„PflegerIn des Jahres 2022“
Das Narrativ ändern
Zwei Tage nach dem Internationalen Tag der Pflege werden vier Pflegefachkräfte als „PflegerIn des Jahres 2022“ geehrt. Ihre Geschichten machen Mut und Lust auf diesen wichtigen Beruf. Foto: Herz und Mut
Zwei Tage nach dem Internationalen Tag der Pflege werden vier Pflegefachkräfte als „PflegerIn des Jahres 2022“ geehrt. Ihre Geschichten machen Lust auf diesen wichtigen Beruf und Mut. Foto: Herz und Mut
Die Erzählung zur Pflege ist negativ. Das will die Award-Verleihung „PflegerIn des Jahres“ ändern. Denn wer schlecht über den Pflegeberuf redet, muss sich nicht wundern, wenn diesen niemand ergreifen will. Zwei Tage nach dem Internationalen Tag der Pflege sind am 14. Mai 2022 vier Pflegekräfte mit dem Preis „PflegerIn des Jahres“ ausgezeichnet worden und mit ihnen ihre positiven Geschichten.
Es gibt Award-Verleihungen, bei denen die Gäste zwar in Abendgarderobe erscheinen, sich aber keine feierliche Stimmung einstellt. Sie gehen halt hin. Anders die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Preisverleihung „PflegerIn des Jahres 2022“. Es sind Pflegekräfte, die ihre Berufskleidung abgelegt und sich herausgeputzt haben. Sie erfreuen sich aneinander und daran, dass die historische Schwimmhalle im denkmalgeschützten Hotel Oderberger Berlin heute nur für sie geöffnet und feierlich geschmückt ist. Das Schwimmbecken ist abgedeckt, und da, wo tagsüber die Berliner ihre Bahnen ziehen, stehen lange Tafeln, an denen 120 Personen Platz genommen haben. In gespannter Vorfreude führen sie Tischgespräche und halten dabei in gewohnter Wachsamkeit die Bühne im Blick.
Tagen und feiern in der Schwimmhalle
Das Stadtbad Oderberger wurde 1898 vom Architekten Ludwig Hoffmann konzipiert. 1986 musste das Bad schließen, 2012 begann die Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes, das 2016 als Hotel Oderberger Berlin wiedereröffnete. Die Schwimmhalle kann zum Schwimmen genutzt werden oder für Events.
Dort ergreift Mirjam Rienth das Wort. „Bevor die Pflege baden geht, laufen wir alle noch einmal übers Wasser“, spricht die Gastgeberin gelassen aus, worum es am 14. Mai 2022 geht: den Pflegenotstand. Doch anders als sonst in der breiten Öffentlichkeit und Berichterstattung wird zur Award-Verleihung über jene Menschen gesprochen, die in der Pflege mit Freude tätig sind und nicht über jene, die in der Pflege fehlen. Es ist die sechste Preisverleihung, veranstaltet von der Initiative „Herz und Mut“, die Rienth vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. „Wir haben auch schwere Zeiten, wir brauchten Herz und viel Mut, und so kam der Name“, erklärt sie zum Namen. Als Inhaberin und Geschäftsführerin des Personaldienstleisters Jobtour medical ist Rienth vom Fach.
Foto: Herz und Mut
„Pflege hat ungemein viel Herz und Mut“
Weil sich Mirjam Rienth ärgert, dass es meist um die negativen Aspekte der Pflege geht und nicht die positiven, ruft die Inhaberin und Geschäftsführerin von Jobtour medical die Initiative „Herz und Mut“ ins Leben und den Preis „PflegerIn des Jahres“. Im Interview spricht sie über hoch motivierte Pflegekräfte, einen Kontrapunkt zum Fachkräftemangel, Emotionen in Präsenz und ihr Gang übers Wasser.
„Die Medien berichten viel zu wenig über die positiven Dinge in der Pflege. Das können Sie, das können wir!“, appelliert Mirjam Rienth an ihr Publikum im Saal. Für den Preis „PflegerIn des Jahres“ werden positive Geschichten aus der Pflege gesammelt sowie Mut machende Worte von Pflegekräften. Beides findet zunehmend Gehör. „Das Medienecho auf den Preis ist so groß wie nie“, berichtet Rienth. Als am 12. Mai 2022, dem Internationalen Tag der Pflege, die Gewinnerinnen und Gewinner verkündet werden, erscheinen diese in 150 Presseartikeln und Fernsehbeiträgen. Über die Pflegerin des Jahres 2022, OP-Schwester Bozidarka Zimmermann am Universitätsklinikum Freiburg, berichten beispielsweise der SWR und der Stern.
SWR Aktuell: Freiburgerin wird als Deutschlands Pflegerin des Jahres ausgezeichnet
Pflegenotstand in Deutschland
Das große Medienecho begründet Rienth damit, dass die Preisverleihung nach zwei Pandemie-bedingten Online-Ausgaben wieder in Präsenz stattfindet, und damit, dass die Pandemie den Pflegenotstand auf die Titelseiten gebracht hat. Schließlich fehlen in Deutschland laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln allein in der stationären Versorgung bis 2035 rund 307.000 Pflegekräfte. Diese Versorgungslücke könnte sich bis zu diesem Jahr auf insgesamt knapp 500.000 Fachkräfte vergrößern. Der demografische Wandel verschärft diese Entwicklung: Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 Jahre alt, jede fünfte Person älter als 66 Jahre.
„Zu spüren, dass man mit einer kleinen Idee etwas Großes anstoßen, dass man einer ganzen Branche etwas Selbstvertrauen geben und Freude machen kann, ist unbezahlbar.“
Mirjam Rienth, Inhaberin und Geschäftsführerin von Jobtour medical und Initiatorin des Preises „PflegerIn des Jahres“
Rienth kennt die Zahlen und sieht den Umgang mit dem Thema als Teil Problems: „In der Pflege gibt es ungemein viele großartige, qualifizierte, hoch motivierte und empathische Pflegekräfte, die tagtäglich einen gesellschaftlich unverzichtbaren Beitrag leisten. Doch darüber ist meist nur sehr wenig zu hören – vielmehr geht es in der breiten Öffentlichkeit fast nur um negative Aspekte im Umfeld der Pflege.“ Das will die Unternehmerin ändern und für mehr Wertschätzung für die Pflege werben und einen Beitrag dazu leisten, „dass Politik und Gesellschaft gleichermaßen verinnerlichen, wie existenziell wichtig die Arbeit der Pflege ist“. Weil Rienth nicht warten und etwas bewegen will, finanziert sie den Preis und die Verleihung selbst. Ihr medizinischer Personaldienstleister Jobtour medical vermittelt 180 fachlich versierte und flexible Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Kliniken und Pflegeeinrichtungen zur kurz- oder langfristigen Unterstützung. Finanziell rechnet sich das für die Geschäftsfrau nicht, ideell schon. „Es gibt ungemein viele positive Rückmeldungen. Zu spüren, dass man mit einer kleinen Idee etwas Großes anstoßen, dass man einer ganzen Branche etwas Selbstvertrauen geben und Freude machen kann, ist unbezahlbar“, meint Rienth.
120 geladene Gäste feiern die Gewinnerinnen und Gewinner und sich selbst, denn zur Preisverleihung „PflegerIn des Jahres 2022“ sind überwiegend Pflegefachkräfte eingeladen. Foto: Herz und Mut
PflegerInnen des Jahres 2022
Wichtig ist ihr als Veranstalterin, dass sich der Preis „PflegerIn des Jahres“ verstetigt und die Nominierungen für Menschen, die in ihrem Beruf täglich Herz und Mut zeigen, aus den Reihen der Pflegekräfte, ihrer Patienten und Angehörigen kommen. Dieses Jahr sind bundesweit rund 1.000 Pflegerinnen und Pfleger vorgeschlagen, vier Personen ausgezeichnet und 11.500 Euro Preisgeld vergeben worden. „Bozidarka Zimmermann zeigt eindrucksvoll, wie die Kombination von fachlicher Qualifikation, großer Empathie und Liebe zum Pflegeberuf sich auf die Pflegequalität positiv auswirken und auch junge Menschen für den Beruf begeistern kann“, begründet die Jury ihre Entscheidung für Platz 1.
Platz 2 „PflegerIn des Jahres 2022“ geht an die Palliativ-Pflegefachkräfte Sara Loy und Michaela Bayer. Mit ihrem Instagram-Kanal @elsa.palliative.care bringen sie das schwere Thema der medizinischen Behandlung, die nicht auf die Heilung einer Erkrankung abzielt, sondern auf die Linderung der Symptome, der Allgemeinheit nahe und haben über 11.000 Follower aufgebaut.
In der Jury sitzen u.a. Andreas Renner, Politikchef EnBW AG und Kurator der Stiftung Lebenshilfe Singen, Sonja Reiprich, Krankenschwester für Anästhesie- und Intensivpflege, Leitung klinische Organisations- und Personalentwicklung an den BDH Kliniken Elzach und Waldkirch, und Marie Sohn. 2021 wird sie mit ihrem Kollegen Philipp Wiemann PflegerIn des Jahres. Sohn leitet die Station einer geriatrischen Frührehabilitation mit der Spezialisierung Demenz und Patienten im Delir im Alexianer St. Hedwig Krankenhaus Berlin-Mitte. Sie weiß: „Ja, dieser Preis kann etwas bewirken.“ Eine unmittelbare Wirkung zeigt sich in der Gewinnung von Fachpersonal: „Es ist ein Hilfsmittel, die Pressemitteilungen, die Berichte, das sieht jeder, der sich bei uns bewirbt und denkt: Das ist ein gutes Haus!“ Doch der Titel PflegerIn des Jahres wirkt darüber hinaus und stärkt die Titelträgerinnen und -träger. Sohn: „Wir sind durch den Preis zu Experten gewonnen.“ Eine andere Preisträgerin ergänzt: „Wir machen einen guten Job, und der ist wichtig. Wir haben uns nicht als Pflegekräfte des Jahres gesehen, sondern als Sprachrohr für alle Pflegerinnen und Pfleger.“
Marie Sohn, Stationsleiterin einer geriatrischen Frührehabilitation im Alexianer St. Hedwig Krankenhaus Berlin-Mitte: Dieser Preis kann etwas bewirken! Foto: Herz und Mut
Talkrunde zu aktuellen Themen
Als Expertinnen trauen sich die Siegerinnen 2022, 2021 und 2022 auf die Bühne beim ersten Talk zu aktuellen Themen in der Pflege im Rahmen der Preisverleihung. Über die Situation während und nach der Pandemie, den Fachkräftemangel, Nachwuchssorgen und Flüchtlinge aus der Ukraine als mögliche Chance für die Pflege diskutieren Bozidarka Zimmermann, Marie Sohn und Sarah Hupperich auf Augenhöhe mit Dr. Marion Hulverscheidt, Ärztin und Medizinhistorikerin, Mitglied im Klinischen Ethikkomitee am Klinikum Kassel, sowie Jurymitglied Marcus Rasim, Schulleiter, nationaler Experte für Pflegeberufe, Bundestrainer der Nationalmannschaft der Pflegeberufe-EM und -WM. Die Talkrunde wertet die Preisverleihung inhaltlich auf. Das kommt sehr gut an und soll 2023 fortgesetzt werden. Dieser Austausch ist Stationsleiterin Sohn wichtig. In drei Worten bringt sie eine weitere wesentliche Wirkung des Preises auf den Punkt: „Wir kommen zusammen.“
Foto: Silke Freudenberg
Eventmanagement mit positivem Corona-Test
„Die ‚Remote‘-Steuerung hat funktioniert“
Eventmanagerin Silke Freudenberg über die Herausforderungen bei der Preisverleihung „PflegerIn des Jahres 2022“ und ihren positiven Corona-Test am Veranstaltungsmorgen.
tw tagungswirtschaft: Sie haben das Eventmanagement der Preisverleihung „PflegerIn des Jahres 2022“ verantwortet. Welche besonderen Herausforderungen haben Sie dieses Jahr meistern müssen? Silke Freudenberg: Ich war bei der Preisverleihung zum ersten Mal als Eventorganisatorin dabei, die nach zwei Online-Jahren erstmals wieder in Präsenz stattgefunden hat. Dadurch sind für mich verschiedene Herausforderungen entstanden: das Einarbeiten in bisherige Abläufe, das Anpassen an eine neue Location und „Post-Corona“-Gegebenheiten, das Schnittstellenmanagement mit neuen Ansprechpartnern und Dienstleistern. Eine besondere Herausforderung ist mein positiver Corona-Test am Aufbautag der Veranstaltung gewesen …
Ein positiver Corona-Test am Veranstaltungstag? Das ist der Alptraum einer jeden Eventmanagerin. Wie haben Sie (re-)agiert?
Ja, das ist in der Planung nun wirklich nicht vorgesehen gewesen. Doch nach dem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht“ haben sich schnell Lösungen gefunden. Dank professioneller Dienstleister vor Ort und einem guten Kontakt mit dem Organisationsteam hat die „Remote“-Steuerung über Video und Telefon funktioniert. Briefings haben hybrid stattgefunden – mit den Beteiligten vor Ort und mir online. So sind alle Themen im Vorfeld und der Abend der Preisverleihung erfolgreich im Teamwork gemeistert worden.
Welche drei Tipps haben Sie für Veranstaltungsplaner in einer solchen Situation?
- Eine sehr gute Vorbereitung mit detaillierten Ablaufplänen, Schnittstellen und Verantwortlichkeiten. Briefings im Vorfeld mit allen Beteiligten, damit jede:r weiß, was zu tun ist.
- Genügend Helfer vor Ort einplanen – vom Aufbau bis zum Abbau! Darunter sollte idealerweise eine Person als Co-Eventmanager:in sein, die in die Eventplanung eingebunden ist und als Vertretung bzw. „verlängerter Arm“ bei Ausfall vor Ort agieren kann.
- Gute Vernetzung und Erreichbarkeit über Telefon und Video mit allen Verantwortlichen vor Ort.