Meta Tangere
Auf dem Weg ins Metaverse
Die Organisatoren der Innovation Competition Meta Tangere im Kamerabild für den Kick-Off Livestream vom 8. September. Im Bild (Zweiter von links) ist der Initiator Stephen Rose, Head of Global Communications Services Siemens. Foto: Siemens
Die Organisatoren der Innovation Competition Meta Tangere im Kamerabild für den Kick-Off Livestream vom 8. September. Im Bild (Zweiter von links) ist der Initiator Stephen Rose, Head of Global Communications Services Siemens. Foto: Siemens
Das Metaverse wird zurzeit viel und heiß diskutiert. Bei all den besprochenen Visionen bleibt die Frage, welcher Weg ins Metaverse führt. Besonders aus strategischer Sicht für die Unternehmenskommunikation, und damit für Events, gilt, sich nachhaltig mit Möglichkeiten auseinanderzusetzen und sich auf ein schnell wandelndes Umfeld einzustellen. Siemens hat in dem Zuge die Innovation Competition Meta Tangere ins Leben gerufen und ein Eco-System aus Start-ups, Technologie-Unternehmen und Design-Agenturen geschaffen.
Meta schließt sich bei den großen Entlassungswellen im Silicon Valley an. Gut 13 % aller Mitarbeiter müssen gehen. Grund sind unter anderem die hohen Entwicklungskosten für das Metaverse von Meta und Druck der Stakeholder. Dazu kommt, dass Meta Horizon Worlds in der Wahrnehmung der User zu floppen scheint. Die Umsetzung erinnere an schlechte Computerspiele und es seien einfach zu wenig andere User da. Mal abgesehen davon, dass Horizon Worlds immer noch nicht in Deutschland verfügbar ist.
Andere Schlagzeilen zeigen, dass der Hype um das Metaverse noch nicht vorbei ist. Der Inselstaat Tuvalu möchte als First Digital Nation einen digitalen Zwilling seiner Inseln bauen, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind. Auch wenn dies als geschicktes Spiel mit der Medienwelt für mehr Aufmerksamkeit im Kampf für den Klimaschutz interpretiert werden kann, so zeigt es doch, dass die Idee eines Metaverse global weiter relevant ist.
Was zeichnet ein Metaverse aus?
Für alle Leser:innen, die sich noch nicht näher mit dem Metaverse auseinandergesetzt haben: Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Matthew Ball beschreibt jedoch in einem viel zitierten Blog-Beitrag Eigenschaften, die ein Metaverse ausmacht. So soll es eine dauerhafte Welt sein, die sich nicht einfach pausieren und live gemeinsam, gleichzeitig erleben lässt. User erleben eine Art von Präsenz, die sich sowohl über digitale als auch physische Welten erstreckt. Neue Technologien sollen die Einmaligkeit von digitalen Objekten und dadurch eine funktionsfähige Wirtschaftsform im digitalen Raum ermöglichen. Schlussendlich zeichnet sich ein Metaverse über die Interaktionen seiner User aus, die es dadurch aktiv mitgestalten.
Umso relevanter wird es für Unternehmen, genau zu analysieren, wo sich neue Kommunikationskanäle im Metaverse auftun. Ansätze lassen sich inzwischen bei einer Google-Recherche ganz leicht finden. Sie erinnern dabei an Strategiedefinitionen, wie sie in BWL-Lehrbüchern zu finden sind. So sollen sich Unternehmen Fragen stellen wie: Was ist die Vision für die Aktivitäten im Metaverse? Was sind die Ziele? Welche Mehrwerte sollen geschaffen werden? Mit wem soll interagiert werden und welche Erfahrungen sollen geschaffen werden? Welche technische Infrastruktur und welche personellen Kompetenzen werden benötigt?
Siemens auf neuen Wegen
Die global agierende Siemens AG hat sich genau diese Aufgabenstellung gegeben. Gar nicht so leicht für ein Unternehmen, das sich in so unterschiedlichen Sparten wie etwa digitaler Industrie, Mobilität und Medizintechnik gleichzeitig bewegt. Für die Bereiche Marketing, Sales und Kommunikation, die eine ganze Reihe an verschiedenen Veranstaltungsformaten abdecken, sollten nun sogenannte neue Möglichkeitsräume geschaffen werden. Ganz bewusst wurden hier die Begriffe Omniverse, Universe und Metaverse nebeneinandergestellt. So sollten kreative Freiräume bleiben, um neue Virtual-Siemens-Erfahrungen zu kreieren. Ziel dieses Projektes war nämlich gar nicht, sofort die eine umfassende Metaverse-Präsenz für Siemens zu entwickeln. Vielmehr sollte ein Netzwerk aus Anbietern aller Größen, wie etwa Start-ups, Technologie-Unternehmen und Design-Agenturen, geschaffen werden, sodass auf schnellen Wandel durch neue Technologien und Innovationen reagiert werden könne. Dafür wurde eine Innovation Competition mit dem Namen Meta Tangere ins Leben gerufen.
Foto: Ice Space Studios
Was macht die Teilnahme bei Meta Tangere für Sie so spannend?
Florian Rabl, Geschäftsführer Ice Space Studios: Ich finde es spannend, dass Siemens einen offenen Community-Lösungsansatz verfolgt, statt sich auf eine einzelne alteingesessene Agentur zu stützen. Vielen Firmen und Start-ups, mit den unterschiedlichsten technischen Ansätzen, wird eine Chance zum Networking gegeben mit dem Ziel, schlussendlich Lösungsansätze zu generieren, die durch einen einzelnen Partner nicht abzubilden wären. Hierdurch entsteht eine Win-win-Situation, da junge Firmen die Chance bekommen, sich zu beweisen und Connections knüpfen können, während Siemens einen Einblick in die neueste Technik und Innovationen erhält.
Im Rahmen von Meta Tangere wurde eine Vision mit zehn Dimensionen für Virtual Siemens aufgestellt. Dazu gehören die Darstellungsform, die Art der ermöglichten Interaktionen wie Chats und Videos, die Perspektive, welche die User einnehmen, die Art von Bedienung, die Architektur von Welten, der Grad an Bewegungsfreiheit, die nutzbaren Kanäle wie Webseiten und Messen, digitale Assets wie Videos und 3D-Modelle, Technologien wie VR, AR, aber auch Kompressionsverfahren und schließlich die Einbindung in die Unternehmens-IT unter Gewährleistung der IT-Sicherheit.
Im ersten Schritt wurde nun im Lead der Siemens Global Business Services mit einem Agenturpartner nach relevanten Unternehmen aus den Bereichen Metaverse, AR, VR, NFT, Kunst, Kultur, Bildung und Industrie geschaut. Hieraus resultierten 280 Einladungen zum Auftaktevent. 80 unterschiedliche Anbieter folgten der Einladung. Sie wurden Anfang September in einer Livestream-Veranstaltung über Meta Tangere gebrieft. Hier bekamen sie zudem den Auftrag, in einem zweiminütigen Video ihre Idee und ihren Mehrwert für das Virtual Siemens Ecosystem zu präsentieren. 50 Videos wurden nur sechs Tage später im Posteingang verzeichnet.
Über Siemens Global Business Services
Siemens Global Business Services (GBS) entwickelt und betreibt effizient innovative Business Services für Einheiten der Siemens AG weltweit sowie für externe Kunden. Das Portfolio umfasst transaktions- und kompetenzbasierte Dienstleistungen mit einem starken Fokus auf Digitalisierung in Bereichen wie Business Administration, Human Resources, Supply Chain Management, Vertrieb, Marketing und Engineering. Siemens GBS Business Services erbringt diese Services für die Siemens AG, die Siemens Energy AG und die Siemens Healthineers AG. Siemens GBS schafft weltweit an elf größeren Delivery-Standorten Mehrwert für seine Kunden. Der Hauptsitz von GBS liegt in München.
Eine Siemens-Jury entschied schließlich über die zehn interessantesten Beiträge. Die zehn Finalisten wurden für einen eintägigen Workshop nach Berlin Ende September eingeladen. Hier sollten die Teilnehmer Beispiele erarbeiten, wie ein Metaverse Collaboration Space aussehen kann. Dafür wurden Gruppen aus je zwei Teilnehmer:innen von unterschiedlichen Anbietern gebildet. So konnte auch bewertet werden, wie gut über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus zusammengearbeitet wird. Nach einem finalen Pitch am Ende des Workshops wurde mit dem Gewinner-Team ein Budget für die Umsetzung eines Proof of Concept vereinbart.
Was macht die Teilnahme bei Meta Tangere für Sie so spannend?
Lars H. Eckernkemper, Head of Business Development & Creative Strategy bei For Real: Der Ansatz, den Siemens hier beschreitet, eine nachhaltige ganzheitliche Strategie bezüglich des Metaverse entwickeln zu wollen, die auch nicht nur darauf schaut, was Stand heute möglich ist, sondern auch die zukünftigen Entwicklungen einzuschätzen und mit einzubeziehen versucht. In Kombination mit dem Community- Ansatz, verschiedene Unternehmen zusammenzubringen und gemeinsam die Produkte zu entwickeln, ist dies sehr interessant.
Was haben Sie für sich gelernt, als sie im Innovation Sprint zum Siemens-Projekt Meta Tangere teilgenommen haben?
Zum einen habe ich viel über die Komplexität und verschiedenen Bereiche, in denen Siemens tätig ist, gelernt. Gerade wenn man hier eine längerfristige gemeinsame Strategie im Metaverse entwickeln will, ist es essenziell, so viel wie möglich über die verschiedenen Unternehmensbereiche, Ziele und deren Challenges zu erfahren. Aber auch der Austausch mit den unterschiedlichen Unternehmen untereinander war sehr inspirierend. So konnte man zum Beispiel Lösungsansätze kennenlernen, die man vorher noch nicht auf dem Radar hatte.
Foto: For Real
Im Ergebnis steht nun ein ganzes Netzwerk an kompetenten Partnern, das innerhalb nur eines Monats aufgebaut wurde. Alle 50 Teilnehmer von Meta Tangere sollen auch in Zukunft Teil dieses neu geschaffenen Ökosystems bleiben. „Wir müssen raus aus alten Strukturen und mehr in Ökosystemen denken“, so Stephen Rose, Head of Global Communications Services Siemens. Wann immer die Idee für einen neuen Anwendungsfall aufkommt, soll das Innovations-Netzwerk aktiviert werden. Sei es beispielsweise für den nächsten Messeauftritt oder Kollaborationsräume für Teams, die über größere Distanzen zusammenarbeiten müssen.
Wie wird das Metaverse basierend auf den Erfahrungen aus der Innovation Competition den Event-Mix von Siemens verändern? „Wie in der Vergangenheit schon – eine neue technische Möglichkeit, ein neuer Kanal öffnet neue Möglichkeiten, die wir aktiv nutzen werden. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass dadurch andere Kanäle nicht gestrichen, sondern ergänzt werden, d.h. die physischen, virtuellen, hybriden Formate werden weiterhin ihre Berechtigung haben, aber um neue Möglichkeiten ergänzt und dadurch verbessert“, antwortet Stephen Rose.
„Wir müssen raus aus alten Strukturen und mehr in Ökosystemen denken.“
Stephen Rose, Head of Global Communications Services Siemens
Das Beratungsunternehmen McKinsey hat in einer Studie prognostiziert, dass bereits 2030 fünfzig Prozent aller Events im Metaverse stattfinden sollen. Stephen Rose bleibt da allerdings noch kritisch: „Ob dieser Anteil bei 10% oder 50% liegen wird, und das in zwei, sieben oder zehn Jahren, können wir nicht beurteilen und ist für uns auch eher zweitrangig. Denn selbst wenn es nur 5% Prozent sein werden, die Interaktionen mit unseren Kunden innerhalb dieser 5% allerdings hoch intensiv sind, ist das auch ein relevanter Mehrwert. Und um auf die Flexibilität der zukünftigen Entwicklung vorbereitet zu sein, haben wir Meta Tangere ins Leben gerufen.“
Das Beispiel der Siemens AG zeigt, wie sich Unternehmen, losgelöst vom Hype, fundiert mit dem Metaverse auseinandersetzen können, um für sich die geeignetsten Lösungen zu finden. Besonders ein Merkmal von Metaversen bleibt hier spannend – auch für Unternehmen, in denen schlussendlich Menschen arbeiten: Es ist nicht unbedingt die Schaffung eines neuen Wirtschaftsraums. Entscheidender ist, dass das Metaverse zu dem wird, was wir daraus machen. Durch Ausprobieren, Teilnehmen und Formen. Dank sich aufhebender physikalischer Grenzen wie im echten Leben sind der Fantasie quasi keine Grenzen mehr gesetzt.