Interview Andreas Gebhard

„Erleichterung, Dankbarkeit und Demut“

Andreas Gebhard: In der Pandemie haben viele gesagt, dass insbesondere die re:publica doch mit digitalen Formaten klarkommen müsste. Dagegen haben wir uns immer etwas gesträubt, denn: Die re:publica wurde gegründet, um Menschen aus der digitalen Welt physisch an einen Ort zu bringen. Das stimmt weiterhin. Foto: Jan Zappner, re:publica

Andreas Gebhard: In der Pandemie haben viele gesagt, dass insbesondere die re:publica doch mit digitalen Formaten klarkommen müsste. Dagegen haben wir uns immer etwas gesträubt, denn: Die re:publica wurde gegründet, um Menschen aus der digitalen Welt physisch an einen Ort zu bringen. Das stimmt weiterhin. Foto: Jan Zappner, re:publica

Andreas Gebhard, Mitgründer und Geschäftsführer der re:publica, Deutschlands Festival für die digitale Gesellschaft in Berlin. Im Interview spricht er über das Comeback nach drei Jahren, über eine „unsichere Sicherheit“, Nachhaltigkeit, die re:publica als eine Zeitgeistdokumentation und darüber, Zufälliges zuzulassen.

tw tagungswirtschaft: Nach drei Jahren haben du und deine drei Mitgründer:innen die re:publica 2022 (#rp22) am 8. Juni eröffnet. Was ist dir da durch den Kopf gegangen?

Andreas Gebhard: Erleichterung, Dankbarkeit und Demut. Erleichterung darüber, dass wir endlich wieder eine richtige re:publica machen konnten und viele unserer Entscheidungen in der langen Pandemiezeit richtig waren. Dankbarkeit gegenüber Team, Publikum und Partnern, die es uns ermöglicht haben, wieder da zu sein, und Demut über das Privileg, die re:publica 2022 zu eröffnen.

Wir Zuschauer:innen haben euch angesehen, dass ihr bewegt wart und leisere Töne angeschlagen habt … Kannst du beschreiben, was die Pandemie-Erfahrung mit euch als Veranstalter:innen gemacht hat?

Wir waren auf jeden Fall bewegt – aber leiser? Das habe ich nicht so empfunden. Vielleicht weniger Dezibel, aber umso mehr Nachdruck. Die Zeit seit dem Ende der letzten re:publica als Festival 2019 bis ins Jahr 2022 war sehr lang, und wir haben viele Erfahrungen gemacht mit neuen Formaten. Geprägt hat uns in der Zeit aber so was wie eine unsichere Sicherheit: Wir werden eine re:publica auf die „große“ Bühne mit Publikum bringen. Egal, wie lange es dauert.

„'Alle Ziele sind schon erreicht, wenn man mit dem zufrieden ist, was ist’. Dieses Zitat soll von Zen-Meister Sengcan stammen. Ich empfinde es heute an diesem ersten re:publica-Tag genauso: Wir sind wieder da!“

Andreas Gebhard, Mitgründer und Geschäftsführer der re:publica

500 Sessions, 900 Speaker:innen und 21.000 Besuche – wie sind diese Zahlen einzuordnen im Vergleich zu 2019 oder 2018? Sie sind nicht vergleichbar – neue Zeit, andere Location, völlig veränderte Rahmenbedingungen. Ich bewerte die re:publica 2022 als großen Erfolg, unabhängig von diesen Zahlen.

Wie viele Tickets habt ihr verkauft, und ist der Ticket-Verkauf anders gelaufen als 2019?

Mehrere Tausend Tickets waren Gutscheine für die Show in 2020. Daher war der Ticketverkauf dieses Jahr besonders sehr schwer zu kalkulieren. Aber wir sind zufrieden!

Da sich nicht jede:r ein Ticket leisten kann, habt ihr alles gestreamt und stellt die Inhalte kostenlos bereit. Viele Veranstalter:innen scheuen diese Kosten. Warum macht ihr das?

Nicht alles wurde gestreamt, das wäre zu aufwendig. Allerdings stellen wir alle Sessions meist noch am gleichen Tag online. Wir verstehen die re:publica als eine Zeitgeistdokumentation der digitalen Gesellschaft. Daher ist es sehr wichtig, unsere Inhalte möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Foto: Stefanie Loos, re:publica

„Demokratie braucht Diskurs und Kontroverse, aber eben auch ethische Leitplanken. Kurzum, wir brauchen den Weltgeist der re:publica.“

Bundeskanzler Olaf Scholz zur Digitalpolitik in der Zeitenwende im Gespräch mit Fernsehmoderatorin Linda Zervakis

Ihr habt wegen der Pandemie eine neue Location gewählt: die Arena Berlin und den Festsaal Kreuzberg mit weniger Innen- und mehr Außenflächen. Wie ist das angekommen – und bleibt ihr dort?

Neben dem genannten Aspekt der Außenflächen kam in diesem Jahr ein Punkt hinzu: die Aufenthaltsqualität für unsere Besucher.innen durch eine unvergleichbare neue Location zu erhöhen. Mein Gefühl ist, das hat geklappt! Über die Location 2023 haben wir noch nicht entschieden.

Was war noch anders auf der re:publica 2022 im Vergleich re:publica 2019?

Wir haben der Event-Nachhaltigkeit einen noch viel größeren Stellenwert eingeräumt. Ein Beispiel: Unser Team-, Crew- und Gästecatering war komplett vegetarisch/vegan. Auf unserer Website haben wir alle nachhaltigen Maßnahmen aufgeführt – von Stadt und Kiez über Mobilität, Energie und Klimawirkung bis Barrierefreiheit.

Wie ist deine Beobachtung: Haben sich die Erwartungen der Teilnehmer:innen geändert? Wenn ja, wie?

Ich glaube, alle waren froh, sich endlich wieder zu treffen. Dieses Bedürfnis war unglaublich groß!

Andreas Gebhard: Das Bedürfnis, sich endlich wieder zu treffen, war unglaublich groß! Foto: Jan Michalko, re:publica

Welche Learnings habt ihr aus den letzten drei Jahren in die Konzeption und Organisation einfließen lassen?

In der Pandemie haben viele gesagt, dass insbesondere die re:publica doch mit digitalen Formaten klarkommen müsste. Dagegen haben wir uns immer etwas gestäubt, denn: die re:publica wurde gegründet, um Menschen aus der digitalen Welt physisch an einen Ort zu bringen. Das stimmt weiterhin.

Die re:publica soll ein Ort ist für Menschen mit Gestaltungswillen sein. Das wollen andere Veranstalter:innen auch. Was müssen sie, was müsst ihr dafür tun?

Freiräume geben, Zufälliges zulassen und eine Veranstaltung organisieren, auf die man auch selber gehen würde.

Um krisenfester zu werden, soll die re:publica GmbH in eine gemeinnützige Organisation überführt werden. In welche Richtung gehen eure Überlegungen: Eine gGmbH, ein gemeinnütziger Verein, eine Stiftung?

Um die re:publica als Ort langfristig zu erhalten, wollen wir eine gemeinnützige Organisation gründen, die unsere Werte nachhaltig absichert. Wie wir das genau machen, soll in den nächsten Monaten mit unserer Community entwickelt werden.

Und für dich persönlich: Welcher rp22-Moment beschäftigt dich nachhaltig?

Schwer zu sagen. Wahrscheinlich die Frage: Wie können wir diese Show 2022 im nächsten Jahr noch toppen?!

Kerstin Wünsch

Die re:publica Berlin ist zurück!

Session mit Sascha Lobo: Warum sind wir hier? Foto: Jan Zappner, re:publica

Die re:publica Berlin, das Festival für die digitale Gesellschaft, hat vom 8. bis 10. Juni 2022 in der Arena Berlin und dem Festsaal Kreuzberg stattgefunden und unter dem Motto „Any Way the Wind Blows“ gestanden. Traditionell endet die re:publica mit dem gemeinsamen Singen von Queens „Bohemian Rhapsody“ und dem Satz „Any Way the Wind Blows“. An diese letzten Worte der re:publica 2019 hat die re:publica 2022 mit ihrem Motto angeknüpft, steht „Any Way the Wind Blows“ doch auch für den Zufall und das Leben in seiner Unberechenbarkeit. Es ermahnt zur Demut vor dem Kontrollverlust, macht aber auch Mut.

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