Das Messejahr 2024
Messen leben Veränderung
Wenn es komplex und erklärungsbedürftig wird, sind Messen besonders gefragt. Foto: Deutsche Messe
Wenn es komplex und erklärungsbedürftig wird, sind Messen besonders gefragt. Foto: Deutsche Messe
Im B2B-Bereich zählt der direkte Kontakt – abzulesen an dem fulminanten Comeback der Messen. Auch deshalb wird 2024 ein hervorragendes Jahr für die Messewirtschaft. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die Branche weltweit. Sie erwartet ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 15 Prozent im Vergleich zu 2023.
Eisregen? Wintereinbruch? Bahnstreik? Fachbesucher, die sich auf Messen informieren wollen, lassen sich davon eher nicht aufhalten: So kamen trotz bundesweiter Bahnstreiks rund 36.000 Interessierte in die Messe Essen zur IPM, um sich bei 1.403 ausstellenden Unternehmen aus 43 Ländern über Neuheiten in den Ausstellungsbereichen Pflanzen, Technik, Floristik und Ausstattung zu informieren und zu ordern. Die 40. Auflage der Weltleitmesse des Gartenbaus legte im Vergleich zum Vorjahr bei der Internationalität ihres Publikums gar zu.
Die Messe Frankfurt nahm zwei Bahnstreiks im Januar mit. Und dennoch: Die Heimtextil konnte ihre Anziehungskraft weiter verstärken und rund 46.000 Gäste aus rund 130 Nationen sowie 2.838 Aussteller aus 60 Nationen begrüßen. Ausstellerseitig bedeutet das einen 25-prozentigen Zuwachs, die erschwerten Reisebedingungen aufgrund bundesweiter Bahnstreiks und regionaler Demonstrationen überwand die Leitmesse für Wohn- und Objekttextilien mit einem Besucherplus. Ein Fest der Rekorde wurde gar die diesjährige Konsumgütermesse-Kombi bestehend aus Ambiente, Christmasworld und Creativeworld: Mit einem Plus von zehn Prozent stellten 4.928 Aussteller ihre Neuheiten vor. Trotz mehrtägigem Streik bei der Deutschen Bahn ließen sich rund 140.000 Facheinkaufende aller Handelszweige und Vertriebswege das Inspizieren der Neuheiten in den vielen Hallen nicht nehmen.
Drei Beispiele, die zeigen, dass Messen verlässliche Trendbörsen sind – und als solche stark nachgefragt werden. Über elf Millionen Besucherinnen und Besucher waren 2023 auf deutschen Messen zu Gast – und in diesem Jahr sollen es deutlich mehr werden. Turnusbedingt sind gerade Jahre in Deutschland starke Messejahre, Leitmessen finden in dichter Folge statt.
UFI Global Barometer
2024 wird ein hervorragendes Jahr für die Messewirtschaft in aller Welt werden. Weltweit erwarten die Messegesellschaften für 2024 ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 15 Prozent im Vergleich zu 2023. Dies ist eine der wichtigsten Zahlen des UFI Global Barometer, mit dem der Weltmesseverband alle sechs Monate der globalen Messeindustrie den Puls fühlt. Indien wird 2024 der globale Wachstumschampion sein, aufbauend auf dem starken Wachstum von 2023. Es wird prognostiziert, dass es 154 Prozent des Umsatzniveaus von 2019 erreichen wird (das Barometer verwendet 2019 als Referenzjahr). Dicht gefolgt von Griechenland, was das Potenzial kleinerer Messemärkte zeigt, sich zu vergrößern. Die drei größten Märkte weltweit werden von den USA (110 Prozent) angeführt, wobei Deutschland (100 Prozent) und China (99 Prozent) ihre Höchstwerte für 2019 voraussichtlich wieder erreichen werden. Sowohl Deutschland als auch vor allem China haben sich nach der Pandemie entweder vorsichtig wieder geöffnet (Deutschland) oder die letzte Pandemiewelle zu spät erkannt (China).
Hunger nach Messen
Kein Wunder, sind Messen nicht nur Trendbörsen. Sie sind Innovationsschauen, Know-how-Transfer-Börsen, Recruiting-Hotspots, Stimmungsbarometer, Stammestreffen, Wirtschaftsmotoren, um nur einige ihre Aufgaben zu nennen. Eine entscheidende ist: Messen leben Veränderungen. Und sie leben von Veränderungen. Sie sind auf stete Weiterentwicklung angewiesen. Ohne sinnvolle Ergänzungen, wertvolle Upgrades, erweiternde Sonderschauen und neue Formate können sich verändernde Märkte nicht sinnvoll abgebildet werden. Zum „Business as usual“ gehört mehr als nur das Entwickeln digitaler Angebote rund um Präsenzveranstaltungen. Ohne permanente Anpassungen sind konsequente Zielgruppenansprachen kaum möglich. Messe ist auch deshalb immer im Wandel, weil sie immer auch ein Spiegel der Wirtschaftszweige ist. Messen sind attraktive und inspirierende Orte, bieten Erlebnisse und Zukunft, vor allem aber sind sie Netzwerk und internationales Geschäft.
Das Virus, das mit Social Distancing den USP der Messewirtschaft über eine lange Zeit außer Kraft gesetzt hat – den persönlichen Kontakt, die Begegnung mit Kunden, Partnern und Kollegen, den Austausch mit ihnen von Angesicht zu Angesicht –, erweist sich jetzt als dessen Booster. Kölns Messechef Gerald Böse weiß: „Messe wirkt, Messe funktioniert, treibt Innovationen und Geschäfte an, ist länderübergreifend Brückenbauer zwischen Unternehmen, Branchen und Kulturen. Das schätzen vor allem kleine und mittelständische Betriebe.“ Auch deshalb hat am Rhein in dem bei der Koelnmesse turnusmäßig ohnehin stärkeren ungeraden Jahr 2023 der Restart sehr gut funktioniert.“
„Messe wirkt, Messe funktioniert, treibt Innovationen und Geschäfte an, ist länderübergreifend Brückenbauer zwischen Unternehmen, Branchen und Kulturen.“
Gerald Böse, Geschäftsführer Koelnmesse
Das ist auch aus Hannover so zu hören: „2023 ist ein absolutes Erfolgsjahr und ein Beleg dafür, dass unsere Kunden nach wie vor großen Wert auf persönliche Treffen und den Austausch auf Messen legen“, sagt Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Messe. „Unsere Messen sind und bleiben die zentralen Geschäfts-, Inspirations- und Wissensplattformen ihrer jeweiligen Branche.“ Reinhard Pfeiffer und Stefan Rummel, das Führungsduo der Messe München, konstatiert einen „Hunger der Menschen nach Messen“ und ebenso „die Lust, sich auf Plattformen wie Messen zu präsentieren und zu besuchen.“ Sie sind überzeugt: „Messen haben eine Kernkompetenz. Wenn es komplex und erklärungsbedürftig wird, sind sie gefragt. Da sind die physische Messe und das Gespräch von Angesicht zu Angesicht unschlagbar.“ Diese Aussage unterschreiben viele ausstellende Unternehmen sofort, vornehmlich die aus dem Investitionsgüterbereich: Sie wenden durchschnittlich mehr als die Hälfte ihrer jährlichen Marketingbudgets für Messebeteiligungen auf. Das war vor Corona so – und es setzt sich nach der Pandemie ebenso fort: Messe bleibt größte Budgetposition. „Messen und Veranstaltungen sehen wir primär als Kommunikations- und Begegnungsplattform. In kurzer Zeit können Vertriebs-Mitarbeitende ohne Zusatzreiseaufwand viele Gespräche führen. Für uns gilt: Der persönliche Kontakt mit Kunden und Interessenten ist das Vertriebs- und Marketing-Instrument Nummer eins“, so Rainer Schopp, Director Marketing, Harro Höfliger Verpackungsmaschinen. „Das Bedürfnis der Menschen nach persönlichem Kontakt und Austausch ist ungebrochen, vielleicht sogar nach der Pandemie noch stärker als zuvor“, sagt Silke Lang, Leitung Marketing Mobile Hydraulics Bosch Rexroth und engagiertes Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Industriekommunikation (BVIK).
Das Bedürfnis der Menschen nach persönlichem Kontakt und Austausch ist ungebrochen. Foto: Messe Düsseldorf, C. Tillmann
Aussteller-Ausblick 2024/2025
Der Verband der deutschen Messewirtschaft Auma kann das bestätigen. Im Oktober und November vergangenen Jahres ließ die Berliner Organisation 400 ausstellende Unternehmen befragen. Laut Studie will die Mehrheit von ihnen (rund 82 Prozent) die Messebudgets steigern oder stabil halten. Steigerungen planen größere Unternehmen mit über 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Der Anteil der Messebudgets am Marketingetat bleibt bei knapp drei Viertel der Unternehmen (70 Prozent) stabil. Messen sind unverzichtbar, sagen sie. Die Mehrheit der vom Verband befragten Unternehmen zu künftigen Messebeteiligungen (rund 64 Prozent) geht davon aus, dass Messen auch in den nächsten fünf Jahren die gleiche (fast 60 Prozent) oder gar eine steigende Bedeutung (knapp fünf Prozent) haben werden.
Außerdem hält der überwiegende Teil der Befragten (71 Prozent) an der Zahl der Messeauftritte fest. Das ist über alle Umsatzklassen hinweg konstant, mit Tendenz zu höherer Stabilität bei Unternehmen mit einem Umsatz von über 125 Millionen Euro, so weitere Ergebnisse, die der Auma im „Aussteller-Ausblick 2024/2025“ zusammengefasst hat. Die Schlussfolgerung für Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des Verbandes: „Der Wert der echten Messebeteiligung wird von vielen ausstellenden Unternehmen nach dem Ende der Pandemie neu verstanden, geradezu wiederentdeckt.“ Er weiß: „Wenn Unternehmen heute auf Messen ausstellen, Zeit, Geld und Energie investieren, tun sie das, weil sie in den Jahren des Messestopps sehr genau durchgerechnet haben, was ohne Messe gefehlt hat.“ Messen werden zum größten Teil von Anbietern mit einem stark erklärungsbedürftigen und meist hoch qualifizierten Produktprogramm als Medium eingesetzt. Die Besucher dieser Fachveranstaltungen erwarten ihrerseits qualifizierte Beratung als einen Baustein auf dem Weg zur Kaufentscheidung. Der Kaufabschluss erfolgt in den seltensten Fällen auf der Messe. Zweck eines Messebesuchs sind die Kommunikation mit den verschiedenen Anbietern, der Vergleich von unterschiedlichen Angeboten, das Erkennen von Markttrends und die Vorbereitung von späteren Entscheidungen. Und die haben gerade in einer Zeit, in der nach einer intensiveren und individuellen Kommunikation verlangt wird, ihre große Chance.
Die Weltleitmesse des Gartenbaus, die IPM in Essen, lässt auch Blumen sprechen. Foto: Messe Essen
Gemeinsame Wirklichkeit
See me, feel me, touch me – das gilt für viele Produkte auf Messen. Für Thomas Fuchs ist das logisch. Der Professor an der Klinik für Allgemeine Psychiatrie an der Universität Heidelberg weiß: „Der Tastsinn vermittelt die Grunderfahrung von Wirklichkeit überhaupt. Erst Druck- und Widerstandserfahrungen erlauben uns, die Dinge in ihrer konkreten Materialität zu spüren, ihre Widerständigkeit und Undurchdringlichkeit buchstäblich zu be-greifen. Der Sehsinn und die Bilder sind notorisch unzuverlässig. Wenn wir sichergehen wollen, dass wir es mit der Realität zu tun haben, brauchen wir dazu unseren Körper und all unsere Sinne. Wir müssen in den Raum hineingehen, die Dinge anfassen, tasten, riechen, handhaben und mit ihnen umgehen.“
Er sagt im Gespräch mit dem m+a report auch: „Gemeinsame Wirklichkeit und Verständigung sind letztlich immer gebunden an die leibliche Präsenz, sodass wir uns gegenseitig etwas zeigen und darüber sprechen.“ Das erklärt, weshalb virtuelle Messeformate sich (bislang) nicht weiter durchsetzen konnten. Gab es 2020 50 virtuelle Angebote, im Jahr darauf gar 66, fand im Jahr 2022 nur noch eine Messe rein digital statt, 2023 keine einzige mehr, ergaben Erhebungen des Auma.
„Gemeinsame Wirklichkeit und Verständigung sind letztlich immer gebunden an die leibliche Präsenz, sodass wir uns gegenseitig etwas zeigen und darüber sprechen.“
Thomas Fuchs, Professor an der Klinik für Allgemeine Psychiatrie an der Universität Heidelberg
Mag auch das physische Messegeschäft jetzt wieder seine Trümpfe ausspielen, digitale Medien und Plattformen haben damit ganz und gar nicht ausgedient. Viele Veranstalter verstehen Digitalisierung als Ergänzung vor, während und nach Messen und sind überzeugt, dass „in der Digitalisierung unsere Chance steckt, die Customer Experience weiter zu verbessern und zu individualisieren“, sagt etwa Messe-München-CEO Stefan Rummel. Damit die richtigen Menschen von Besucher- und Ausstellerseite sich besser finden, wird das gezielte Netzwerken auch mithilfe digitaler Tools immer einfacher. Intelligente Algorithmen unterbreiten Kontaktvorschläge auf Basis der Interessen und Produktschwerpunkten derer, die die Tools nutzen. Matchmaking unterstützt auch den persönlichen Austausch in Chats oder virtuellen Meetingräumen. Physische Messeteilnahmen durch Terminplanung bereits vor der Messe werden effizienter. KI hilft, passende Kontakte aufgrund der hinterlegten Profile und Interessen vorzuschlagen.
Messen als Community-Events
Immer stärker geht es darum, Messen noch mehr zu Community-Events zu entwickeln. Ob Tiny Houses, Wasserstoff- und Brennzellen oder Sport: Communities brauchen Plattformen, um sich zu physisch treffen. Sahen Messemacher bis dato ihre Veranstaltungen als Dreh- und Angelpunkt ihres Tuns, so lernen sie immer weiter hinzu. Nur den analogen Teil einer Messe zu bedienen, reicht nicht mehr. Die digitale Erweiterung muss es schaffen, die Teilnehmenden über den Zeitraum der Messe hinaus bestmöglich zu vernetzen. Welche Inhalte besser live gespielt und welche besser digital verbreitet werden, wird sich in den nächsten Jahren ausdifferenzieren. Beide haben ihre Stärken (und Schwächen): Das eine kann das etwas besser, ist vielleicht auch kompetenter und glaubwürdiger, das andere kann dem Medium andere Formen geben. Um das physische Geschäft digital zu erweitern, probieren Veranstalter viele Wege aus. Dabei ist auch einer, der vielversprechend ist: Content als Mehrwert. Bei der digitalen Erweiterung der Iba, Weltmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks, etwa hat die veranstaltende Gesellschaft für Handwerksmessen (GHM) dafür gesorgt, dass Ausstellende innerhalb des Fokus-Themas „Handwerk“ ihren Content präsentieren und Besuchende relevante Informationen durch dieses Schlagwort finden können. Sie können auch Themen und Ausstellenden folgen, um maßgeschneiderte Neuigkeiten per E-Mail zu erhalten. Ausstellende wiederum sehen, wer mit ihren Beiträgen interagiert, und erkennen so Potenziale. Ein weiterer Vorteil: Beide Fraktionen können innerhalb der Plattform ganzjährig miteinander interagieren und sind so bestens vernetzt. GHM-Geschäftsführer Klaus Plaschka ist überzeugt: „Unsere digitalen Kennzahlen der Zukunft sind Interaktionen. Je mehr und je wertvollere wir davon liefern können, desto höher ist der Marketing Value für Ausstellende.“
Wie das gehen kann, hat die Messe München mit ihrer Ispo schon sehr früh verstanden und vorgemacht: Die weltgrößte jährlichen Messe für Sportartikel und Sportmode wurde zu einem unterjährigen Dienstleistungsangebot für die Sportindustrie weiterentwickelt. Ispo.com ist der mediale Anziehungspunkt des Ispo-Netzwerks und steht schon lange für mehr als die Veranstaltungen Ispo Munich und Outdoor by Ispo. Ziel der Business-Strategie ist es, die Glaubwürdigkeit der Marke mit neuen Services auf neue Zielgruppen und neue Märkte zu erweitern. Das macht die Messe nicht in Eigenregie. Sie arbeitet mit der Content-Marketing-Agentur Sayang zusammen, die die Redaktion stellt. Sie hat jüngst den Best-of-Content-Marketing-Award für sich entschieden.
Die Jury urteilte: „Eine sehr schlüssig und professionell aufgesetzte Strategie mit spannendem Prozess und beeindruckenden KPIs! Für die Herausforderung B2B-Messe eine zielführende Kommunikationslösung zu schaffen, ist nicht einfach. Hier wurde gleich ein ganzes Publishing House plus Award und Club geschaffen, das sich sogar ohne das eigentliche ‚Produkt‘ Messe als selbstständiges Geschäftsmodell behaupten könnte.“ Bei Messemachern, die neu ins Geschäft einsteigen, wird erst die Community geschaffen, um Nachfrage und Interesse zu erzeugen, danach folgt die Einladung zum physischen Netzwerken: Die OMR in Hamburg sind dafür bestes Beispiel. Das bedeutet auch, dass Messeveranstalter sehr bald mehr Menschen beschäftigen werden, die mit Inhalten umgehen können.
Millionen Menschen verfolgten das Showprogramm der Gamescom. Foto: Koelnmesse
Und dann ist da noch das Thema Reichweite. Kaum ein ausstellendes Unternehmen leistet sich einen Messeauftritt, ohne die Präsenz für das Gewinnen von Content zu nutzen. Video ist überall, Streaming in der Live-Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Ereignisse und Inhalte sollen sich auch außerhalb der Messehallen verbreiten und einem breiten (Fach-)Publikum zugänglich werden. Über Streaming auf den Social-Media-Plattformen lässt sich die Reichweite von Erlebnissen deutlich steigern. Das gilt nicht nur für Sport oder Public Events, sondern immer mehr auch für Corporate-Veranstaltungen und Messen, können doch Mitarbeitende, Kunden oder das Publikum ortsunabhängig erreicht, informiert und einbezogen werden. Die Koelnmesse kann das für ihre Spielemesse Gamescom 2023 mit eindrucksvollen Zahlen unterstreichen: 320.000 Besuchende aus über 100 Ländern strömten von Mittwoch bis Sonntag in die Gamescom-Hallen, hinzu kamen Millionen von Menschen weltweit, die das Showprogramm der Messe verfolgten: Gezählt wurden über 180 Millionen Views, über 20 Millionen davon entfielen auf die große Eröffnungsshow Gamescom: Opening Night Live. Das Community-Abenteuer Gamescom EPIX begeisterte mehr Menschen als jemals zuvor: Fast zwei Millionen Views konnten verzeichnet werden.
Unter Kostendruck
Ausstellende Unternehmen lassen es sich einiges kosten, den Kommunikationsprozess zu potenziellen Neukunden in Gang zu bringen respektive die Kundenbindung zu festigen. Wenn viele ausstellende Unternehmen im B2B-Bereich den größten Teil ihrer Marketingbudgets in Messen investieren, bedeutet das nicht, dass die Gelder steigen. Das tun sie eher nicht, die Kosten indes schon – und zwar rasant. Das alles sorgt für Veränderungen. Die Industrie sieht sich die Messen und die Veranstaltungslandschaft genau an – mit neuem Fokus ob anderweitiger Erwartungshaltung und unter Kostendruck. Gesetzliche Regularien, beispielsweise zur Nachhaltigkeit, werden die Umsetzung um ein Vielfaches kostenintensiver machen. Dazu machen den ausstellenden Unternehmen Teuerungen durch höhere Energiekosten, generelle Preissteigerungen und Personalknappheit aufseiten der Dienstleister zu schaffen.
Das spiegelt die Auma-Umfrage, die das Institut Bonsai Research im Auftrag des Verbandes durchführte. Die stark gestiegenen Kosten zählen zu den größten Herausforderungen (etwa 68 Prozent). Die anderen meistgenannten sind der gezielte Einsatz von Budgets aufgrund der wirtschaftlichen Lage (rund 57 Prozent), die Besuchergewinnung (mehr als 44 Prozent) und die geopolitischen Krisen (über 38 Prozent). Der Spagat zwischen Investition und Budgetzwängen beeinflusst auch die Kapazitäten, mit denen sich Unternehmen mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen können, welche als fünfte Herausforderung (22 Prozent) genannt wurde. Der Mehrwert der Messe an sich steht nicht zur Diskussion. Das Persönliche ist von hohem Wert – und es hat einen hohen Wert.
Genaue Betrachtung macht das Entscheiden leichter Foto: Nürnbergmesse, Frank Boxler
Für Philip Harting macht „Messe Wirtschaft lebendig“. Er kennt nicht nur die Seite der ausstellenden Unternehmen, als Vorsitzender des Verbandes der deutschen Messewirtschaft Auma setzt er sich mit der der Veranstalter auseinander und stellt fest: „Flexibilität, Agilität, Mut sind in dem Geschäft deutlich entscheidender geworden.“ Das Innehalten in der Corona-Zwangspause habe für Reflexion gesorgt. „Hier passiert viel, wir denken nach vorne, entwickeln uns weiter“, sagt er für die deutsche Messewirtschaft. Viele Prozesse kamen auf den Prüfstand. Eingefahrene Partnerschaften wurden beleuchtet. Harting: „Die Energiegeladenen haben die Chance genutzt, Gelände zu modernisieren, Abläufe zu optimieren, Neues endlich auszuprobieren.“ Über Erfolg und Qualität einer Veranstaltung entscheiden die Bedürfnisse der Besucher. Viele kommen, um ihr Informations- und Orientierungsbedürfnis zu stillen. Vorträge, Panels, Workshops, Deep Dives und hochkarätig besetzte Diskussionsforen unterstreichen die Bedeutung des persönlichen Austauschs. Wie eine Branche motivieren und auffordern kann, sich umfassend auf Diskussionen einzulassen und gleichzeitig nachhaltige und digitale Lösungen für die Mobilität der Zukunft näherzubringen, hat der VDA mit der IAA Mobility im September eindrucksvoll vorgemacht. Aus der Messe wurde ein Festival in der Münchner Innenstadt, das mehr als eine halbe Million Menschen in seinen Bann zog und faszinierte. Zwei Drittel der Besucherinnen und Besucher der City waren unter 40 Jahre alt und ließen sich von den vielen und oft überraschenden Markentempeln beeindrucken: Live-Marketing at it’s best. Dialog und Debatten mit verschiedenen Stakeholdern aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft auf dem Open Space und dem IAA Summit stellten sich als entscheidende Elemente heraus, klimaneutrale Mobilität zu realisieren. Dialog und Austausch mit der Öffentlichkeit zeigten Wirkung. Das Citizens Lab auf dem Münchner Marienplatz lud zu 65 Panels und Workshops zur Zukunft der Mobilität und Städteentwicklung ein: das Auto als Zugpferd für nachhaltige Mobilitätslösungen. „Eine Messe ist mehr als ein fünftägiges Ereignis“, sagt Hubertus von Monschaw. Der Abteilungsleiter der Hannover Messe weiß: „Unsere Zielgruppen suchen täglich Orientierung in den Themen, die sie bewegen. Wir reagieren darauf, indem wir das ganze Jahr über Angebote schaffen, die den Informationsbedarf decken und echten Mehrwert für die jeweilige Community bieten.“ Christiane Appel