Veranstaltungsformate

Gekommen um zu bleiben

Q Berlin Questions 2021 “Disrupted Mobilities” Panel mit Prof. Meike Jipp, Katja Diehl, Ali Aslan und Ross Douglas am ehemaligen Flughafen Berlin Tegel. Foto: visitBerlin, Kevin McElvaney

Q Berlin Questions 2021 “Disrupted Mobilities” Panel mit Prof. Meike Jipp, Katja Diehl, Ali Aslan und Ross Douglas am ehemaligen Flughafen Berlin Tegel. Copyright: visitBerlin, Foto: Kevin McElvaney

So schwer die Pandemie für die Veranstaltungsbranche auch ist. Einen Anschub für die Etablierung neuer Formate in der Veranstaltungswelt gibt sie allemal, wie Beispiele aus Berlin, Leipzig oder der virtuellen Welt zeigen.

„Endlich wieder Menschen treffen. In echt.“ In den schwierigsten Phasen der Pandemie war das der vermutlich am häufigsten geäußerte Wunsch der Akteure der Meetingindustrie. Nach unzähligen Online-Veranstaltungsformaten und noch mehr Online-Meetings vom Homeoffice aus ein selbstredend nachzuvollziehendes Verlangen. Doch gerade in dieser für Veranstalter so tristen und für Veranstaltungsplaner so herausfordernden Zeit waren Experimentierfreudigkeit, Erfindungsgeist und Innovation gefragt. Bei vielen zunächst aus Mangel an Alternativen und der Not heraus geborenen Online- und Hybrid-Formaten ist so manche Idee entstanden, die bleibt.

Advertorials

Advertorials

„Wenn wir jetzt an Formaten für die Zukunft arbeiten, planen wir digitale Elemente mit ein und zwar völlig unabhängig davon, ob es Restriktionen im Zusammenhang mit Corona geben könnte. Vermutlich nicht einmal bewusst, aber das ist ein Beispiel dafür, was in der Zukunft nicht mehr wegzudenken ist“, sagt Maike Kästner, die bei der Berlin Tourismus & Kongress GmbH die Planung der Konferenz Q Berlin Questions verantwortet.

Die mehrtägige Konferenz beschreibt sich selbst als Plattform für „transdisziplinären Dialog“ und als Ideengeber für strukturelle Veränderungen und kollektives Handeln. Seit 2017 verbindet die Konferenz in Berlin Politiker, Journalisten und Künstler aus der ganzen Welt, um sich mit den großen globalen Themen auseinanderzusetzen. Bei der letzten Ausgabe im August 2021 unter dem Motto „Metropolis: The New Now" lag der Fokus auf lokalen Lösungen für globale Herausforderungen nach der Covid-19-Pandemie. „Dabei haben wir nicht nur Sessions an sechs verschiedenen Standorten wie dem Spreepark, dem Flughafen Tegel oder der Floating University Berlin veranstaltet, wir haben unsere Teilnehmer auch in unser eigenes Metaversum „The Virtual Now“ geschickt, das von dem Berliner Unternehmen „Journee“ kreiert und umgesetzt wurde, so Kästner. Neben einem Livestream der Sessions auf Youtube hat die von der Stadt Berlin ausgerichtete Veranstaltung eine eigene virtuelle 3D-Umgebung kreiert, „The Virtual Now“. Um zu verstehen, was sich hinter dem Begriff Metaversum verbirgt, muss man sich in etwa die nächste Stufe des mobilen Internets vorstellen: Mehr als nur eine gigantische virtuelle Realität, die man mit seinem eigenen Avatar erkundet, und mehr als ein großartiges Videospiel – ein Metaversum ist die Summe aller Anwendungen des mobilen Internets in einem.

Joytopia, Foto: BMW

Metaversum: „Welten, in denen man gerne Zeit verbringt“

Das Metaversum ist in aller Munde – eine virtuelle Parallelwelt, dreidimensional erlebbar. Microsoft sieht neue „metaverse“ Geschäftsmodelle, Facebook benennt sich gar in „Meta“ um. Doch was steckt dahinter, wie muss man sich das vorstellen und was hat das Meetings zu tun? Wie Journee oder Allseated zeigen, wesentlich mehr, als man denkt.

Insgesamt verfolgen fast 2.000 Menschen – vor Ort in Berlin, per Livestream oder eben in der 3D-Welt „The Virtual Now“ – den viertägigen Austausch darüber, wie man voneinander lernend etwa in den Bereichen Urbanisierung, Klimaschutz, Zusammenleben oder Infrastruktur vorankommen kann. „Wie wichtig der Austausch über Ländergrenzen hinweg ist, haben die vier Tage unserer Metropolenkonferenz gezeigt. Unsere Wissensstadt Berlin ist dafür der richtige Ort“, sagt Berlins zum Zeitpunkt der Konferenz Regierender Bürgermeister Michael Müller zum Abschluss der Konferenz. „Dieses offene, kreative, aber auch kritische Miteinander gilt es weiterzuführen. Die globalen Herausforderungen wachsen und es liegt an den Metropolen, Lösungen zu finden, um ein gutes Leben vor Ort zu sichern.“

Avatare unterwegs. Die 3D-Welt „The Virtual Now“ der Berlin Questions. Foto: Screenshot

Im Metaversum der Berlin Questions, also im Virtual Now, bewegen die virtuellen Besucher ihre Avatare in einer Berlin nachempfundenen Umgebung mit spektakulären Locations und scheinbar grenzenlosen Welten. Dabei können die Teilnehmer nicht nur den Sessions beiwohnen, sondern auch untereinander agieren und richtigen Hologrammen begegnen. „Um ein echtes virtuelles Erlebnis zu kreieren, haben wir einen immensen Planungsaufwand betrieben“, erklärt Kästner. „Wir betrachten das Ganze aber als Investition in die Zukunft. Denn die virtuelle 3D-Welt bleibt ja erhalten und ist nicht eine einmalige Sache. Im Gegenteil, The Virtual Now ist ja im Prinzip unbeschränkt erweiterbar – ein grenzenloses Metaversum eben“, fügt sie hinzu. Zudem hat die Berlin Questions auf diese Art und Weise die Möglichkeit, sich in jede Richtung flexibel zu entwickeln: Entweder noch digitaler, sogar rein digital oder eben als Hybrid Event, wie er im Moment steht. Wie eingangs erwähnt eine Idee, die so vermutlich nie entstanden wäre und nun nicht mehr wegzudenken ist. Der Lohn für die Mühen: „Wir haben durch die virtuelle Erweiterung mehr als 1.000 zusätzliche Teilnehmer aus 26 Ländern gewonnen. Das ist ein großartiger Erfolg. Bei der nächsten Ausgabe im kommenden September werden wir daran anknüpfen.“ Wer mehr über die 3D-Welt von Waltz Binaire und den Planungsaufwand, derartiges für eine Konferenz zu kreieren, erfahren möchte, ist folgender Impuls von Gründer und Geschäftsführer Christian Mio Loclair aus der virtuellen Konferenz Connecting People des Magazins tw tagungswirtschaft ans Herz gelegt:

Neue virtuelle Räume – Wie können wir Menschen (wieder) miteinander verbinden? Hier können Sie sich den Vortrag von Christian Mio Loclair von der Connecting People noch einmal ansehen und mit auf eine virtuelle Journee gehen.

„Um zu begreifen, wieviel Technologie hinter einem virtuellen Konferenzlayout stecken kann, ist ein Blick auf die Herangehensweise der Agentur Proske an Hybrid Events lohnenswert. Dort werden Reichweite und Flexibilität der Online-Welt mit den Emotionen und Interaktionen „realer“ Veranstaltungen kombiniert. Und zwar mit der cloudbasierten Eventplattform Magnid, einer Weiterentwicklung der Virtual Venue Applikation von Proske. Magnid integriert Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Big Data in die Planung, Umsetzung und Nachbearbeitung von Veranstaltungsformaten und bietet dabei Möglichkeiten zum Tracking, Live-Voting und Besucheranalysen ebenso wie Live-Chats, hybrides Speed-Dating oder Matchmaking.

Die cloudbasierte Eventplattform Magnid ist eine Weiterentwicklung der Virtual Venue Applikation von Proske. Foto: Screenshot

„Magnid bringt nicht nur alle Features für die Realisierung kleiner und großer Digital-Veranstaltungen mit, sondern bereichert mit seinen Möglichkeiten ebenso die Durchführung hybrider Events“, so Christian Holtz, Geschäftsführer der Magnid GmbH. „Mit der Plattform wird es möglich, die logische Lücke zwischen Live- und Digitalveranstaltungen zu schließen und dafür die Assets beider Welten so zu kombinieren und zu verknüpfen, dass daraus ein vielversprechendes neues Format entsteht. Das belegen wir gern bei einer ‚Hausführung‘ im Cyberspace.“ Dieser Cyberspace ist ein Showroom (hier eintreten) von Magnid, der jetzt für Führungen durch das virtuelle „Gebäude“ zur Verfügung steht. Die Visite beginnt am CO2-Tracker vor dem Gebäude, der eine Möglichkeit zur CO2-Berechnung und zum Vergleich mit realen Events schafft. Im Gebäude selbst gibt es auf zwei Etagen verschiedene Räume und Szenen, in denen Keynotes und Präsentationen rund um die Thematik Digital- und Hybrid-Events abrufbar sind.

Whitepaper „Eventplattformen“

Digital Revolution

Patric Weiler ist Commercial Director bei Magnid und Executive Advisor bei Proske. Er beschäftigt sich seit 2002 mit digitaler Transformation sowie der Integration innovativer Technologien und virtueller Ebenen innerhalb der strategischen Live-Kommunikation. Weiler hat ein Whitepaper über Eventplattformen veröffentlicht.

„Digitale Plattformen sind auf dem Vormarsch, doch was sollte eine Plattform bieten, um langfristig erfolgreiches Potenzial zu bieten? Bevor wir Funktionalitäten und Spezifikationen detailliert betrachten, sollte zunächst vermerkt werden, dass die Bewertung einer Plattform ganzheitlich betrieben werden muss – das heißt, nicht nur aus der reinen Eventbrille, sondern anhand der Perspektive, wohin sich die Rolle des Eventmarketings und der Live-Kommunikation in Zukunft hinentwickeln wird."

Hier finden Sie das komplette Whitepaper.

Versetzt man sich in die Lage von Maike Kästner, eine Konferenz zu planen und sich dabei möglichst viele Optionen offen zu halten, befindet man sich in der neuen Realität von Veranstaltungsplanern. Wo geht die Reise hin und welche Wünsche haben Veranstaltungsbesucher künftig? Oder anders gefragt: Wie sieht die Zukunft der Veranstaltungswelt aus? Damit, welche konkreten Faktoren das veränderte Umfeld von Veranstaltungen beeinflussen, welche übergreifenden Handlungsfelder existieren und welche Szenarien für die Zukunft sich daraus ergeben, beschäftigt sich die diesjährige Forschungsphase des Innovationsverbundes „Future Meeting Space” (FMS): Das vom German Convention Bureau und Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO initiierte Projekt hat Anfang 2022 die Studie „Ökosysteme im Wandel – Zukunftsszenarien für Business Events im Zeitalter grenzenloser Kommunikation“ veröffentlicht.

Die Studie „Ökosysteme im Wandel – Zukunftsszenarien für Business Events im Zeitalter grenzenloser Kommunikation“ können Sie hier herunterladen.

Icon designed by Eucalyp from Flaticon

In dieser Studie zeichnen sich drei Zukunftsszenarien ab: „Tried and trusted – renaissance of the real“. Quasi die Rückkehr zu Vertrautem und Altbewährtem. Für das Instrument Business Events heißt das: Die persönliche Begegnung ist und bleibt das A und O. „Diverse and flexible – the global community“ ist eine Art Gegenentwurf dazu: Meetings, Tagungen und Kongresse werden hier zu Experimentierfeldern, in dem unter aktiver Mitgestaltung der Teilnehmerinnen und Teilnehmern Neues ausprobiert wird. Und „Green and aware – the net zero society” setzt Nachhaltigkeit als Leitmotiv allen Handelns voraus. Veranstaltungsteilnehmer erwarten inzwischen, dass ganzheitliche Nachhaltigkeitskonzepte transparent umgesetzt werden. In welche Richtung auch immer sich Veranstaltungen entwickeln mögen – dass bahnbrechend neue Formate schon vor der Pandemie Realität waren, zeigt ein Beispiel aus Leipzig. „Stets Ende Januar ist das Congress Center Leipzig Gastgeber für den Leipzig Interventional Course (LINC). Beim LINC, einem Fachkongress auf dem Gebiet der minimal-invasiven Gefäßmedizin, haben sich Vorhersagen über den „Kongress der Zukunft“ längst manifestiert“, sagt Ronald Kötteritzsch, Director Marketing & Sales bei der Leipziger Messe GmbH.

Ronald Kötteritzsch sieht beim Chaos Computer Congress viel mehr als nur Technik und neue Formate. Stichwort: Awareness. Foto: Wikimedia

So lassen sich vor allem die anspruchsvoller und komplexer werdenden technischen Anforderungen bei Kongressen beobachten. „An vier Tagen werden mehr als 90 Operationen aus OP-Sälen in der ganzen Welt live in den Kongress übertragen. Ein Kamerastream aus einem OP-Saal, ein Röntgen-Livestream in Full-HD-Qualität sowie erläuternde Charts werden dabei gleichzeitig auf eine riesige Leinwand projiziert, und dies von verschiedenen Operationen in mehreren Foren parallel. Dabei werden höchste Anforderungen an die Vernetzungs- und Präsentationstechnik gestellt“, erklärt Kötteritzsch. Aber nicht nur die komplexen Präsentationen stellen die technische Leistungsfähigkeit auf die Probe, sondern auch die Teilnehmer, die sich mittels ihrer mobilen Endgeräte die Welt mit in das Kongressgeschehen holen. Zudem trägt das Layout des LINC den Anforderungen an höhere Flexibilität und Integration optimal Rechnung. „Beim LINC verschwimmen baulich die Grenzen zwischen Vortragssälen, Ausstellung, Posterbereich, Foyers und Cateringzonen. Die Eingangsbereiche zu den Vortragssälen sind komplett offen gehalten; es gibt keine starre und schalldichte Grenze zwischen Vortrag und sonstigem Kongressgeschehen. Vortragssäle, Ausstellungen und Foyers sind zueinander in unmittelbarer Sicht- und Hörweite, sind untereinander integriert und bilden ein großes Ganzes“, beschreibt Kötteritzsch. Der letzte LINC vor der Pandemie vom 28. bis 31. Januar 2020 wurde von rund 5.000 Teilnehmenden besucht. Nach einer rein virtuellen Veranstaltung im Januar 2021 ist der LINC 2022 im Congress Center Leipzig für den 06. bis 09. Juni als Präsenzveranstaltung mit virtuellem Anteil geplant.

Denkt man an neue Formate und Leipzig, kommt einem unweigerlich der Chaos Communication Congress des Chaos Computer Clubs (CCC) in den Sinn – einer der größten Hackerzusammenkünfte der Welt. Dort wo gecodet, getüftelt, gelehrt und gelernt wird, Sessions und ein großer Teil des Kongressaufbaus spontan entstehen und alles ausschließlich mit freiwilligen Helfern organisiert wird, sieht Kötteritzsch ein ganz anderes „neues Format“: „Wichtiger finde ich, dass auch neue gesellschaftliche Zusammenhänge und Prioritäten entstehen“, führt Kötteritzsch aus. Der CCC macht sich gründliche Gedanken über die Aufgabe und den Stellenwert eines Kongresses und die Verantwortung gegenüber seinen vielen tausenden Besuchern. „Diese haben allesamt verschiedene Bedürfnisse und sind in ihrem Handeln, Fühlen und Denken unterschiedlich und einmalig. Rücksichtsvolles Verhalten untereinander und das Respektieren persönlicher Grenzen sollten selbstverständlich sein“, stellt das CCC-eigene Awarenessteam auf deren Webseite heraus, wohlwissend, dass es immer dann wenn sich Menschen begegnen zu Situationen kommen kann, in denen Menschen durch Worte oder Taten herabgewürdigt oder diskriminiert werden.

Awareness auf dem Chaos Communication Congress

Der Kongress will mit seinem Awarenessteam eine Anlaufstelle für Menschen bieten, um Erlebtes zu verarbeiten, Konflikte zu lösen und insbesondere auch für Minderheiten eine sicherere und angenehmere Atmosphäre zu schaffen.

Icon designed by Freepik from Flaticon

Awarenessarbeit bedeutet, Leute zu sensibilisieren, auf sich selbst und andere zu achten – insbesondere auch auf jene, die in ihrem Erscheinen oder Handeln von den vorherrschenden Normen eines sozialen Umfelds abweichen. Damit soll die Gefahr des Überschreitens von persönlichen Grenzen verringert werden. „Ein wichtiger Anteil von Awareness ist die Anerkennung der Definitionsmacht: Ob ihre eigenen Grenzen überschritten wurden, entscheidet immer ausschließlich die betroffene Person. Das machen wir, weil sonst oft die Mehrheitsgesellschaft entscheidet, wer wann diskriminiert wird und wer nicht. Einen Gegenpol dazu zu schaffen hilft, dass auch Menschen wahrgenommen werden, die sonst keine Stimme haben.“ Kötteritzsch lobt diesen Standpunkt ausdrücklich und sieht durchaus beispielgebenden Charakter für andere Veranstaltungen. „Überhaupt sehe ich es als einen Trend ,neuer Formate‘, dass diese aus den Türen und Mauern eines Kongresszentrums hinaus in die Gesellschaft rücken.“ Es ist zu hoffen, dass dieser Trend – genauso wie die wieder mögliche Begegnung „in echt“ – bleibt.

Christian Funk

Share this article