtungen emittiert werden, werden erfasst und für eine bessere Vergleichbarkeit in CO2-Äquivalente umgerechnet. Rund 24 Tonnen CO2e-Emissionen verursacht der Messeauftritt der tw tagungswirtschaft – in etwa so viel, wie 48 Personen im Jahr beim täglichen achtminütigen Duschen freisetzen.

Allein über 22 Tonnen CO2e-Emissionen entfallen davon auf die An- und Abreise der internationalen Besucher:innen der IMEX 2024, während die weiteren Gewerke Messebau, Mietmöbel, Catering, Location mit Reinigung, Speaker, Logistik und Übernachtungen zusammen 1.873 Kilogramm ausmachen. „Hier zeigt sich, dass die CO2e-Emissionen, die sich unter unmittelbarem Einfluss der tw tagungswirtschaft befinden, schon weitestgehend ‚optimiert‘ sind, was Reduktion und Vermeidung angeht“, meint Arnold. „Ein derart optimierter Stand wie der tw tagungswirtschaft auf der IMEX 2024 mit sechs Kilogramm Abfall bei einem Materialeinsatz von zwei Tonnen ist demnach auch in Sachen CO2 optimiert, aber natürlich nicht völlig ohne Emissionen“, ergänzt sein Kollege Soukup.

Stehen bei den Meet-ups am tw-Messestand zur IMEX 2024 Rede und Antwort: Jürgen May, Geschäftsführer bei 2bdifferent (links), und Andrea Walburg, Geschäftsführerin bei imb troschke (Mitte). Foto: tw tagunswirtschaft

„Bei den Fragen, die sich beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess stellen, gerät man unweigerlich in Dilemmata, bei denen es keine ganz einfachen Antworten mehr gibt.“ Ein Beispiel: Die Emissionen durch Übernachtungen – etwa für das Standteam, externe Dienstleister oder Möbelanbieter – erscheinen auf den ersten Blick gering, machen im Fall eines stark optimierten Standes aber plötzlich einen bedeutenden Anteil der Gesamtemissionen aus. Soukup: „Das hätte man ja so nicht erwartet. Dieser Wert wäre bei einem konventionelleren Stand vom Anteil her deutlich kleiner gewesen, weil eben nicht gut 50 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter anfallen, sondern möglicherweise das Doppelte oder Dreifache.“

Der Stand 2025

Ein Messestand wie jener der tw tagungswirtschaft, der zur IMEX 2025 bereits zum fünften Mal zum Einsatz kommt, verbessert durch seine Wiederverwendung automatisch die CO₂-Bilanz. Die Optimierungsmöglichkeiten werden dadurch kleiner – und zugleich strategischer. Umso wichtiger bleibt es, das Thema weiterzudenken: Das Projektteam rund um tw tagungswirtschaft & m+a report, 2bdifferent und imb troschke engagiert sich deshalb auch über den eigenen Stand hinaus und ist von Beginn an Teil des neuen Forschungsprojekts „Kreislaufwirtschaft in der Messewirtschaft (KRIDEM)“ der Hochschule Osnabrück. Dabei sollen praxisnahe Lösungen entwickelt werden, um den Kreislaufgedanken systematisch in der Branche verankern zu lassen – von der Materialwahl über die Logistik bis hin zu wiederverwertbaren Konzepten.

Ask me anything: Treffen Sie das Circular Collective auf der IMEX 2025

  • Meet-up am 21. Mai, 14:00 Uhr am Messestand tw tagungswirtschaft & m+a report (G110) Circular Collective – Wo stehen wir?: CO₂-Bilanz, Partnercheck & erste Wirkungskreise
  • Meet-up am 21. Mai, 14:30 Uhr am Messestand tw tagungswirtschaft & m+a report (G110) Next Level Circular – Was kommt noch?: Nächste Schritte im DBU-Projekt und neue Handlungsfelder

Die im Rahmen des tw-Stands durchgeführten Stoffstromanalysen und Wiederverwendungskonzepte fließen als reale Anwendungsbeispiele und Learnings in das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 150.000 Euro geförderte Projekt ein. Gemeinsam mit weiteren Branchenakteuren wie Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA und der Leipziger Messe will das Team dazu beitragen, aus Einwegdenken zirkuläre Praxis werden zu lassen. Ergänzend wird im KRIDEM-Projekt auch der NEXUS-Ansatz verfolgt, den Prof. Dr. Kai-Michael Griese und Prof. Dr. Kim Werner als Projektverantwortliche an der Hochschule Osnabrück maßgeblich ins Spiel bringen. Dieser Ansatz stellt die Verflechtung von Wasser-, Energie- und Rohstoffverbrauch in den Mittelpunkt.

Mit Hilfe einer detaillierten Stoffstromanalyse identifizieret das Team in den nächsten beiden Jahren Synergien über Ressourcengrenzen hinweg: Sie untersuchen zum Beispiel, welche Materialien und wie viel Energie für den Bau eines Messestandes benötigt werden und welche Abfallmengen, Emissionen oder wiederverwertbare Komponenten dabei entstehen. Ergänzend zur Analyse eines einzelnen Messestandes wird beispielsweise die Gebäude- und Infrastruktur oder das Abfallaufkommen und die -zusammensetzung während der gesamten Messeveranstaltung einbezogen. So wird auch hier sichtbar, auf welchen Ebenen Einsparpotenziale liegen und wie sich Produktions- und Verbrauchsweisen insgesamt nachhaltiger gestalten lassen.

Durch diese ganzheitliche Betrachtung eröffnen sich konkrete Vorteile für die Messewirtschaft: Die Kombination aus Kreislaufwirtschaft und NEXUS-Ansatz schafft zugleich ökologische und ökonomische Potenziale. Am Ende des Forschungsprojektes sollen alle Erkenntnisse aus Analysen und Fallstudien in praxisnahe Handlungsempfehlungen und einen branchentauglichen Leitfaden einfließen, die dann veröffentlicht und branchennah transferiert werden. Damit sollen die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur Denkanstöße liefern, sondern darüber hinaus auch konkrete Veränderungen bewirken – für eine Branche, die ihre Verantwortung ernst nimmt und sich zukunftsfähig aufstellt. Stay tuned!

Justine Hein

Das Circular Collective

Die CSR-Agentur 2bdifferent, die Messearchitekten imb troschke und die tw tagungswirtschaft planen den tw-Stand auf der IMEX Frankfurt nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Das Projekt begleitet die Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Veranstaltungsmanagement. Ansprechpartnerin ist Prof. Dr. Kim Werner. Betrachtet werden alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial und ökonomisch) und ihre Handlungsfelder. Das Projekt ist als Pilot für die Veranstaltungswirtschaft gedacht, transparent angelegt und wird von 2023 bis 2026 crossmedial aufbereitet. Ansprechpartner sind Dr. Christoph Soukup und Jürgen May von 2bdifferent, Andrea Walburg von imb troschke, Simone Hammer und Justine Hein von tw tagungswirtschaft & m+a report.

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