Demos gegen rechts
Für Weltoffenheit
Die Geschäftsführung und Führungsetage der Leipziger Messe demonstriert in Leipzig gegen rechts. V.l.n.r..: Martin Buhl-Wagner (Geschäftsführer der Leipziger Messe), Dirk Deumeland (General Manager und Prokurist Fairnet), Dr. Andreas Knaut (Mediensprecher der Leipziger Messe), Markus Geisenberger (Geschäftsführer der Leipziger Messe), André Kaldenhoff (Bereichsleiter Kongresse), Detlef Knaack (geschäftsführender Direktor fairgourmet) und Silvana Kürschner (General Manager, Executive Director Business Development und Leipziger Messe International). Foto: Leipziger Messe, Christian Modla
Die Geschäftsführung und Führungsetage der Leipziger Messe demonstriert in Leipzig gegen rechts. V.l.n.r..: Martin Buhl-Wagner (Geschäftsführer der Leipziger Messe), Dirk Deumeland (General Manager und Prokurist Fairnet), Dr. Andreas Knaut (Mediensprecher der Leipziger Messe), Markus Geisenberger (Geschäftsführer der Leipziger Messe), André Kaldenhoff (Bereichsleiter Kongresse), Detlef Knaack (geschäftsführender Direktor fairgourmet) und Silvana Kürschner (General Manager, Executive Director Business Development und Leipziger Messe International). Foto: Leipziger Messe, Christian Modla
In Deutschland demonstrieren seit Januar viele Bürger gegen rechts und für die Demokratie. Sie gehen auf die Straße und entwickeln ein Gefühl von Gemeinschaft. Unter ihnen sind viele Beschäftigte aus der Veranstaltungswirtschaft. Für sie sind Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz universelle Werte wie auch Produktions- und Standortfaktoren.
#WirsinddieBrandmauer. Am 3. Februar 2024 demonstrieren bei Winterwetter mehr als 150.000 Bürger vor dem Deutschen Bundestag. Mit ihrer Menschenkette wollen sie das Parlament schützen, das sie gewählt haben. Im Monat zuvor gehen rund zwei Millionen Menschen #ZusammengegenRechts auf die Straße: Die Bürger wollen ihre Demokratie stärken. In Bewegung setzen sie die Enthüllungen des Recherche-Netzwerks Correctiv zum „Geheimplan gegen Deutschland“, die Zuwächse der AfD, die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie die Europawahl. Anders als in den Filterblasen der sozialen Medien mischen sich auf der Straße Alters- und Berufsgruppen.
Doch was bewegt die Menschen angesichts der Demonstrationen? Erste Antworten liefert das rheingold Institut. Per Online-Panel haben die Marktforscher Ende Januar 1.061 Personen zu den psychologischen Wirkungen der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus befragt und die Erkenntnisse mit der Demokratiestudie „Wie wir wirklich leben" verbunden. Das Ergebnis: Durch die Demonstrationsteilnahme stellt sich ein befreiendes Gefühl von wiedererlangter Handlungsmacht und von Zusammengehörigkeit ein. 61 Prozent der Befragten ab 18 Jahren stimmen der Aussage zu, dass die Demonstrationen ihnen das Gefühl geben, es bewege sich etwas in Deutschland. 29 Prozent wollen an zukünftigen Demonstrationen gegen rechts teilnehmen. Das gemeinsame Aufstehen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie schafft ein lang vermisstes, gesellschaftliches Wir-Gefühl. Dieses Zugehörigkeitsgefühl verstärkt sich bei den Menschen, wenn sie während der Demonstrationen mit unbekannten Gleichgesinnten ins Gespräch kommen. 62 Prozent stimmen dem Statement zu: „Die Demonstrationen sind gut für einen gesellschaftlichen Dialog.“
Demokratie braucht den Diskurs
Für Prof. Dr. Markus Große Ophoff sind die bundesweiten Demonstrationen ein starkes Zeichen. Der Leiter des Zentrums für Kommunikation der Deutschen Bundesumwelt Stiftung (DBU) demonstriert mit 25.000 bis 30.000 Menschen für ein buntes Osnabrück – für Demokratie und gegen Faschismus. Demokratie ist für ihn der Wettbewerb um den besten Lösungsansatz. Das Thema Demokratie treibt ihn um, weshalb er ihm seine erste Kolumne in der tw tagungswirtschaft widmet: „Demokratie stärken – auch mit Veranstaltungen“.
„Demokratie braucht den Diskurs. Besonders wichtig ist das direkte Gespräch“, schreibt Große Ophoff. Da Veranstaltungen dabei eine große Rolle spielen, appelliert er an alle Eventprofessionals: „Lassen Sie uns gute, moderierte Diskurse zu den drängenden Themen unserer Zeit organisieren, in denen Menschen ins Gespräch kommen und der demokratische Diskurs um den besten Lösungsansatz geführt wird.“ Große Ophoff ist sich sicher: Die Veranstaltungswirtschaft kann einen erheblichen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten, wenn sie solche Diskurse organisiert.
Weltoffenheit als Standortfaktor
Unter den Demonstranten ist am 3. Februar 2024 Jörn Holtmeier. Er führt die Geschäfte des AUMA – Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der deutschen Wirtschaft in Berlin. Für seinen Post auf LinkedIn mit Bild: „Klares Statement von über 150.000 Menschen heute vor dem Deutschen Bundestag! #VielfaltistunsereStärke #Demokratie“ erhält er 257 Reaktionen – sein mit Abstand reichweitenstärkster Post. Zustimmung bekommt er aus dem AUMA-Vorstand. „Die deutsche Messewirtschaft steht für Weltoffenheit. Hatz und Hetze finden bei uns keinen Platz. Wir stellen uns gegen jeglichen Rassismus. Wir stehen ein für unsere Demokratie“, bekräftigt der Vorsitzende Philip Harting und betont: „Deutschland wäre nicht länger Messeplatz Nummer 1 in der Welt – wenn wir unsere ausländischen Austeller und Besucher nicht herzlich willkommen heißen würden, wenn sie sich nicht wohl und sicher fühlen könnten, wenn hierzulande nationalistisch statt international vernetzt regiert würde.“
Foto: AUMA
„Vielfalt ist unsere größte Stärke. Eine offene Gesellschaft sichert Wohlstand und Teilhabe. Abgrenzung und Ausgrenzung hingegen zerstören eine gute Zukunft für uns alle.“
Philip Harting, Vorsitzender des AUMA – Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der deutschen Wirtschaft
Hartings Worte fußen auf den Zahlen und Fakten zum Messeplatz Deutschland: Zwei Drittel der Weltleitmessen finden in deutschen Städten statt. 160 bis 180 internationale und nationale Messen ziehen über 180.000 Aussteller und zehn Millionen Besucher an. Und jetzt kommt es: 60 Prozent der Aussteller und 35 Prozent der Fachbesucher kommen aus dem Ausland. Vier der zehn weltgrößten Messegelände befinden sich in Deutschland: Hannover, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf.
Die Messe Frankfurt ist nicht nur Deutschlands umsatzstärkste Messegesellschaft mit 600 Mio. Euro, sondern als größter Messeveranstalter der Welt mit eigenem Gelände in 188 Ländern tätig. „Die Messe Frankfurt führt seit rund 800 Jahren weltweit Menschen zusammen – über politische, kulturelle und geografische Grenzen hinweg. Wir unterstützen die Initiative für eine weltoffene, vielfältige Gesellschaft und stehen auf für Demokratie, Frieden, Freiheit und Toleranz“, begrüßt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Wolfgang Marzin, die Besucher auf der Website der Messe Frankfurt. Wie weitere 500 Unternehmen, Stiftungen und Verbände unterstützen die Frankfurter die Kampagne #Zusammenland – Vielfalt macht uns stark, setzen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und bekennen sich zu Freiheit, Vielfalt und einer Willkommenskultur.
Die Leipziger Messe gibt es schon seit 850 Jahren. Dort in Leipzig gehen die Geschäftsführung und die Geschäftsleitung gemeinsam zur Demonstration „Gemeinsam gegen rechts“. Sie wollen ein Zeichen gegen jede Form von Rassismus und Hetze setzen, gegen die Ausgrenzung von Minderheiten, gegen Gewalt und informieren darüber in einer Pressemitteilung. Die Leipziger bekennen sich zu einem humanistischen Weltbild und zu Weltoffenheit, zu Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und zu einer starken, lebendigen Demokratie – und das nicht nur aktuell: Weltoffenheit ist als Unternehmenswert im Leitbild der Leipziger Messe verankert: „Wir bekennen uns zu einem humanistischen Weltbild und lehnen jede Form von Rassismus, der Ausgrenzung von Minderheiten und von Gewalt ab.“
Die Welle an Demonstrationen und die deutlichen Worte sind ein Zeichen an das Ausland, wo auf das geschaut wird, was in Deutschland geschieht. „Why Germany’s far right AfD is thriving despite scandal“, titelt The Guardian im Monday Briefing am 22. Januar 2024. Dort schreibt Archie Bland: „Die rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) liegt in Deutschland mittlerweile bei über 20 Prozent der Stimmen – und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie verschwinden wird. Anfang dieses Monats tauchte eine Geschichte auf, von der man erwarten konnte, dass sie ihrer Popularität einen schweren Schlag versetzen würde: AfD-Politiker trafen sich mit Rechtsextremisten und Neonazi-Aktivisten, um einen 'Masterplan' für Massenabschiebungen zu besprechen." Eine Kombination aus der Unsicherheit, die durch Russlands Einmarsch in der Ukraine entstanden ist, und der Behauptung der AfD, die einfachen Menschen während einer Krise der Lebenshaltungskosten zu verteidigen, habe der Partei neues Leben eingehaucht.
Fachkräfte aus dem Ausland
Auf die Proteste der Menschen hin positionieren sich immer mehr Unternehmen und Verbände – meist in den sozialen Medien und vorzugsweise auf LinkedIn. Doch es gibt auch Organisationen, die auf ihren Websites Position beziehen und nicht selten auf den Produktionsfaktor Mensch hinweisen. Da ist der Bundesvorstand des Bundesverbandes Pflegemanagement, der sich klar gegen rechts positioniert. Schließlich wäre ohne Pflege(fach)kräfte aus dem Ausland die Pflege in Deutschland nicht mehr zu leisten. Da ist der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband), der Gewalt, Hass, Hetze und Diskriminierung in jeglicher Form verurteilt und auf seinen höchsten Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit ausländischer Staatsangehörigkeit verweist.
Da ist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie, die sich zu den Grundwerten der Demokratie, zu einer weltoffenen Gesellschaft bekennt und sich gegen jede Form von Extremismus wendet und deutlich macht: „Neurologie lebt in Klinik, Wissenschaft und Forschung durch den kontinuierlichen Austausch über Landesgrenzen und Nationalitäten hinweg.“
Unter der Überschrift „Tourismuswirtschaft mit klarem Bekenntnis für Weltoffenheit und Vielfalt“ zeigen 36 Partner Flagge wie die Deutsche Messe und die ITB Berlin, die Lufthansa Group und die Deutsche Hospitality.
Von diesem internationalen Austausch lebt die Veranstaltungswirtschaft. Ohne diesen verlieren der Kongressstandort Deutschland und die Kongressdestination Europa an Bedeutung. Vereinzelt äußern sich Fachverbände wie der EVVC – Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren und die fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Anders als der Veranstaltungswirtschaft gelingt es der deutschen Tourismuswirtschaft, sich in Teilen unter dem Dach des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) mit einer Stimme zu Wort zu melden. Unter der Überschrift „Tourismuswirtschaft mit klarem Bekenntnis für Weltoffenheit und Vielfalt“ sagen 36 Partner wie die Deutsche Messe, ITB Berlin, die Lufthansa Group, die Deutsche Hospitality, DEHOGA Bundesverband und VDR – Verband Deutsches Reisemanagement: „Als deutsche Tourismuswirtschaft stehen wir für eine weltoffene und vielfältige Gesellschaft! Wir sind die Branche des friedlichen Miteinanders. Über alle Grenzen hinweg. Von jeher sorgt Tourismus für die Verbindung von Menschen, Ländern und Kulturen.“
Kreativ gegen rechts
„Offenheit, Toleranz, Vielfalt, künstlerische Freiheit und Meinungsfreiheit sind auch Voraussetzung für Kreativität”, macht Larissa Pohl deutlich. Ihr Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) vertritt die Interessen der führenden deutschen Kommunikationsagenturen. Gemeinsam mit Medienhäusern, Verlagen, Verbänden und Außenwerbern hat der GWA die Kampagne gestartet: #Miteinander für Demokratie, die sich gegen Hass, Hetze, Diskriminierung und Demokratiefeindlichkeit wendet und für Demokratie, Zusammenhalt und Toleranz wirbt. „Wir wollen mit dieser Kampagne ein gesellschaftliches Zeichen setzen und Menschen ermutigen, sich ebenfalls für unsere demokratischen Werte einzusetzen, die letztlich auch die Grundlage unserer Wirtschaft und unseres Wohlstandes sind“, so GWA-Präsidentin Pohl. Interessant ist, dass 13 Agenturen wie Mutabor demokratiefördernde Projekte und Kampagnen pro bono unterstützen.
„Live gegen rechts“ positionieren sich Teammitglieder der Agenturgruppe Vok Dams auf LinkedIn. Colja Dams (zweite Reihe, Mitte) macht das Thema zur Chefsache. #LiveGegenRechts Bild: Vok Dams
Die Event-Agenturen sind nicht organisiert und melden sich hier und da in den sozialen Medien zu Wort. Auf LinkedIn kreiert die Agenturgruppe Vok Dams den Hashtag #LiveGegenRechts“. Colja Dams macht das zur Chefsache. Der CEO hält ein Blatt mit der Aufschrift „Live Gegen Rechts“ in die Kamera. Viele seiner Mitarbeiter tun es ihm gleich. Ihnen ist wichtig, gemeinsam mit der Branche ein starkes Zeichen zu setzen und aktiv gegen jede Form von Diskriminierung vorzugehen. Der Agenturchef lässt keinen Zweifel: „Als Event-Agentur stehen wir bei Vok Dams fest gegen Rechtsextremismus. Unsere Veranstaltungen leben durch Vielfalt, und wir bekennen uns klar zu einer inklusiven Gesellschaft.“ Schließlich beschäftigt er 300 Mitarbeiter an 19 Standorten; Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Stuttgart und Wuppertal, Beijing, Shanghai, Hongkong, Bordeaux, London, Madrid, Tallinn, Wien, Prag, New York, Philadelphia, São Paulo und Dubai.
Colja Dams und sein Team sind überzeugt, dass Events nicht nur gute Unterhaltung bieten sollten, sondern eine Plattform für positive Veränderungen. Dafür gestalte man Veranstaltungen so, dass sie Raum für Respekt, Toleranz und Gleichheit schafften. Colja Dams: „Lasst uns zusammen für eine Welt einstehen, in der Vielfalt geschätzt wird.“