Digitalisierung als Wettbewerbsfaktor
Welche digitalen Touchpoints die Attraktivität und Buchungswahrscheinlichkeit von Veranstaltungsorten wirklich steigern
Digitale Berührungspunkte wirken: Was im Retail Kaufentscheidungen fördert, stärkt im Eventbereich die Buchungswahrscheinlichkeit von Veranstaltungsorten – ein Thema, das auch beim „Elevator Digital Media Forum“ 2024 in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi im Mittelpunkt stand. Foto: Chicilon Media
Digitale Berührungspunkte wirken: Was im Retail Kaufentscheidungen fördert, stärkt im Eventbereich die Buchungswahrscheinlichkeit von Veranstaltungsorten – ein Thema, das auch beim „Elevator Digital Media Forum“ 2024 in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi im Mittelpunkt stand. Foto: Chicilon Media
Die Veranstaltungsbranche befindet sich in einem tiefgreifenden digitalen Wandel. Entscheidungen über Veranstaltungsorte basieren heute nicht mehr primär auf klassischen Kriterien wie Lage oder Ausstattung. Immer stärker zählen die digitalen Fähigkeiten eines Ortes: Wie gut sind Buchungsprozesse gelöst? Wie intuitiv funktioniert die Besucherführung? Wie werden hybride Teilnahmen eingebunden? Locations, die hier überzeugen, erhöhen ihre Sichtbarkeit – und sichern sich messbare Wettbewerbsvorteile. Ein Gastbeitrag von Dr. Anja De Lorenzo.
Aktuelle Studien bestätigen diese Entwicklung. Die Event Trend Studie Schweiz 2024 zeigt, dass hybride Veranstaltungsformate mittlerweile über ein Drittel des Marktvolumens ausmachen und in puncto Reichweite und Flexibilität besonders geschätzt werden. Auch globale Marktanalysen prognostizieren ein weiter steigendes Volumen virtueller und hybrider Events bis 2030. Gleichzeitig nutzen laut einer aktuellen Umfrage von Cvent bereits über 70 Prozent der Eventplaner digitale Tools, um die Customer Journey zu optimieren – vom ersten digitalen Eindruck bis zur Nachbereitung nach dem Event.
Digitale Touchpoints entlang der Customer Journey im Veranstaltungsbereich – von Sichtbarkeit und Buchbarkeit in der Pre-Event-Phase über Erlebnis und Interaktivität während des Events bis hin zu Feedback und Kundenbindung in der Post-Event-Phase.

Grafik: Dr. Anja De Lorenzo
Doch die Herausforderung liegt weniger in der Verfügbarkeit digitaler Lösungen, sondern in deren strategischer Auswahl und nutzerfreundlicher Integration. Digitale Touchpoints müssen intuitiv, zugänglich und vertrauensbildend sein – insbesondere im B2B-Bereich, wo Entscheidungen zwar rational, aber stark erfahrungsbasiert getroffen werden. Digitalisierung entwickelt sich somit vom unterstützenden Werkzeug zum strategischen Erfolgsfaktor. Wer digital nicht überzeugt, verliert an Relevanz – unabhängig von Standort oder Kapazität.
Pre-Event-Phase: Sichtbarkeit und Buchbarkeit als Erfolgsfaktoren
Bereits vor der eigentlichen Veranstaltung entscheidet sich, ob ein Ort überhaupt in Betracht gezogen wird. In der Pre-Event-Phase sind digitale Touchpoints der zentrale Hebel für Sichtbarkeit, Vergleichbarkeit und Conversion. Veranstaltungsorte punkten dann, wenn sie relevante Informationen über intuitive Websites, mobiloptimierte Buchungsplattformen und professionelle Social-Media-Präsenzen bereitstellen. Diese Kanäle dienen nicht nur der reinen Information, sondern schaffen Vertrauen und reduzieren Planungsaufwand auf Kundenseite. Laut Studien erleichtern digitale Registrierungs- und Verwaltungstools die Teilnehmergewinnung signifikant. Tools wie digitale Buchungsformulare, automatisierte Bestätigungsmails oder Self-Service-Portale sorgen für Effizienz und geben dem Veranstaltungsort ein modernes, serviceorientiertes Image. In einer wettbewerbsintensiven Branche zählt dieser erste Eindruck oft mehr als Quadratmeterzahlen oder Cateringoptionen.

Wer digital nicht überzeugt, verliert an Relevanz – unabhängig von Standort oder Kapazität.
Gleichzeitig zeigt die Praxis: Nicht alle Zielgruppen begrüßen eine ausschließlich digitale Kommunikation. Persönliche Kontaktoptionen, etwa telefonische Beratung oder E-Mail-Antworten auf individuelle Rückfragen, bleiben wichtig – insbesondere bei komplexeren Veranstaltungen. Die Herausforderung liegt also nicht in der reinen Digitalisierung, sondern in deren gezielter Kombination mit klassischen Kommunikationsformen. Wer beide Ebenen beherrscht, wird als professionell und kundennah wahrgenommen – und sichert sich so einen Platz auf der Shortlist potenzieller Veranstalter.
Main-Event-Phase: Erlebnis, Orientierung und Interaktivität
Während der Veranstaltung zeigt sich, ob die zuvor geweckten Erwartungen erfüllt werden. Digitale Technologien sind in der Main-Event-Phase entscheidend, um Besucherführung, Interaktion und Erlebnisqualität zu optimieren. Tools wie Event-Apps ermöglichen personalisierte Agenden, erleichtern die Orientierung vor Ort und bieten direkten Zugriff auf Informationen wie Raumpläne, Speaker-Profile oder Live-Updates. Digitale Wegweiser, QR-Codes für Check-ins, Voting-Tools oder Gamification-Elemente fördern die aktive Teilhabe und erhöhen die Verweildauer an einzelnen Stationen.

Digitale Touchscreen-Wegweiser bieten moderne Orientierungshilfen: Mit interaktiven Karten, Suchfunktionen und personalisierten Informationen verbessern sie die Besucherführung und schaffen ein intuitives Nutzererlebnis vor Ort. Foto: Visix
Hybride Formate, bei denen virtuelle und physische Teilnehmer parallel eingebunden werden, stellen besondere Anforderungen: Sie setzen eine reibungslose technische Infrastruktur voraus. Livestreams und Webcasts erweitern die Reichweite deutlich und ermöglichen ortsunabhängige Teilnahme – ein Faktor, der besonders für internationale Kongresse attraktiv ist. Gleichzeitig betonen Veranstalter, dass technische Probleme wie instabiles WLAN oder fehlende Ladeinfrastruktur die Erfahrung stark beeinträchtigen können. Die Digitalisierung darf daher kein Selbstzweck sein, sondern muss zuverlässig, intuitiv bedienbar und für alle zugänglich gestaltet sein. Zudem spielt der Erlebnisfaktor eine zentrale Rolle: Ein informativer, aber emotional distanzierter Event wirkt weniger nachhaltig als eine Veranstaltung, bei der Inhalte, Technik und Atmosphäre aufeinander abgestimmt sind. Erfolgreiche Anbieter nutzen digitale Mittel nicht nur zur Informationsvermittlung, sondern schaffen echte Erlebnisse – multimedial, personalisiert und interaktiv.
Post-Event-Phase: Daten, Feedback und Bindung
Nach dem Event beginnt die Phase, in der Digitalisierung besonders wirkungsvoll wird: die systematische Nachbereitung. Digitale Tools helfen nicht nur bei der Bewertung des Erfolgs, sondern leisten einen entscheidenden Beitrag zur Kundenbindung. Feedback-Formulare, Online-Umfragen oder Social-Media-Auswertungen ermöglichen eine schnelle Einschätzung, wie der Veranstaltungsort wahrgenommen wurde. Ein Beitrag von Esch, Alt und Knörle in einem Sammelband zur Digitalisierung im Vertrieb zeigt, dass ein gezieltes Touchpoint-Management in dieser Phase die Wahrscheinlichkeit einer Wiederbuchung deutlich erhöht. Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) und Marketing-Automation erweitern diese Möglichkeiten: Sie erlauben eine zielgerichtete Nachansprache – etwa durch automatisierte Dankes-E-Mails, personalisierte Follow-ups oder exklusive Frühbucherangebote. Diese digitalen Touchpoints verlängern die Veranstaltung virtuell und halten den Dialog aufrecht. In einem Umfeld, in dem loyale Kundenbeziehungen rar und wertvoll sind, wird diese Phase zum strategischen Spielfeld.
Allerdings: Die rein digitale Kommunikation erreicht nicht jeden gleich gut. Viele Kunden wünschen sich zumindest ergänzend persönliche Rückmeldungen – etwa in Form eines kurzen Telefonats oder individueller Gespräche. Gerade bei größeren Projekten reicht eine rein automatisierte Nachbereitung nicht aus. Veranstalter, die digitale Auswertung mit echter Beziehungspflege kombinieren, zeigen Nähe und Professionalität – ein klarer Wettbewerbsvorteil im Kampf um Folgeaufträge.
Wettbewerbsvorteil durch Digitalstrategie
Digitale Touchpoints sind längst kein optionales Add-on mehr, sondern ein zentrales Kriterium bei der Wahl von Veranstaltungsorten. Sie beeinflussen nicht nur die Customer Journey, sondern prägen die Wahrnehmung von Professionalität, Innovationskraft und Kundenorientierung. In Zeiten zunehmender Vergleichbarkeit von Locations rücken nicht mehr nur Lage, Preis und Ausstattung in den Fokus – sondern der digitale Reifegrad.

Die konsequente Digitalisierung im Eventmanagement muss zwei Ziele gleichzeitig erfüllen: Effizienzsteigerung und Erlebnisqualität.
Gerade Veranstaltungsorte, die konsequent entlang der Customer Journey digitale Erlebnisse schaffen, verbessern ihre Marktposition messbar. Eine Studie von Godbersen & Hausinger aus dem Jahr 2022 zeigt, dass die Zufriedenheit an digitalen Kontaktpunkten direkten Einfluss auf Wiederbuchung und Weiterempfehlung hat. Auch andere Untersuchungen betonen, dass personalisierte Kommunikation und automatisierte Prozesse nicht nur Ressourcen schonen, sondern Kundenbindung messbar steigern. Doch Digitalisierung allein genügt nicht. Entscheidend ist, wie die digitalen Touchpoints gestaltet, miteinander verknüpft und in das Gesamterlebnis eingebettet sind. Bereits frühere Touchpoint-Modelle warnen davor, Kunden zu „digitalisieren“, ohne sie emotional mitzunehmen. Weitere Analysen erinnern daran, dass Touchpoints „Momente der Wahrheit“ sind – Begegnungen, die positiv oder negativ nachwirken. Die konsequente Digitalisierung im Eventmanagement muss daher zwei Ziele gleichzeitig erfüllen: Effizienzsteigerung und Erlebnisqualität. Technische Tools sollten nicht nur Abläufe optimieren, sondern emotionale Relevanz erzeugen – durch Echtzeitkommunikation, transparente Informationen und einfache Interaktion. Besonders hybride Formate und KI-basierte Lösungen bieten hier neue Chancen: Sie verbinden Reichweite mit Individualisierung und machen Veranstaltungen skalierbar, ohne an Charakter zu verlieren. Veranstaltungsorte, die diese Balance meistern, sichern sich nicht nur Sichtbarkeit, sondern echte Wettbewerbsvorteile. Digitalisierung wird so nicht zum Selbstzweck – sondern zum strategischen Schlüssel für nachhaltigen Markterfolg.
Dr. Anja De Lorenzo
Literatur (Auszug)
Arias, J. D. et al. (2011): Integral solution for web-conferencing event management. verfügbar unter: https://core.ac.uk/download/pdf/148660781.pdf
Birdir, K. et al. (2021): Impact of ICTs on event management and marketing. verfügbar unter: https://doi.org/10.4018/978-1-7998-4954-4
Cvent (2025): 116 Event Statistics Shaping the Industry in 2025. verfügbar unter: https://www.cvent.com/en/blog/events/event-statistics
Esch, F.-R. et al. (2023): Omni-Channel-Strategien durch Customer-Touchpoint-Management. verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-38433-3_27
EXPO EVENT, svtb & VSSA (2024): Event Trend Studie Schweiz 2024. verfügbar unter: https://api.expo-event.ch/site/assets/files/3626/p21138_event_trend_studie_schweiz_2024_55.pdf
Godbersen, H. & Hausinger, C. (2022): Customer Touchpoint Management: Systematisierung und Einfluss auf das Markenerlebnis.
Kounavis, C. D. et al. (2012): Enhancing the Tourism Experience through Mobile Augmented Reality: Challenges and Prospects. verfügbar unter: https://doi.org/10.5772/51644
Lemon, K. N. & Verhoef, P. C. (2016): Understanding Customer Experience Throughout the Customer Journey. verfügbar unter: https://doi.org/10.1509/jm.15.0420
Wagner, G. et al. (2020): Digital Customer Touchpoint Management: Ein konzeptioneller Bezugsrahmen. verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2018.10.048



