Interview Claire Steinbrück
„All eyes on all“
Foto: Andreas Wiese
Foto: Andreas Wiese
Claire Steinbrück ist Bereichsleiterin des Unternehmensbereichs „Globale Unternehmensentwicklung und -strategie“ und damit seit Juli 2025 in der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf. Im Interview spricht sie über den Reiz eines industrielastigen Veranstaltungs-Portfolios, die Bedeutung von Internationalisierung, vielfältige Führungskulturen und darüber, was für sie in der Messewirtschaft derzeit vor allem gilt.
m+a report: Sie sind seit dem 1. Juli 2025 Bereichsleiterin des neu geschaffenen Unternehmensbereichs „Globale Unternehmensentwicklung und -strategie“ der Messe Düsseldorf. Wie haben Sie die ersten Wochen in Ihrer neuen Funktion erlebt?
Claire Steinbrück: Das ist für mich eine sehr dynamische und spannende Zeit. Ich bin sehr offen und herzlich willkommen geheißen worden – auf eine bemerkenswert menschliche Art. Das ist mir sofort aufgefallen. Man sagt ja immer: Messe ist Messe. Aber am Ende tickt doch jede Messe anders, und das ist hier in Düsseldorf noch einmal sehr deutlich.
Woran zeigt sich für Sie dieser Unterschied beispielsweise?
Zum einen ist das Portfolio hier ein völlig anderes. In Frankfurt wie in Köln habe ich nicht mit einem so stark industrielastigen Portfolio gearbeitet. Das finde ich spannend, weil ich glaube, dass ein Industrieportfolio andere Erwartungen an eine Messe stellt als ein konsumgüterorientiertes. Und dann ist da die Kultur: Auch die ist hier eine ganz eigene. Ich kann mich zum Beispiel sehr gut mit dem internen Leitbild „Show your best“ identifizieren. Dieses Zusammenspiel aus Portfolio, Mentalität und Haltung ergibt eine eigene Persönlichkeit. Und die spürt man deutlich.
Welche Themen stehen für Sie in Ihrer neuen Rolle besonders im Fokus?
Ganz oben steht für mich die strategische Weiterentwicklung und Absicherung des globalen Portfolios. Außerdem richtet sich der Fokus stark darauf, neue Themen und neue Formate zu prüfen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Weiterentwicklung unserer Internationalisierungsstrategie. Das wären aus meiner Sicht die wesentlichen Pfeiler.
In Ihrem Bereich sind Aufgaben wie Neuproduktentwicklung, Marktforschung, Partner- und Gastveranstaltungen sowie International Business gebündelt. Wo sehen Sie die größten Chancen für die Messe Düsseldorf?
In all diesen Feldern steckt ein enormes Potenzial. Wir haben ein hochprofitables Portfolio, das wir sowohl am Standort als auch global weiterentwickeln müssen. Gleichzeitig befindet sich die Messewirtschaft in einer Phase intensiver Transformation: neue Themen, neue Märkte und neue Bedürfnisse entstehen. Und genau darin liegen große Chancen, auf die wir unser Augenmerk richten. Sich also nur auf einen Bereich zu konzentrieren, würde bedeuten, andere wichtige Themen auszublenden, und das wäre aus meiner Sicht problematisch. Für mich gilt deshalb: All eyes on all. Das betrifft sowohl unser Portfolio am Standort Düsseldorf als auch unsere Internationalisierungsstrategie. Die geopolitischen Entwicklungen verändern Märkte, Regionen und Verhaltensmuster. Lokale Plattformen und Regionalisierung gewinnen dadurch eine deutlich größere Bedeutung als noch vor ein paar Jahren – was wiederum neue Herausforderungen für Leitmessen mit sich bringt.
Die Messe Düsseldorf hat ihr internationales Portfolio in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert. Welche Regionen oder Märkte haben Sie dabei besonders im Blick?
Es ist kein Geheimnis, dass viele Messegesellschaften derzeit sehr genau auf die arabische Halbinsel schauen. Saudi-Arabien und die VAE mit Dubai sind extrem spannende und schnell wachsende Märkte. Dazu kommt Indien mit seinem enormen Wachstumspotenzial und einer riesigen Volkswirtschaft. Genauso wichtig ist mir aber auch, nicht nur zu fragen, wohin wir neu gehen, sondern, wo wir bereits vertreten sind – und diese Engagements kontinuierlich zu hinterfragen und weiterzudenken. Deshalb prüfen wir sehr genau: In welchem Land sind wir wie präsent? Welche Veranstaltungen haben wir dort? Und wie müssen wir sie weiterentwickeln?
Wenn wir in Ihrem Werdegang nochmal etwas zurückgehen: Sie hatten zuletzt als Bereichsleiterin Messemanagement die strategische und konzeptionelle Verantwortung des globalen Ernährungstechnologie-Messeportfolios der Koelnmesse inne. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit sind für Sie heute besonders wertvoll?
Ich bin ein absoluter Teamplayer und hatte ein starkes Team, das mit großer Bereitschaft füreinander eingestanden ist und die berühmte Extrameile gegangen ist. Das war ein riesiges Privileg und ich habe auch hier wieder ein tolles Team. Ebenso wichtig waren starke Partnerschaften und ein klarer Schulterschluss mit allen Beteiligten. Was mich außerdem geprägt hat, sind meine internationalen Erfahrungen aus vielen Auslandsaufenthalten. Dieser Austausch – egal ob bei großen oder kleinen Projekten – und die Offenheit, voneinander zu lernen, sind für mich bis heute entscheidend. Das sind meine wichtigsten Lehren aus dieser Zeit.

„Es war keine Entscheidung gegen Köln, sondern eine klare Entscheidung für Düsseldorf.“
Es war ein bedeutendes Kapitel mit vielen besonderen Menschen, und es fiel mir doch schwer, mein Team loszulassen. Aber Loslassen bedeutet auch, etwas Neues zu beginnen. Hier in Düsseldorf habe ich die Möglichkeit, einen komplett neuen Bereich zu gestalten – das finde ich extrem spannend. Ich war zuvor 13 Jahre bei der Messe Frankfurt in verschiedenen Ländern tätig und habe danach zu Beginn in Köln das Outbound-Geschäft und später die Internationalisierung des Ernährungstechnologie-Portfolios verantwortet. Diese Themen kann ich hier auf einem ganz neuen Level weiterleben. Das ist für mich eine wirklich verantwortungsvolle und bereichernde Aufgabe. Es war also keine Entscheidung gegen Köln, sondern eine klare Entscheidung für Düsseldorf. Beruflich wie persönlich ein großer Schritt.
Welche Lehren konnten Sie bei Ihren Stationen sowohl als Direktorin der Imm Cologne und bei verschiedenen internationalen Projekten bei der Koelnmesse als auch in der Zeit bei der Messe Frankfurt – mit Einsätzen in Mexiko, Argentinien und Italien sowie als stellvertretende Direktorin des Deutschen Pavillons bei der Expo Milano 2015 – für Ihre Führungs- und Strategiearbeit ziehen?
Ich glaube, dass Führung zuerst mit der eigenen Persönlichkeit zusammenhängt. Und ich hatte über die Jahre viele verschiedene Führungskräfte, die ich beobachten konnte. Daraus habe ich vieles mitgenommen: Dinge, die ich besonders bewundernswert fand, und andere, die ich heute bewusst anders machen möchte.
Für den Deutschen Pavillon mit dem Motto „Fields of Ideas“ auf der Expo 2015 in Mailand wurde die Messe Frankfurt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Organisation und Betrieb beauftragt. Foto: keller-fotografie.de
Am Ende setzt sich das alles zusammen: die eigene Persönlichkeit und Haltung, die Erfahrungen, die man gesammelt hat, und das, was einem im Miteinander wichtig ist – oder was man anders machen würde. Und es kommt eine besondere Offenheit hinzu, wenn man nicht nur an einem Standort und in einer einzigen Funktion war, sondern mit unterschiedlichen Kulturen und Teams gearbeitet hat. Daraus entsteht letztlich die eigene Signatur: wie man führt und wie man Strategie definiert. Wahrscheinlich ist es eine Art Formel aus Erfahrung, Persönlichkeit und einer gewissen Führungsfähigkeit.
Gab es denn auf Ihrem Weg ins Topmanagement auch Hürden und – falls ja – was hat Ihnen geholfen, diese zu überwinden?
Sicherlich steht jeder irgendwann vor Herausforderungen. Persönlich habe ich aber nie echte Barrieren erlebt, die mich ausgebremst hätten. In meinem Fall gab es in meiner Vita immer wieder Menschen – manchmal durch Zufall, manchmal, weil es meine direkten Vorgesetzten waren –, die mich als Mentoren klar erkannt und mir gesagt haben: „Du gehst jetzt diesen Schritt.“ Sie haben mich ermutigt und mir geholfen, Mut, Dynamik und das Selbstvertrauen zu entwickeln. Oder sie haben mir ehrlich gesagt: „Du kannst jetzt nicht direkt auf dieses Feld ziehen, geh erst noch einmal über einen anderen Schritt, damit das, was du planst, wirklich Sinn ergibt.“ Auch das war wertvoll. Sehr geprägt hat mich außerdem mein Elternhaus. Wir sind häufig umgezogen. Für mich und meine Geschwister war dieses Neue nie etwas, vor dem man zurückschreckt, sondern etwas, das man sich zutraut. Wir sind zweisprachig in einem deutsch-belgischen Umfeld aufgewachsen. Das schafft früh eine gewisse Offenheit. Und dieses Sich-Zutrauen, Dinge einfach zu versuchen, begleitet mich bis heute. Aber natürlich gibt es Barrieren – beziehungsweise Themen, die immer noch wirken. Ich würde es vielleicht nicht als persönliche Barriere bezeichnen, aber mir ist schon häufiger begegnet, dass Frauen Leistung oder Kompetenz abgesprochen werden, weil man sie auf ihr Geschlecht reduziert. Dann heißt es: „Ja klar, jetzt musste es ja eine Frau werden.“ Das würde man bei einem Mann nicht infrage stellen. Das wird den Frauen nicht gerecht. Am Ende soll der oder die Beste die Beförderung bekommen – aufgrund der Qualifikation, aufgrund der Erfahrung und weil diese Person die passenden Skills mitbringt.
Sie haben gerade beschrieben, wie wichtig es ist, sich selbst Dinge zuzutrauen. Welche Rolle spielt Sichtbarkeit dabei?
Manchmal braucht man diese unsichtbare Hand im Rücken – sie greift nicht und sie trägt nicht, aber sie ist da. Und ich hatte zum Glück solche unsichtbaren Hände, sodass ich wusste: Ich kann eigentlich nur weich fallen. Denn man braucht diese Hand besonders, wenn man einen Schritt geht, bei dem man sich vielleicht nicht ganz sicher ist. Und da sind wir bei dem Thema Sichtbarkeit. Man muss eben manchmal raus aus der Deckung, sich zeigen und klar signalisieren, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Und sobald man diesen Schritt gemacht hat, ist man in einem anderen Kreis. Und auch dort muss man sich wieder sichtbar machen, etwas sagen, sich melden. Sich trauen. Ich bin als junge Frau ein halbes Jahr nach Mexiko City gegangen. Viele würden vielleicht sagen: Zu gefährlich. Aber ich habe diese Erfahrung gemacht, mit all ihren guten und schwierigen Momenten. Und sie hat mich geprägt. Wenn heute jemand sagt: „Sie übernimmt das internationale Geschäft der Messe Düsseldorf“ – dann tue ich das authentisch, auch weil ich selbst im Ausland gelebt habe und weil ich es mir zutraue. Wäre ich nie aus der Deckung gegangen, hätten wir heute vielleicht nichts, worüber wir sprechen könnten.
Apropos Erfahrungen: Oft helfen ja auch Netzwerke beim Austausch und auf dem beruflichen Weg. Haben Sie von solchen Netzwerken profitiert oder wurden Sie davon unterstützt?
Ich habe einmal an einem Mentoring-Programm teilgenommen, da ging es um das Thema Sichtbarkeit. Grundsätzlich glaube ich, dass Vernetzung wichtig ist und dass Austausch immer hilft. Solche Netzwerke können durchaus etwas bringen. Besonders spannend fand ich ein Netzwerktreffen, das unter anderem auch durch Kolleginnen von Düsseldorf Congress mit initiiert wurde. Da kamen unterschiedliche Netzwerke zusammen, und genau das fand ich bereichernd.
The Female Network Festival
Das The Female Network Festival ist das nach eigenen Angaben größte Frauen-Netzwerktreffen in Düsseldorf, initiiert von Düsseldorf Congress, Rheinbahn, Stadtsparkasse Düsseldorf und Stadtwerke Düsseldorf. Das Format bringt Führungskräfte, Gründerinnen, Nachwuchstalente und Expertinnen zusammen. Im Mittelpunkt stehen Keynotes, Workshops und Mentoring-Angebote zu Themen wie Karriereentwicklung, Leadership, Sichtbarkeit und Diversität — mit dem Ziel, Frauen zu vernetzen, den Dialog über Chancen und Herausforderungen zu fördern und Impulse für berufliche wie persönliche Weiterentwicklung zu geben. Die nächste Ausgabe findet am 3. März 2026 im CCD Congress Center Düsseldorf statt.
Wenn wir über Diversität sprechen, geht es für mich um echte Mischung. Viele Netzwerke haben naturgemäß ihren eigenen Fokus – das ist wertvoll, weil man Erfahrungen teilen und sich gegenseitig stärken kann. Aber wenn wir wirklich verstehen wollen, wo Barrieren liegen, dann braucht es Offenheit auf allen Seiten: Wo kommen wir nicht weiter? Was hindert uns? Solche Perspektivwechsel finde ich ehrlich gesagt am spannendsten. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie Strukturen aussehen können, die tatsächlich zu mehr Diversität führen – und auch zu mehr Frauen in Führungspositionen.
Mit Ihnen und Petra Cullmann sind nun zwei Frauen auf Executive-Director-Ebene bei der Messe Düsseldorf vertreten. Sie sind damit auch überhaupt eine von wenigen Frauen in der Geschäftsleitung einer großen deutschen Messegesellschaft. Was meinen Sie: Hat das eine Bedeutung für die Arbeit in den Gremien und für Entscheidungen und Prioritäten?
Was ich schon glaube, ist, dass in reinen Männerrunden bestimmte Aspekte anders oder vielleicht weniger breit beleuchtet werden. Das war hier zwar vorher nicht der Fall, weil Petra Cullmann ja bereits mit am Tisch saß, aber mit zwei Frauen in der Runde kommen sicher noch einmal andere Perspektiven hinzu. Und dieses breitere Blickfeld erzeugt meiner Meinung nach auch ein anderes Output. Wenn man Herausforderungen oder Entscheidungen aus mehreren Richtungen betrachtet, ergeben sich andere Wege, sie anzugehen. Ich glaube, dass das nur ein Mehrwert schaffen kann – zumindest hoffe ich das.
Und wenn wir über unterschiedliche Perspektiven sprechen: Welche Rolle spielt die gelebte Führungskultur dafür, wie Führung – auch weibliche Führung – sich entfalten kann?
Ich glaube, entscheidend ist auch hier weniger das Geschlecht als vielmehr die Möglichkeit, den eigenen Führungsstil überhaupt ausleben zu können. Das hat viel mit der Führungskultur zu tun und damit, wie ein Vorgesetzter oder Führungskreis geprägt ist. Die Frage ist: Kann ich so sein, wie ich bin? Kann ich Dinge so angehen, wie sie zu mir passen? Ich würde es schon Frauen mehr zuschreiben, stärker emotionale oder zwischenmenschliche Aspekte einzubringen. Das sollten wir nicht abtrainieren, denn genau diese Unterschiede machen Diversität aus. Entscheidend ist, dass diese Vielfalt zugelassen, gelebt und geschätzt wird. Unterschiedliche Persönlichkeiten und Schwerpunkte führen gemeinsam oftmals zu besseren Ergebnissen.
Sie sind ebenfalls Mutter. Welche Rahmenbedingungen brauchen Führungskräfte mit Care-Verantwortung überhaupt, damit internationale Rollen realistisch machbar sind?
Ich habe zwei Kinder, Zwillingsjungs, die zweieinhalb sind – sehr herausfordernd, aber großartig. Was brauchen wir? Vieles hat mit dem zu tun, worüber wir schon gesprochen haben: sich trauen. Ich habe oft das Gefühl, dass viele Frauen sehr stark in Wenn-dann-Modellen denken. Was ist, wenn ich Kinder bekomme? Was wäre, wenn …? Diese Szenarien sind häufig eher negativ. Und dann trauen sie sich nicht, heben nicht die Hand, bleiben da, wo sie sind – aus Angst vor etwas, von dem niemand weiß, ob es überhaupt so eintritt. Aber: Wenn ich Kinder haben möchte, kann ich diesen Schritt wagen – und trotzdem meinen Job ausüben. Ich hoffe, dass ich da vielleicht sogar eine Vorbildrolle einnehme. Ich habe meine Jobs immer aus Leidenschaft gemacht, und glaube: Wenn wir tun, was wir lieben, überträgt sich das positiv auf das Familienleben. Dieses „Wenn du Kinder hast, kannst du keine Karriere machen …“ – das müssen wir Frauen ablegen.

„Manchmal braucht man diese unsichtbare Hand im Rücken.“
Die zweite Ebene betrifft unser System in Deutschland, da können Arbeitgeber wenig kompensieren. Ich finde die strukturellen Rahmenbedingungen eine Katastrophe. Ich bin nach zehn Monaten wieder voll eingestiegen und hatte keine klare Kinderbetreuung. Ohne geteilte Elternzeit hätten wir das nie geschafft. Und trotzdem, dieser emotionale Stress, wenn die Kita morgens spontan ausfällt und man noch vor dem ersten Meeting kurzfristig Betreuung organisieren muss – das ist eine infrastrukturelle Aufgabe des Staates. Nur wenn Betreuung verlässlich ist, fühlen sich Frauen und Männer motiviert zu sagen: „Wir kriegen das hin.“ Und der dritte Punkt betrifft die Unternehmen. Da sind wir wieder beim Thema Führungskultur. In keinem Gespräch hier bei der Messe Düsseldorf kam jemals die Frage: „Aber Sie haben ja Kinder – wie soll das gehen?“ Es war nie relevant, dass ich Frau oder Mutter bin. Das ist für mich echte Augenhöhe. Ich komme als Leistungsträgerin – das Unternehmen sieht das und entscheidet danach. Dass ich nebenbei auch Mutter bin, ist dennoch Teil von mir. Wichtig ist, dass Kinder im Arbeitsalltag mitgedacht werden können. Wenn meine Kinder krank sind, bin ich zu Hause und arbeite trotzdem. Dann nehme ich in einer Pause ein fiebriges Kind in den Arm, weil es mir wichtig ist. Das muss Normalität sein. Und dann gibt es auch ganz praktische Faktoren. Die Messe Düsseldorf hat eine Betriebs-Kita – ein enormer Faktor auch für weibliche Führungskräfte von morgen.
Wenn wir an Messe-Hochlastphasen denken: Was könnte Ihrer Meinung nach ein familienfreundlicher „Peak-Betrieb“ aussehen und wie ließe sich das konzernweit verankern?
Wenn man sich für die Messebranche entscheidet, dann entscheidet man sich auch für genau diese Peaks – und viele von uns lieben sie. Eine meiner Lieblingsphasen ist die Zeit kurz vor einer Messe, wenn diese Spannung steigt und die finalen Abstimmungen laufen. Jemandem zu sagen: „Du bleibst jetzt mal zu Hause oder machst zwei Tage länger Homeoffice“ – das würden viele hier gar nicht wollen. Genau das ist unsere Leidenschaft und unser Kern. Was uns aber zugutekommt: Wir wissen früh, wann die Messen stattfinden, wann intensive Phasen anstehen oder größere Reisen anliegen. Dadurch kann man sehr viel im Voraus organisieren – und das macht die Branche familientauglicher, als man vielleicht denkt.
Welche Maßnahmen halten Sie allgemein für hilfreich, um mehr Frauen in Führungspositionen in der Messewirtschaft zu bringen?
Ich glaube, dass es in erster Linie an uns selbst liegt zu sagen: „Ich gehe diesen Schritt.“ Netzwerke, Mentoring-Programme und verschiedene Treffpunkte können unterstützen – keine Frage –, aber am Ende müssen wir Frauen selbst diesen Schritt machen. Mein Eindruck ist, dass sich viel bewegt: Wir sind noch nicht viele, aber wir werden sichtbarer. Und Sichtbarkeit schafft Vorbilder. Gleichzeitig wird es in der deutschen Messewirtschaft in den nächsten Jahren eine riesige Veränderung geben. Viele Babyboomer in Geschäftsführungen gehen in den Ruhestand. Das heißt, Positionen werden frei, und es ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis mehr Frauen nachrücken. Was wir dafür brauchen, ist Mut – gerade für Frauen in der zweiten und dritten Reihe. Die eigentliche Bewegung muss aus uns selbst herauskommen. Ich glaube deshalb nicht an ein Patentrezept, bei dem jedes Unternehmen bestimmte Maßnahmen abhaken muss. Es ist ein Change – und dieser Change hat längst begonnen.
Welche Chancen sehen Sie für die Messe Düsseldorf, sich vielleicht auch über eine vielfältigere Führungskultur im internationalen Wettbewerb zu positionieren?
Ich sehe da zwei Punkte. Zum einen bringen unterschiedliche Betrachtungsweisen im Sinne von Diversität ein anderes Output. Wenn wir Herausforderungen oder Aufgaben aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und mit unterschiedlichen Herangehensweisen bearbeiten, entsteht automatisch eine breitere und tiefere Auseinandersetzung mit einer Thematik. Das führt oft zu besseren Ergebnissen, einfach weil mehr Facetten einfließen.

Kartenausschnitt mit den Standorten und Beteiligungen der Messe Düsseldorf in Europa, Afrika und Asien. Grafik: Messe Düsseldorf
Zum anderen hat ein authentisch diverses Führungsteam eine starke Außenwirkung. Das passt sehr gut zu „Show your best“. Wir wollen die besten Köpfe ansprechen – die Messemacherinnen und Messemacher von morgen. Und eine vielfältige Führungsmannschaft sendet ein klares Signal: Wir stehen für Diversität, wir sind breit aufgestellt, und wir repräsentieren kein reines Männer- oder reines Frauenteam, sondern ein Unternehmen, das unterschiedliche Menschen und Perspektiven zusammenbringt. Das ist für die Positionierung im internationalen Wettbewerb wichtig. Es zeigt, wofür die Messe Düsseldorf steht, transportiert ein Wertegerüst nach außen und spricht hoffentlich die Talente an, die wir für die Zukunft gewinnen wollen.
Welchen Rat würden Sie diesen Köpfen geben, die eine Karriere in der Messewirtschaft anstreben?
Man sollte neugierig bleiben und bereit sein, die eigene Komfortzone zu verlassen. Mut und Offenheit sind für mich zentrale Eigenschaften für eine Karriere in der Messewelt. Und: Optimismus. Für mich ist das Glas immer halb voll – diese Haltung hilft, Dinge neu zu denken und neue Wege zu gehen. Seit vielen Jahren mache ich Messen. Für mich ist das mit das Schönste, was man überhaupt machen kann: Menschen zusammenzubringen. Bei aller Digitalisierung, KI und allem, was noch kommt – auch das ist Diversität, alles hat seine Berechtigung –, müssen wir weiterhin Plattformen schaffen, auf denen Menschen sich auch in Zukunft begegnen können. Und dafür brauchen wir Menschen, die genau diese Konzepte und diese Plattformen weiterdenken und gestalten wollen – die Lust auf Austausch, Zukunft und Vielfalt haben.