Kongresshäuser im Wandel
Neue Priorität Energieeffizienz
Fassaden-Photovoltaikanlage und „Smartflower“ auf dem Dach des Energieparks Hirschaid. Zwölf Solarmodule fächern sich zu einer etwa 18 Quadratmeter großen „solaren Blume“ auf, die sich zur Sonne ausrichtet und ihr alle zwei Minuten nachgeführt werden kann. Foto: Energiepark Hirschaid
Fassaden-Photovoltaikanlage und „Smartflower“ auf dem Dach des Energieparks Hirschaid. Zwölf Solarmodule fächern sich zu einer etwa 18 Quadratmeter großen „solaren Blume“ auf, die sich zur Sonne ausrichtet und ihr alle zwei Minuten nachgeführt werden kann. Foto: Energiepark Hirschaid
Mit der jüngsten Reform des Klimaschutzgesetzes verlagert sich der Fokus von einer rein sektorbezogenen Betrachtung des CO2-Ausstoßes hin zu einer vorausschauenden und gesamtzielorientierten Strategie. Auch im Gebäudebereich fallen über den gesamten Lebenszyklus hinweg Emissionen durch Energieverbrauch in verschiedenen Sektoren an. Diese zu senken, ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Architekt:innen, Ingenieur:innen, Energieberater:innen, Techniker:innen, Lieferanten und Dienstleister:innen. Deutschlands Kongresshäuser zeigen Wege in eine nachhaltige Energiewirtschaft.
In der letzten Aprilwoche konnte endlich die erste Tagung im Heidelberg Congress Center (HCC) durchgeführt werden – nur drei Tage nach der Eröffnungsfeier mit offizieller Schlüsselübergabe an die Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft mbH (HKK). „Die im Vorfeld erstellte Raumplanung ist aufgegangen, wie man an der Akzeptanz und Buchungslage sieht“, freut sich deren Geschäftsführer Mathias Schiemer, der gleichzeitig die Heidelberg Marketing GmbH leitet: Mit etwa 50 weiteren geplanten Veranstaltungen in diesem Jahr sei das neue Kongresszentrum im Heidelberger Stadtteil Bahnstadt bereits gut ausgelastet. „Mit dem neuen Konferenzzentrum erhalten wir die Kapazitäten für Veranstaltungen, die Heidelberg als Stadt der ältesten Universität Deutschlands, zahlreicher international renommierter Forschungseinrichtungen und mehrerer Weltkonzerne dringend benötigt“, betont Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner. Dabei dauerte das Ringen um das Gebäude in der Stadt am Neckar knapp drei Jahrzehnte, fast sechs Jahre lang wurde davon ausschließlich geplant. Denn nicht nur modern sollte der Neubau am Europaplatz sein, sondern zeitgleich auch funktional, komfortabel und kostengünstig im Betrieb. Den hohen Anforderungen an Raumluftqualität, Behaglichkeit, Ästhetik und Sicherheit sollte man gerecht werden und das in einem energetisch anspruchsvollen Rahmen des Passivhausstandards.
Passivhausstandard
Ein Passivhaus ist ein Gebäudestandard, der sich durch eine besonders hohe Energieeffizienz auszeichnet. Die Grundprinzipien beinhalten eine umfassende Wärmedämmung, eine luftdichte Bauweise, die Vermeidung von Wärmebrücken, eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung sowie den Einsatz von hochwertigen Fenstern und innovativer Haustechnik. Ziel ist es, damit den Heizenergieverbrauch drastisch zu reduzieren, indem es bis zu 90 Prozent weniger Heizwärme als ein herkömmliches Haus im Baubestand und mehr als 75 Prozent weniger als ein durchschnittlicher Neubau verbraucht. Dies wird erreicht, indem das Haus die in seinem Inneren vorhandenen Energiequellen wie Körperwärme von Personen oder einfallende Sonnenstrahlung passiv nutzt, wodurch die Notwendigkeit einer aktiven Heizung grundlegend vereinfacht oder sogar überflüssig gemacht wird. Ein Passivhaus erreicht thermische Behaglichkeit nach ISO 7730 Standard allein durch das Nachheizen oder Nachkühlen des Frischluftvolumenstroms, der für eine ausreichende Luftqualität erforderlich ist, ohne zusätzliche Umluft zu verwenden. In Deutschland darf ein Gebäude, um als Passivhaus zu gelten, höchstens 15 kWh Heizwärmebedarf pro Jahr und Quadratmeter aufweisen.
Diese Anforderungen haben damit ein nachhaltiges Gebäudekonzept vonnöten gemacht, das in einen „sehr besonderen Entwurf" gemündet ist, wie Thomas-W. Sante, zweiter Geschäftsführer der HKK, die Arbeit des federführenden Architekten Florian Walter von Degelo Architekten lobt. In seinem Gebäudeentwurf hat das Architekturbüro aus Basel auf einen überwiegend massiven Fassadenteil mit Stein- und Betonflächen gesetzt. Mit dem hohen Anteil an thermischer Speichermasse, der dadurch erreicht wird, soll die Basis für eine ausgewogene Temperaturregulierung im Inneren des neuen Kongresszentrums gelegt werden, erklärt Walter: „Die Aufheizung, die durch die Sonneneinstrahlung über die Glasfassaden entsteht, wird so ausgeglichen.“ Der vorgemauerte rötliche Natursandstein der Fassade stammt dabei aus der Gegend bei Eberbach (Rhein-Neckar-Kreis), aber auch die mehreren Tausend Kubikmeter Architektur- und Weißbeton für den Rohbau und die Innenräume wurden aus dem nahegelegenem Betonwerk in Heidelberg-Eppelheim angeliefert. „Durch einen niedrigen G-Wert [Gesamtenergiedurchlassgrad] der Verglasung konnte zudem auf externe Sonnenschutzmaßnahmen verzichtet werden. Die passive dezentrale Kühlung reguliert das Raumklima im Sommer“, so der Schweizer Architekt weiter. Die eingesetzte Flächentemperierung durch Betonkernaktivierung wird mit Fernwärme und „Kälte aus der Leitung“ kombiniert. Woher die Fernkälte stammt, können die Tagungs- und Kongressteilnehmer:innen sogar aus den Fenstern einiger der insgesamt zehn Meeting Spaces sehen: Die benachbarte Kältezentrale Europaplatz fällt mit ihrer 5-Solar-Fassade ins Auge.
Das bei der Eröffnungsfeier als Heidelbergs „Himmelseck“ bezeichnete Heidelberg Congress Center. Der rote Sandstein für die geschwungene Fassade, die an einen Bühnenvorhang erinnern soll, stammt aus dem Neckartal in der Region um Heidelberg. Foto: AWD Ingenieure, Claus Graubner
„Ich sage immer wieder: ‚Kühlen ist das neue Heizen.‘ Wir haben immer heißere Sommer, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir effizient Kälte bereit stellen können für unsere Gebäude“, sagt Michael Teigeler, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg Energie, die die Kältezentrale betreiben. Gemeint sind damit unter anderem das HCC sowie ein anliegendes Hotel. Mit einer Gesamtleistung von 13 Megawatt soll die gebündelte, elektrische Kälteerzeugung bis zu 20 Prozent CO2 und Energiekosten gegenüber technischen Einzellösungen in den jeweiligen Gebäuden einsparen können. Ein weiterer Vorteil: Auf dem Dach des Heidelberg Congress Center mussten keine eigenen Rückkühler angebracht werden – das bedeutet mehr Platz für eine Photovoltaikanlage und eine Dachbegrünung zur Regenwasserrückhaltung, zur Verbesserung des Mikroklimas und der Luftreinhaltung.
Die DGNB Zertifizierung für Gebäude
Das DGNB Zertifikat wird von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) vergeben und wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren der Bau- und Immobilienwirtschaft und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung entwickelt. Es dient dazu, die Nachhaltigkeit von Gebäuden (Neubau, Gebäude im Betrieb oder Sanierungen) über deren gesamten Lebenszyklus hinweg zu bewerten und zu zertifizieren. Die Bewertung umfasst rund 50 Einzelkriterien, die zum Beispiel für Neubauten in sechs Themenfelder unterteilt sind: Ökologie, Ökonomie, Soziales, technische Qualität, Prozessqualität und Standortqualität. Gebäude, die die Kriterien in herausragender Weise erfüllen, können ein DGNB-Zertifikat in den Stufen Platin, Gold oder Silber erhalten. Das weltweit erste Kongresshaus mit Platin-Zertifikat ist das Kap Europa in Frankfurt.
Das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) hingegen ist eine staatliche Auszeichnung, die im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als rechtssichere Grundlage für die Vergabe von Fördermitteln verliehen wird. Es zielt darauf ab, Nachhaltigkeitsaspekte in der Baubranche zu fördern und wird in den Anforderungsniveaus „QNG Plus“ oder „QNG Premium“ vergeben. Das QNG Siegel wird nach einer Zertifizierung durch akkreditierte Stellen wie die DGNB verliehen, wobei die allgemeinen Anforderungen des QNG durch eine DGNB Zertifizierung abgedeckt werden. Für den Erhalt des QNG muss ein DGNB Zertifikat mindestens in Silber erreicht sowie alle Anforderungen des QNG-Plus erfüllt werden.
Primärenergetisch ist das neue Kongresshaus also über den Anschluss an das Fernwärme/-kältenetz und die 1.800 Quadratmeter große Photovoltaikanlage, die den Strom für sämtliche (Versorgungs-)Technik in den Meeting Spaces sowie den zwei Sälen, das hauseigene Catering und die 70 Elektroladesäulen für Autos sowie 30 Fahrradladestationen in der zweigeschossigen Tiefgarage liefert, gut aufgestellt. Die Betriebskosten für Energie ließen sich zudem durch die eingesetzte energieeffiziente Anlagentechnik und den anlagenoptimierten Betrieb der raumlufttechnischen Anlagen mit Wärmerückgewinnung über die bedarfsgerechte Steuerung mit CO2-Sensoren reduzieren. Mit ihnen wird frische Außenluft mechanisch in das 30.000 Quadratmeter große Gebäude gebracht. Für das nachhaltige Bauvorhaben hat das Heidelberg Congress Center bei seinem Baubeginn im Jahr 2020 eine DGNB-Vorzertifizierung in Gold erhalten. Mit einer ökologischen Qualität von 60,4 Prozent, einer ökonomischen Qualität von 76,6 Prozent, der soziokulturellen und funktionalen Qualität von 86,6 Prozent, einer technischen Qualität von 58,2 Prozent, der Prozessqualität von 70,6 Prozent sowie einer Standortqualität von 78,8 Prozent liegt der Gesamterfüllungsgrad bei 71,9 Prozent. Die Platin-Zertifizierung, die höchste Stufe, kann ab einem Gesamterfüllungsgrad von 80 Prozent erreicht werden. Dazu kann nun ein DGNB Zertifikat im Bereich „Gebäude im Bestand“ angestrebt werden. Das RheinMain CongressCenter (RMCC) in Wiesbaden könnte Vorbild sein: In seiner Bauphase wurde es erst mit Gold und nach seiner Fertigstellung mit einem DGNB-Zertifikat in Platin ausgezeichnet.
Karlsruhe: Regelbetrieb ab 2026
Dass nicht nur Neubauten ein hohes Maß an Energieeffizienz erreichen können, will die Stadthalle Karlsruhe in den nächsten Jahren beweisen. Als zentraler Bestandteil des Kongresszentrums Karlsruhe, dem nach eigenen Angaben eines der größten innerstädtischen Kongresszentren in Deutschland, wurde die Stadthalle in den 80er-Jahren erbaut und ist aufgrund ihrer veralteten Technik und Optik sanierungsbedürftig geworden. Die seit 2017 andauernden Sanierungsarbeiten umfassen eine Vielzahl von Maßnahmen, darunter die Modernisierung der Foyers, der Säle und Seminarräume, die Sanierung der Küche, eine neue Lichtplanung und die Erfüllung der Brandschutzanforderungen. Ein wesentliches Element der technischen Aufrüstung ist die Implementierung eines neuen Technikkonzepts, das aufgrund der Nachfrage insbesondere auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit setzt, wie Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Karlsruher Messe- und Kongress GmbH, die die revitalisierte Stadthalle betreiben wird, erläutert: „Unsere Kunden legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und individuelle Konzepte bezüglich Raumangebot, Lichtregie und Behaglichkeit. Das wird uns Türen öffnen. Das merken wir schon jetzt bei der beginnenden Vermarktung der Halle.“ Neben der geplanten Photovoltaik-Anlage und stromsparenden LED-Beleuchtungstechnik laufen aktuell sieben Bohrungen für die Nutzung oberflächennaher Geothermie zu Heiz- und Kühlzwecken, womit der CO2-Fußabdruck signifikant reduziert werden soll.
Das Konzept der geothermischen Grundwassernutzung folgt dabei einem einfachen Kreislaufprinzip: Das Grundwasser wird östlich der Stadthalle in 21 Metern Tiefe entnommen. Dann wird das Wasser durch das Gebäude in einen Wärmetauscher gelenkt, der es im Sommer zum Kühlen und im Winter zum Heizen nutzt. Auf der Westseite wird das Wasser über vier Sickerbrunnen wieder in das Grundwasser eingeführt. Die Entnahme und Wiedereinführung seien so berechnet, dass zum einen nur minimale und kaum messbare Grundwasserschwankungen erzeugt werden und zum anderen eine – über das Jahr gerechnet – gleichbleibende Temperatur für das Grundwasser bestehen bleibt. Bis August 2024 soll dieses Vorhaben abgeschlossen sein, die deutlich erhöhte Energie-Effizienz ein zusätzlicher Pluspunkt der Modernisierung.
Foto: privat
„Energiekosten stellen nach den Personalkosten meist den zweitgrößten Kostenfaktor im Betrieb dar.“
Michael Walbrach, Geschäftsführer der Symbios Beratungsgesellschaft, über die Herausforderungen bei der energetischen Sanierung und drei Empfehlungen für Betreiber von Veranstaltungsimmobilien, um ökologische und ökonomische Vorteile langfristig zu maximieren.
Hinzukommende aktive und passive Systeme in der Haustechnik, wie zum Beispiel eine ausgeklügelte Regeltechnik, sowie Sonnenschutzfolien der Schrägverglasung sollen insgesamt das Energieniveau deutlich senken. Kurzgefasst bedeutet dies: weniger Energieverbrauch als bisher, der zudem umweltfreundlich und regenerativ ist. Die Investitionskosten sollen sich dann bereits, je nach Ansatz von Energiekostenprognosen, in einem Zeitraum von sieben bis zehn Jahren amortisiert haben. Bei einem neuen Lebenszyklus der Stadthalle von 30 bis 50 Jahren sei das nach Angaben der Karlsruher Messegesellschaft ein sehr guter Wert und eine gute und solide Anlage für die Zukunft. Die Fertigstellung der Stadthalle ist für Ende 2024 geplant, gefolgt von einer Eröffnungsphase mit nicht-öffentlichen und kleineren öffentlichen Formaten im Jahr 2025. Der Regelbetrieb könne dann ab 2026 aufgenommen werden.
Zehn Jahre Energiepark Hirschaid
In unmittelbarer Nähe zur Weltkulturerbe-Stadt Bamberg und im Herzen der Metropolregion Nürnberg befindet sich der Energiepark Hirschaid, der sich als „nachhaltige Eventlocation für die Organisation und Durchführung von einprägsamen und emotionalen B2B Events sowie einzigartiges Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“ bewirbt. Bis zu 800 Personen finden dort auf sechs Eventflächen, verteilt über zwei Ebenen mit einer Gesamtfläche von 4.000 Quadratmetern, Platz. Als den Betreibern zufolge erstes zertifiziertes EU-Green Building in der Veranstaltungsbranche und Sieger des Green Building Award 2014 feiert es in diesem Jahr sein 10-jähriges Bestehen. Aus einer ehemaligen Industriebrache entstand nach dreijähriger Umbau- und Sanierungszeit ein Gebäude, in dem klimaneutrale Energietechnologien aus den unterschiedlichen Bereichen wie Photovoltaik, Windkraft oder Heizsystemen erlebbar gemacht werden sollen. Um die autarke Versorgung mit erneuerbaren Energien sicherzustellen, sind mehr als 20 verschiedene Energietechnologien im und am Energiepark installiert worden. Für die Klimatisierung wurde im Rahmen der Sanierung ein Gesamtkonzept mit der Zielsetzung, den Großteil der benötigten Heizwärme über die eigene Energieproduktion vor Ort zu erzeugen, entwickelt. Zwei vorhandene Brunnen wurden in das System integriert und mittels Grundwasser-Wärmepumpe zur Wärmeerzeugung genutzt. Die Versorgung der Wärmepumpe mit elektrischer Energie wird durch verschiedene Dach-Photovoltaikanlagen, eine Fassaden-PV, einen PV-Tracker und mehrere Kleinwindanlagen gewährleistet. Darüber hinaus dienen zwei miteinander gekoppelte Wasserspeicher als Puffer für die erzeugte Heizwärme.
Die Kleinwindenergieanlagen auf dem Dach der element-e-Halle des Energieparks Hirschaid seien durch verschiedene Antriebskonzepte sehr leise und erzeugen bereits bei Windgeschwindigkeiten unter 3m/s Energie. Mit einer Spitzenleistung von bis zu 3 kW sind sie außerdem unabhängig von der Windrichtung und relativ unempfindlich gegenüber Böen. Foto: Energiepark Hirschaid
So können insbesondere in den Übergangszeiten die Laufzeiten der mit Eigenstrom betriebenen Wärmepumpe optimiert werden. Ergänzt wird das System durch ein Blockheizkraftwerk, das neben der thermischen Energie auch die Wärmepumpe mit elektrischer Energie versorgen kann und bei Spitzenzeiten automatisch zugeschaltet wird. Die Wärmeverteilung erfolgt durch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Eine weitere Besonderheit ist ein fast 100 Meter langes Luftbrunnensystem durch die Nutzung der alten Bodenkanäle. Somit wird die angesaugte Luft vorkonditioniert, also im Winter vorgewärmt bzw. im Sommer vorgekühlt. In unmittelbarer Nähe zum Energiepark soll mit dem Ellipsum noch in diesem Jahr eine weitere, multifunktionale Location mit dem Anspruch eines „Zero Carbon Buildings“ eröffnet werden. „Mit dem Ellipsum erweitern wir das nachhaltige Veranstaltungsangebot in Hirschaid – Das Ellipsum eignet sich perfekt für authentische Green Meetings & Events“, so Frank Seuling, Gründer und Inhaber des Energieparks. Dank der Unterstützung des Bundesumweltministeriums über eine Förderung in Höhe von einer Million Euro startete im Jahr 2022 der Neubau der Veranstaltungsarena als erster Bauabschnitt des Gesamtkomplexes, im zweiten Abschnitt wird dann ein benachbarter ehemaliger BayWa-Speicher energetisch saniert.
„Ressourceneffizienz, Suffizienz, Circular Design, Cradle to Cradle, CO2-Rückhaltung, Prozessenergie-Reduktion, Um- statt Weiterbauen und Einsatz erneuerbarer Energien sind die Konzepte für Bau- und Produktgestaltung von morgen.“
Georg Scheicher, Geschäftsführer bei Architekten Scheicher
Der Architekturkonzeption des Ellipsums liegt die oberste Zielsetzung Klimaneutralität und Nachhaltigkeit zugrunde. Im Gegensatz zur Halle des Energieparks wird dabei Wert auf nachwachsende Rohstoffe gelegt: Für den Wandaufbau und den Innenausbau wurde in großen Teilen Holz verwendet, als Dämmung sind insgesamt acht Tonnen des natürlichen Rohstoffs Stroh in über 300 Löcher in die Holzelemente der Gebäudehülle eingeblasen worden. „Wir stehen mitten im Umbruch unserer Baukultur. Bauen mit Baustoffen auf fossiler Rohstoff-Basis muss zugunsten nachwachsender Rohstoffe weniger werden. Unsere Wälder und Felder sind die Bergwerke und somit Bodenschätze von morgen“, erklärt dazu der verantwortliche Architekt Georg Scheicher, Geschäftsführer bei Architekten Scheicher. Darüber hinaus werden auch dort erneuerbare Energietechnologien eingesetzt, wie z. B. eine Grundwasserwärmepumpe und thermische Speicher für Heizen und Kühlen, elektrische Speicher sowie eine Dach-Photovoltaikanlage. Dafür wurden in Summe über 150 PV-Module verbaut, mit der eine Gesamtleistung von 34 kWp erzielt werden könne. Bilanziell soll somit mehr Energie erzeugt werden, als tatsächlich verbraucht wird. Ergänzt wird das Energiekonzept noch durch energieeffiziente Licht- und Steuerungstechnik. Die entstandenen Eventflächen sollen zunächst frei buchbar sein für jegliche Art von Veranstaltung für bis zu 200 Personen, bevor sie im Zuge der Fertigstellung des zweiten Gebäudekomplexes zunehmend für Aktivitäten und Bildungsangebote im Bereich MINT und Digitalisierung genutzt werden.
Der Wettbewerb für die Innenarchitektur im Carlowitz Congresscenter setzte den Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“. Unter dem begehbaren Glasboden im Foyer wurde mumifiziertes Kugelmoos gestalterisch eingesetzt. Foto: Kasel Innenarchitekten
Chemnitz richtet Deutschen Umweltpreis aus
Auch in Chemnitz, der Kulturhauptstadt Europas 2025, hat man sich mit der Bauweise der Nachhaltigkeit verpflichtet. Das Carlowitz Congresscenter trägt den Namen des Chemnitzer Sohnes Hans Carl von Carlowitz, der als Begründer der nachhaltigen Forstwirtschaft und des modernen Nachhaltigkeitsbegriffs gilt. Im Jahr 2020 als Erweiterung der Stadthallte eröffnet, bietet es 14 Seminar- und Tagungsräume, die durch zusätzliches Raumangebot im angrenzenden Dorint Kongresshotel und Pentagon 3 erweitert werden können. In einem Wettbewerb der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit technischen, organisatorischen und administrativen Anforderungen hat sich das Kongresshaus durchsetzen können und wird im nächsten Jahr die Verleihung des Deutschen Umweltpreises ausrichten. Die Erzeugung von Fernwärme und Strom für die Veranstaltungen erfolgt durch einen gemeinsamen thermodynamischen Prozess namens Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), was den Vorteil eines reduzierten Brennstoffbedarfs für die gleichzeitige Bereitstellung von Strom und Wärme bietet. Dies führe nach Angaben der C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH zu erheblich reduzierten Schadstoffemissionen: Im Dezember 2023 wurde die Fernwärmeerzeugung auf Gas umgestellt, um den CO2-Ausstoß um etwa 60 Prozent zu senken. Die Fernkälte wird aus der Abwärme des Heizkraftwerkes Chemnitz gewonnen. Ein in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz entwickelter Kältespeicher soll dazu beitragen, den Netzbetrieb stabiler zu machen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Durch die Kombination der KWK-Technologie mit dem Kältespeicher werde der CO2-Ausstoß jährlich um etwa 4.800 Tonnen reduziert. Besonders auch die Innenraumgestaltung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes aus den 70er-Jahren betont die Verbindung zur Natur, die einige Herausforderungen mit sich gebracht hat, wie Sibylle Kasel, Geschäftsführerin Kasel Innenarchitekten erklärt: „Ein Anbau oder Umbau ist immer viel komplizierter als ein Neubau. Das ursprüngliche Gebäude wurde unter anderen Voraussetzungen, Aufgabenstellungen und technischen Anforderungen vor circa 50 Jahren gebaut. In diesem Zeitraum haben sich die technischen Anforderungen deutlich verändert in Bezug auf Brandschutzanforderungen, Klimatisierung, Heizung, Elektrifizierung, Interaktivität, elektronische Vernetzung, neue Kommunikations- und Medientechniken, Barrierefreiheit, etc. All diese Dinge brauchen sehr viel Raum, vor allem Raumhöhen, und sollen meist optisch verschwinden. Jeder Zentimeter musste von allen Planungsbeteiligten sehr genau durchdacht werden.“